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las Volksschulwesen des
Kantons Zürich zur Zeit der Helvetik
(1798 _ 1803)
INflüGURRL- DISSERTATION
ZUR
ERtfifNQÜFiQ DER DOKTORWÜR
STEN SEKTION DER HOHEN VHrLOSOPhlSCHÖl FQKOLf&T
DER
UNIVERSITÄT ZÜRICH
Willibald Klinke
. Zürich.
Begutachtet von den He
Prof. i und
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1907.
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Das Volksschulwesen des
Kantons Zürich zur Zeit der Helvetik
0798 - 1803)
INRUQURflL- DISSERTATION
ZUR
ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE
DER
ERSTEM SEKTION DER HOHEM PHILOSOPHISCHEM FAKULTÄT
DER
UNIVERSITÄT ZÜRICH
vorgelegt von
Willibald Klinke
aus Zürich.
Begutachtet von den Herren
Prof. Dr. Q. Störring und
Prof. Dr. C. Dändllker.
ZÜRICH
Buchdruckerei Gebr. Leemann & Co.
Verlag der „Rcademia"
1907.
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FEI 2 1959
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Inhalt.
Seite^
Verzeichnis der angeführten Werke und Quellen . VII— VIII
I. Einleitung 1
II. Die politischen und sozialen Zustände im allgemeinen . 5
III. Verhältnis yon Staat nnd Kirche zur Schale IT
IV. Die Schalorganisation 31
1. Schulleitung und Aufsicht 31
2. Schul Verordnungen und Schulgesetze 51
3. Die Schulgemeinden 60
4. Oekonomische Verhältnisse ...... 72
a) Schulausstattung , . 72
b) Schulfonds 82
c) Lehrerbesoldungen 90
5. Die Lehrer 108
a) Anstellung 108
b) Bildungsgrad 113
c) Alter und Familienverhältnisse . . . .116
d) Nebenbeschäftigungen 117
6. Versuche zur Hebung der Lehrerbildung . . .119
V. Der Schalbetrieb . .133
1. Bildungsziel 133
2. Die Materie des Unterrichts 137
a) Die Schulbücher 137
b) Die einzelnen Unterrichtsfächer . . . .145
3. Schulzeit und Schulbesuch . . . . .155
4. Klasseneinteilung 163
5. Schulzucht 166
6. Examina .168
Anhang:
1. Fragebogen der Stapferschen Schulenquete 173
2. Tabellarische Darstellung der Stapferschen Schulenquete
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Verzeichnis
der angeführten Werke und Quellen.
I. Zeitgenössische Quellen.
1. Stapf ersehe Schulenquete. (Bundesarchiv, Abteilung Helvetik) Bde.
1470, 1471, 1421.
Bd. 1470. Distrikte: Benken, Andelfingen, Winterthur, Elgg, Fehr-
altorf.
Bd. 1471. Distrikte: Bassersdorf, Bülach, Regensdorf, Zürich, Mett-
menstetten.
Bd. 1421. Distrikte: Horgen, Meilen, Grüningen, Uster, Wald.
2. Protokolle des zürcherischen Erziehungsrates 1798 — 1801. 3 Bde.
Staatsarchiv Zürich, K 56.
3. Protokolle und Missiven des zürcherischen Erziehungsrates 1801
bis 1803. 2 Bde. Staatsarchiv Zürich, K 56 d u. e.
4. Helvetische Akten (Schulsachen), Staatsarchiv Zürich, K II. 93 und
K. II. 95 u. 96.
5. Akten, Landschulwesen — 1798. Staatsarchiv Zürich. E I, 21.
6. Protokolle der Verwaltungskammer, Staatsarchiv Zürich. K 1. 12 — 32.
7. Protokoll der Interimsregierung (10. Juni bis 24. September 1799),
Staatsarchiv Zürich. K I, 9.
8. Aktensammlung aus der Zeit der helvetischen Republik, heraus-
gegeben von Dr. J. Strickler, 9 Bde.
9. J. J. Wirz, Historische Darstellung der urkundlichen Verordnungen
betr. die Geschichte des Kirchen- und Schulwesens in Zürich.
2 Bde. 1793—1794.
10. Ph. A. Stapfer, Entwurf der Instruktionen für die neu errichteten
Erziehungsräte und Schulinspektoren. 1799.
11. J. R. Steinmüller, Helvetische Schulmeister-Bibliothek. 2 Bde. 1801:
12. Helvetischer Genius, herausgegeben von Zschokke.
13. Republikaner, schweizerischer, herausgegeben von Escher und Usteri.
II. Neuere Hilfsmittel.
1. W. Oechsli, Geschichte der Schweiz im 19. Jahrhundert. 1903.
2. Hilty, Vorlesungen über die Helvetik.
3. E. Bloesch, Geschichte der schweizerisch - reformierten Kirchen.
Bd. II.
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VIII
4. G. Finaler, Die zürcherische Kirche zur Zeit der Helvetischen
Republik. Züricher Taschenbuch auf das Jahr 1859.
5. G. Finsler, Zürich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
6. P. D. Hess, Der religiöse und sittliche Zustand unseres Landvolkes vor,
während und nach der Revolution. Zürcherisches Taschenbuch auf
das Jahr 1883.
7. P. Rutsche, Der Kanton Zürich und seine Verwaltung zur Zeit der
Helvetik. 18 .
8. 0. Hunziker, Geschichte der Schweizerischen Volksschule. 3 Bde.
9. 0. Hunziker, Aus der Reform der zürcherischen Landschulen.
1770—78. (Zürch. Taschenbuch 1894.)
10. H. Morf, Zur Biographie Pestalozzis.
11. Rud. Luginbühl, Ph. A. Stapf er.
12. J. C. Troll, Geschichte der Stadt Winterthur. IL Bd.
Weitere Literaturangaben finden sich in den Anmerkungen zitiert.
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I. Einleitung,
Nach den historisch-kritischen Darstellungen, die die
Zeit der Helvetik von Forschern wie Oechsli, Dändliker,
Hilty u. a. 1 ) erfahren hat, ist diese Periode zweifellos als
eine der bedeutungsvollsten für die politische und soziale
Entwicklung der Eidgenossenschaft überhaupt und des
Kantons Zürich im besonderen anzusehen. Wie die Groß-
zahl der Staaten Mitteleuropas, tritt auch die Schweiz von
jenem Zeitpunkt ab in Folge der gründlichen Änderung
der politischen und sozialen Zustände in ein völlig neues
Stadium ein. Speziell kulturgeschichtlich bedeutsam wurde
aber jene Zeit für die Kantone durch die Aufstellung eines
idealen Programms für die Volksbildung, eines Programmes,
dessen perfekte Realisierung wohl erst künftige Gene-
rationen bringen dürften. Die heutige Gestaltung des
zürcherischen Volksschulwesens ist direkt auf die kräftigen
Impulse aus der Zeit der Helvetik zurückzuführen. Daß
bis jetzt noch keine umfassende schulgeschichtliche Be-
arbeitung des zürcherischen Volksschulwesens zur Zeit der
Helvetik vorgenommen worden ist, muß aber umsomehr
Wunder nehmen, als hiefür eine ausgezeichnete Unterlage
existiert in Gestalt der Schul-Enquete, die Ph. A.
Stapfer, der helvetische Minister der Künste und Wissen-
x ) W. Oechsli, Geschichte der Schweiz im 19. Jahrhundert.
K. Dändliker, Geschichte der Schweiz. Bd. III.
C. Hilty, Vorlesungen über die Helvetik.
P. Rutsche, Der Kanton Zürich und seine Verwaltung zur Zeit
der Helvetik.
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— 2 —
Schäften, zu Anfang des Jahres 1799 durchführen ließ, und
die im Bundesarchiv in Bern vollständig erhalten ist. Nam-
hafte Schulhistoriker, wie Hunziker, Morf u. a. haben sich
in ihren andersgerichteten Untersuchungen 2 ) naturgemäß
mit einzelnen Schlaglichtern nach unserem Gebiete hin be-
gnügen müssen. Wie das Thema zeigt, haben wir uns das
Ziel gesteckt, durch nachfolgende Arbeit die soeben be-
zeichnete Lücke in der Schulgeschichte Zürichs auszufüllen.
Hierfür wird es nötig sein, zunächst ein deutliches Bild
der Schulzustände bei Beginn der Helvetik zu entwerfen
und daher das dazu erforderliche Tatsachenmaterial des-
kriptiv vorzuführen; sodann werden wir, der Genesis des
gedachten Schulorganismus nachspürend, den Kausalnexus
aufzeigen müssen, der zwischen der Schule und den
politischen, wie sozialen Verhältnissen jener Zeit besteht.
Unsere sichere Basis bildet jene von Stapfer veran-
laßte Schulenquete vc» 1799. Durch Dekret des helvetischen
Direktoriums vom 2. Mai 1798 zum Minister der Künste
und Wissenschaften ernannt und mit der Reorganisation
des Schulwesens betraut, stieß Stapfer bei seinen Be-
mühungen um die Hebung des Volksbildungs- und ins-
besondere des Unterrichtswesens auf anscheinend unüber-
windliche Schwierigkeiten. Die bestehenden Verhältnisse
in den einzelnen -Kantonen waren so differenter Art, daß
es schwer fallen mußte, bei Besserstellung des Volksschul-
wesens eine Form zu finden, die den berechtigten Ver-
schiedenheiten der Kantone und ihrer einzelnen Bezirke
Rechnung trug und doch auch wieder die erstrebte Ein-
heitlichkeit ermöglichte. Um mit den beabsichtigten Re-
formen an das bestehende Brauchbare anknüpfen zu können,
gedachte sich der Minister vorerst ein detailliertes Bild
der gegebenen Schulverhältnisse zu verschaffen. Zu diesem
2 ) 0. Hunziker, Geschichte der Schweizerischen Volksschule. II. Bd.
H. Morf, Zur Biographie Pestalozzis.
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— 3 —
Zwecke ließ er zu Beginn des Jahres 1799 allen Volksschul-
lehrern Fragebogen zukommen, durch deren Beantwortung
er ein annähernd getreues Bild zu gewinnen hoffen durfte
über die Art der Schullokale, über Stoff, Zeitlage und Zeit-
dauer des Unterrichts, über die Lehrmittel und Einteilung
in Klassen, über Heimat, Alter, Familienstand, Vorbildung,
früheren Beruf und etwaige Nebenbeschäftigung der Lehrer,
über die Zahl der Schüler, über Schulfonds und zu zahlende
Schulgelder in den einzelnen Schulgemeinden und endlich
über die Einkommensverhältnisse der Lehrer. 1 )
Die Fragebogen für den Kanton Zürich waren dem
Regierungsstatthalter am 4. Februar mit der Weisung zu-
gegangen, die Enquete möglichst zu beschleunigen und die
beantworteten Fragebogen dem Minister binnen vierzehn
Tagen einzuschicken. Diese Einsendung verzögerte sich
aber, weil die zürcherische Regierung eine tabellarisch^
Verarbeitung des gewonnenen Materials vorzunehmen ge-
dachte. 2 ) Da Stapf er aber aus der Eigenart der einzelnen
Beantwortungen das Bildungsniveau der Lehrerschaft er-
kennen wollte, drang er auf baldige Übermittlung der Ori-
ginale, worauf ihm im April die 364 Berichte aus dem
Kanton Zürich zugingen, die bis auf einen 3 ) von den einzelnen
Lehrern selbst erstattet worden waren. Die Kalkulation
des Ministers war eine richtige gewesen, — in diesen Be-
richten ist ein approximativ getreues Bild der alten Schul-
zustände niedergelegt. Kalligraphisch meist gefällig aus-
geführt, lassen freilich manche in orthographischer und
stilistischer Beziehung zu wünschen übrig. Übrigens waren
die Fragen vielfach nicht korrekt aufgefaßt worden, da
für das ganze Gebiet der Helvetik ein und dieselbe sprach-
x ) Siehe die Beilage im Anhang.
2 ) Helvet. Akten, K II. 93.
3 ) Der Bericht von Schöfflisdorf (Distrikt Bülach) war vom Pfarrer
ausgefertigt worden, weil der dortige Lehrer Rud. Meyer „nicht wohl"
schreiben konnte. Enq. 1799. Bd. 1471.
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— 4 —
liehe Form der Befragung zur Anwendung gelangt war,
die aber bei dem außerordentlich verschiedenen Sprach-
gebrauch der einzelnen Landesgegenden nicht überall ein-
deutig verstanden, und auf die daher falsch oder gar nicht
reagiert worden war. Unklar und lückenhaft sind vor allem
die Angaben über die ökonomischen Verhältnisse der Schul-
gemeinden und Lehrer; wir werden darum besser tun, auf
ihre vollständige statistische Verarbeitung zu verzichten
und uns dafür umso intensiver mit dem eigentlichen Unter-
richtsbetrieb jener Zeit zu befassen.
Einigermaßen 'auffällig ist der oft wörtliche Gleichlaut
der Berichte aus benachbarten Schulorten. Offenbar hielten
die Lehrer die Sache für wichtig genug, daß sie sich zwecks
Beratung der Antworten vereinigten, wodurch eine gewisse
Uniformität der Beantwortung herbeigeführt sein worden
mag. Dazu dürften einige unsichere und ängstliche, viel-
leicht auch einige besonders bequeme Herren die Antworten
der angeseheneren Amtsbrüder als schlechthin kanonisch
betrachtet haben. Den Berichten durften in einer besonderen
Rubrik noch allerlei Anmerkungen und Wünsche beigefügt
werden. Unter diesen dem Minister vorgelegten Wünschen
der Lehrer dominiert bezeichnender Weise derjenige nach
finanzieller Besserstellung bei Neuordnung der helvetischen
Dinge. Nennenswerte Vorschläge, zur Förderung des Unter-
richtsbetriebes selbst enthalten nur die Berichte von Knonau
und Fehraltorf. Im ganzen dürfen sich die Zürcher Berichte
neben denen der anderen Kantone wohl sehen lassen, fanden
sich doch beispielsweise im Kanton Bern 57 Lehrer, die
nicht imstande gewesen waren, die Fragen selbst zu be-
antworten. 1 )
x ) E. Schneider, Die bernische Landschule . am Ende des 18. Jahr-
hunderts, pg. 90.
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II. Die politischen und sozialen Zustände
im allgemeinen.
Was die Geschichte der Pädagogik im ganzen zeigt,
daß nämlich die Hauptdirektiven der Erziehung allezeit
nicht bloß von den jeweils herrschenden Richtungen in
Wissenschaft, Kunst und Religion ausgehen, sondern auch
von allgemeinen kulturellen Bestrebungen und vor allem
von politisch-nationalen Zeitströmungen, das bewahrheitet
sich im kleinen auch in der Schulgeschichte des Kantons
Zürich. Zur Zeit der Helvetik machen sich besonders die
letztgenannten Faktoren geltend, weshalb wir sie im
Folgenden schärfer ins Auge fassen wollen.
Die unter dem Sturme der großen Revolution herauf-
brechende neue Zeit fand in Zürich ein Staatswesen vor,
das gleich den anderen Kantonen einer eigentlichen Ver-
fassung, also eines den Forderungen des Aufklärungszeit-
alters entsprechenden Grundgesetzes, völlig entbehrte. Das
staatliche Gefüge beruhte fast ausschließlich auf uralter
Überlieferung und Gewohnheit; denn nur dies und nichts
anderes enthält — entsprechend den „Handfesten", „Richte-
briefen", „Landsatzungen" etc. anderer Kantone — der 1336
unter Bürgermeister Rudolf Brun ausgefertigte „ge-
schworene Brief", der bis 1798 mit wenigen Änderungen
als staatliche Norm galt. Den Kernpunkt des Zürcher
Staatsorganismus bildeten die Gesellschaft der „Konstatier",
die sich aus der patrizischen Bürgerschaft zusammensetzte,
und die übrigen 13, später 12 Zünfte. Diese Korporationen
übten die politische Macht aus durch den von ihnen be-
stellten „Kleinen und Großen Rat". Da die Stadt bereits
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— 6-
seit Rudolf Bruns Zeiten keine Gelegenheit vorübergehen
ließ, ein ihr zugehöriges Territorium durch Kauf oder Be-
lehnung zu erwerben, so bestand der Zürcher Staat gegen
Ausgang des 18. Jahrhunderts aus der Stadt Zürich und
der von dieser erworbenen „Landschaft". Das Gesamtgebiet
beider deckte sich im wesentlichen mit demjenigen des
heutigen Kantons Zürich; doch waren Stadt und Land in
keiner Weise einen politischen Amalgamierungsprozeß ein-
gegangen. Das Verhältnis zwischen beiden charakterisiert
Oechsli so: „Die Behörden der Hauptstadt waren zugleich
die Regierung des Landes und nur Bürger der erstem
konnten in diese gelangen." 1 )
„Einige Hundert Familien erklärten die Hauptstadt und
damit das Recht, den Staat zu regieren, die „Regiments-
fähigkeit" zu ihrem ausschließlichen Eigentum. Nicht nur
dem Ausländer, nicht bloß dem kantonsfremden Eidgenossen,
der großen Masse der eigenen Staatsangehörigen, die nicht
das Glück hatten, von stadtbürgerlichen Eltern geboren
zu sein, war damit der Weg zu Amt und Würden, zu
politischem Einfluß für immer verschlossen. Eine unüber-
steigliche Scheidewand tat sich auf zwischen Stadt und
Land. Wie der Städter erblicher „Herr und Burger", war
der Landmann erblicher Untertan und mußte sich von jenem
Gesetze und Steuern auferlegen lassen, als ob das in der
ewigen Weltordnung so begründet wäre." 2 ) Demgemäß
war der gesamte Verwaltungsapparat so konstruiert daß
alle politische Gewalt mit rigoroser Hintansetzung der
Landbürgerschaft in der Hand der Stadtzürcher blieb; denn
zu „Obervögten", die je einer der 19 „innern" Vogteien
vorzustehen hatten, wurden ausnahmslos nur Mitglieder des
kleinen Rates ausersehen, die „Landvögte", die obersten
Beamten der acht „äußern" Vogteien, wählte der Große
Rat der Stadt für Amtsperioden von je sechs Jahren.
*) W. Oechsli. Geschichte der Schweiz im 19. Jahrh. pg. 13.
*) W. Oechsli, pg. 14.
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— 7
Zu dieser politischen Hintansetzung der Landschaft kam
noch eine allmählich immer drückender werdende Schä-
digung wirtschaftlicher Art infolge der Monopolisierung
von Handel und Gewerbe durch die zwar zum Untergang
reifen, aber vielleicht gerade deswegen immer rücksichts-
loser vorgehenden städtischen Zünfte. Noch an der Schwelle
des 19. Jahrhunderts durfte der ländliche Handwerker seine
Erzeugnisse nicht in der Stadt verkaufen; auch war der
Betrieb bestimmter Handwerke nur in der Stadt erlaubt,
der Landbürger also gezwungen, bestimmte Waren
städtischen Produzenten abzunehmen. Zu einzelnen „wissen-
schaftlichen" Berufen waren nur Söhne von Stadtzürchern
prädestiniert; so zum Berufe eines Pfarrherrn oder eines
Lehrers an den höheren Schulen Zürichs.
Der Stand der sittlich-religiösen Bildung der Land-
bevölkerung vor der Revolution war trotz der relativ ge-
ringen Größe des Gebietes nicht ein durchgehend gleich
hoher. Hier machten sich die physischen Differenzen der
geographischen Verhältnisse geltend, von denen wiederum
die Erwerbs- und Berufs Verhältnisse zum großen Teil ab-
hängig waren. Dort, wo die Höhenlage Ackerbau und den
Anbau von Wein und Obst ermöglichten, also in rein bäuer-
lichen Gemeinden, finden wir zwar nicht reiche, aber an-
spruchslose und bei aller schweren Arbeit in heiterer Zu-
friedenheit dahinlebende Bevölkerung. Dort, wo sich die
Industrie lohnender zeigte und dem Einzelnen verhältnis-
mäßig rasch zu barem Gelde verhalf, huldigten die Be-
wohner in oft ausgelassener Weise dem Grundsatze: Leben
und leben lassen. So klagt z. B. Heß: „Je mehr durch In-
dustrie bares Geld in die Gemeinde kommt, nimmt der
Wohlstand nur in geringem, Luxus, Kleiderpracht, Trunk-
sucht, Wirtshausleben in hohem Grade zu." 1 ) Gleichzeitig
*) P. D. Hess, Der religiöse und sittliche Zustand unseres Landvolkes
vor, während und nach der Revolution. Züricher Taschenbuch. 1883.
pg. 88.
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— 8 —
suchte die Staatsleitung volkserzieherisch hier einzugreifen,
indem sie mit oft übertriebener Sorgfalt und Ängstlichkeit
durch Mandate und Verordnungen das Tun und Lassen auch
des Einzelnen bis ins kleinste zu regeln suchte. Eine stark
sozialpädagogische Wirkung erhofften die zürcherischen
Staatsmänner von den kirchlichen Institutionen, nur daß
sie statt zentral wirkender Maßnahmen ziemlich periphere
Mittel dabei anwendeten. So war verordnet, daß allsonn-
täglich aus jeder Haushaltung wenigstens eine Person zur
Kirche kommen sollte. 2 ) Zudem begnügte man sich nicht
mit den Sonntagsgottesdiensten, sondern hielt auch während
der Woche noch besondere Morgengebetstunden ab. Auf
Sonntagsheiligung wurde streng gedrungen und geboten,
„daß niemand am Sonntage weder selbst arbeiten möge, noch
durch seine Dienste und Gesind arbeiten lasse. 3 ) Alle öffent-
lichen Lustbarkeiten, die dazu angetan waren, die Feier
des Sonntags zu stören, waren bei Strafe untersagt. „Dank
der puritanischen Strenge, mit der jede ungebundene Fröh-
lichkeit auch auf dem Lande verbannt war, brachte man
es dahin, daß die Zürcher Bauern selbst im Wirtshaus
Psalmen sangen." 4 ) Dieses kraftlose Surrogat leerer For-
malitäten und äußerlichen Zwanges, das nimmermehr jene
intellektuellen und emotionellen Faktoren zu ersetzen ver-
mochte, die allein den Willen der Individuen und der sozialen
Verbände in sittlich-religiösem Sinne zu beeinflussen ver-
mögen, führte alsbald jenen kompromißartigen Modus herbei,
den ein scharfer Beobachter mit folgenden Worten kenn-
zeichnet: „Die Leute haben eine Einteilung der Dinge in
geistliche und weltliche zum großen Schaden der Sittlich-
keit. Beten, Lesen, Sonn- und Festtage feiern ist geist-
lich — Arbeit im Berufsverkehr mit andern, Handel und
2 ) J. J. Wirz, Historische Darstellung der Geschichte des Kirchen-
und Schulwesens in Zürich. 1793. I. Bd. pg. 35.
3) Wirz, I. pg. 26.
4 ) Oechsli, pg. 45.
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— 9 —
Wandel ist weltlich und hat mit jenem nichts gemein. So
ist Religion nicht, wie sie sein sollte, ein durch's ganze
Leben hinlaufendes principium zum Guten. So hält man
den, der betet und zur Kirche geht, für gut und christlich,
wenn er schon vörthelet, lügt und betrügt, we er kann;
dieses ist eine weltliche Sache. 5 )
In jeder Gemeinde bestand ein besonderes Kollegium,
„der Stillstand", „zur Beförderung der Kirchenzucht und
aller religiösen und, moralischen Ordnung", das sich aus
dem Pfarrer und den in der Gemeinde wohnenden Amts-
personen zusammensetzte. 6 ) Die Stillständer hatten besonders
auf die Befolgung aller „auf Ruhe, Zucht und Ehrbarkeit
abzielenden Hochobrigkeitlichen Mandate und Satzungen"
zu wachen, so auf einen fleißigen Besuch des Gottesdienstes,
auf Sonntagsheiligung, auf Uneinigkeiten und Streit in Ehen,
Haushaltungen und Nachbarschaften, auf Kleiderluxus, auf
die notwendige Versorgung der Armen und Kranken, auf
die Bettler und „landbetrieglichen Krämer und Taschen-
spieler", auf die „unguten Tabaksauger und Schnupfer" u. a.
Die wirtschaftliche Lage des Landvolkes vor der Re-
volution war im allgemeinen eine befriedigende. Die Natural-
abgaben (Zehnten und Grundzinse), die der Landmann dem
Staate als dessen Haupteinnahmen zu entrichten hatte,
lasteten nicht so schwer auf ihm. Die Not, die zu Zeiten
der Teuerung entstand, linderte der Staat durch Abgabe
von Lebensmitteln zu wohlfeilen Preisen. Ein für jene Zeit
wohlorganisiertes Armenwesen suchte dem Bettel zu steuern.
Um die Landwirtschaft durch rationellen Betrieb zu heben,
5 ) Aus einem Aufsatz von Pfarrer Sulzer in Seuzach an die .as-
ketische Gesellschaft in Zürich. P. D. Hess. Züricher Taschenbuch.
1883. pg. 89.
6 ) Die Stillständer mussten auf Aufforderung des Pfarrers nach
dem Grottesdienst in der Kirche beisammen stehen bleiben zur Besprechung
der ihnen zukommenden Angelegenheiten, daher dieser Name. Aus den
-Stillständen sind unsere heutigen Kirchenpflegen hervorgegangen.
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— 10 —
wurden für das Landvolk besondere Mandate und An-
weisungen erlassen. Um den Landmann zur Anlegung neuer
Äcker zu ermuntern, wurden neu angebaute Stücke Land
für einige Jahre als zehntenfrei erklärt. 7 ) In manchen
Gegenden, wie an den industriellen Seeufern, brachte man
es zu einigem Wohlstand.
Die Hauptursache der Staatsumwälzung von 1798 war
also nicht etwa, wie in Frankreich, die schlechte, wirt-
schaftliche Lage des Volkes, sondern vielmehr der schroffe
Unterschied der Stände, der Mangel an politischen Rechten
und die engherzige Beschränkung der persönlichen Frei-
heit des größten Teils der Bevölkerung. Statt das Wohl
des gesamten Staates hatte die Stadtbürgerschaft vor allem
ihr eigenes Interesse im Auge. „Der Zünfter erwartete
für sich direkte Vorteile vom Staate; er faßte seine politische
Berechtigung vom Standpunkt des Aktionärs auf, der aus
seinen Dividenden leben will." *) Es fehlte somit die gesunde
Grundlage für die Entwicklung des Staates, als der Ge-
samtheit der Bürger. Die utopischen Schlagworte „Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit", die aus. dem revolutionierten,
Frankreich herüberklangen, fielen auf guten Boden und
ließen die „Untertanen" sich ihrer unwürdigen politischen
Lage voll bewußt werden. Die Bemühungen der „Herren"
in Zürich, durch äußerste Strenge die Erhebung des Land-
volkes niederzudrücken, waren umsonst. Die Gefahr der
drohenden Invasion durch die Franzosen und der Erhebung
des Landvolkes brach endlich den Starrsinn der Regierung.
Am 5. Februar 1798 verfügte der Große Rat die Freiheit
und Gleichheit aller politischen und bürgerlichen Rechte
zwischen Stadt- und Landbewohnern. Es war aber zu spät,
den Untergang des alten Staatswesens aufzuhalten. Die
Franzosen hatten unter dem Vorwande, die schweizerischen
7) Wirz, I. 522.
*) Oechsli, pg. 77.
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— 11 —
Oligarchieen zu stürzen und das bedrückte Landvolk von
dem Joche zu befreien, bereits den eidgenössischen Boden
betreten. Nach kurzem Widerstände fiel Bern am 5. März
1798 und damit war das Schicksal der Eidgenossenschaft
besiegelt. Von diesem Zeitpunkt an war die Schweiz pin
erobertes Land. Vom Land Volke wurden die Franzosen als
die Überbringer der „liberte et egalite", als „Befreier" fast
ausnahmslos mit Jubel empfangen.
Öie Invasion der Franzosen hatte die tiefgreifendsten
politischen Veränderungen zur Folge. Bis zur Revolution
kann von einer Schweiz, als von einem festen Bundesstaate
gar nicht gesprochen werden, da die Verbindung der ein-
zelnen Orte oder Kantone eine recht lockere war. Die
von Peter Ochs auf Wunsch des französischen Direktoriums
ausgearbeitete* und am 12. April 1798 von den Deputierten
der Kantone in Aarau in Kraft erklärte helvetische Staats-
verfassung schuf aus der Eidgenossenschaft einen Einheits-
staat unter dem Namen „helvetische Republik". In die ge-
setzgebende Gewalt teilten sich ein Senat und ein großer
Rat und die Exekutive war einem Direktorium von fünf
Mitgliedern übertragen. Dieses ernannte für die ver-
schiedenen Zweige der Staatsverwaltung vier Minister, deren
Zahl später auf sechs erhöht wurde. Die Kantone, die
früher Staaten mit eigener Verfassung, Gesetzgebung und
Regierung gewesen waren, sanken zu bloßen Verwaltungs-
bezirken herab. Sie zerfielen wiederum in Distrikte; Zürich
in 15, nämlich: Benken, Andelfingen, Winterthur, Elgg,
Fehraltorf, Bassersdorf, Bülach, Regensdorf, Zürich, Mett-
menstetten, Horgen, Meilen, Grüningen, Uster, Wald. An
der Spitze jedes Kantons standen ein mit großer Macht-
befugnis ausgestatteter und vom Direktorium erwählter Re-
gierungsstatthalter und eine Verwaltungskammer. Ersterer
ernannte für jeden Distrikt einen Unterstatthalter und dieser
wiederum für iedes Dorf einen „Agenten" mit zwei Gehülfen,,
in deren Hand die Durchführung der helvetischen Gesetze
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— 12 —
lag. Für die Gemeindeverwaltang wurden später besondere
Munizipalbehörden ernannt. So herrschte in dem gesamten
Verwaltungsapparat strengste Zentralisation. Die Ver-
fassung sicherte den Bürgern die weitgehendsten Freiheits-
rechte, wie Gewissens- und Religionsfreiheit, Preßfreiheit,
Petitionsrecht, Freiheit von Handel und Gewerbe; alle Privi-
legien und Adelsvorrechte wurden abgeschafft; jeder hatte
Zutritt zu den Staatsämtern.
Die Kriegserdgnisse und die Uneinigkeit der Parteien
waren nicht geeignet, diese Verfassung zu stützen; sie trug
mehr den Charakter eines Provisoriums. Am 7. Januar 1800
wurde das Direktorium gestürzt und an seine Stelle trat
ein Vollziehungsausschuß, auf den bald die Auflösung der
gesetzgebenden Räte folgte. Zwei Jahre entbehrte die
Schweiz von da an einer definitiven legislativen Gewalt.
Die beiden Parteien, die Unitarier oder Anhänger des Ein-
heitsstaates und die Föderalisten, die für die Herstellung
der alten Kantonalsouveränität kämpften, standen sich
schroff gegenüber und daran scheiterte jeder Versuch der
Einführung einer neuen Verfassung. Die im Juli 1802 dem
Volke zur Abstimmung vorgelegte zweite helvetische Ver-
fassung war nur von kurzer Dauer; dann brach der Partei-
hader von neuem aus, bis ihm schließlich Bonaparte durch
Aufstellung der Mediationsakte, die dem föderalistischen
Prinzip mehr Rechnung trug, ein Ende bereitete. Am
10. März 1803 löste sich die Einheitsregierung in Bern
auf, und die neue Verfassung trat in Kraft.
Die Begeisterung, die das Landvolk der neuen Freiheit
entgegenbrachte, schwand bald, als im April 1798 die
französischen Soldaten in Zürich einzogen und durch ihre
Ausschreitungen den Unwillen der Bevölkerung erregten.
Die Franzosen behandelten die Schweiz als erobertes Land,
raubten die aufgehäuften Staatsschätze und auferlegten der
Einwohnerschaft beinahe unerschwingliche Kontributionen.
-„Aller Wohlstand des Landes, alles, was noch an öffenfc-
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— 13 —
liehen Mitteln vorhanden war, drohte in dem unergründ-
lichen Schlünde der Einquartierungen zu verschwinden, und
die Last wurde noch unerträglicher durch die wüste Zucht-
losigkeit der französischen Soldateska." 1 )
Der folgenschwerste Schritt aber, der den Staat in die
größte ökonomische Bedrängnis brachte, war die Aufhebung
der Zehnten und Grundzinse. Um das Landvolk für die Re-
volution zu gewinnen, hatte man ihm die Abschaffung dieser
Abgaben in Aussicht gestellt; überdies war die Ablösung der-
selben auch in der Verfassung vorgesehen. So wurde nun
durch zwei Dekrete vom 31. Mai und 8. Juni 1798 der
Zehntenbezug sistiert, ohne irgendwelchen Ersatz dafür zu
schaffen. 2 ) Diese Abgaben bildeten aber die Haupteinnahme
des Staates, aus der der größte Teil aller Ausgaben für das
Armen-, Kranken-, Kirchen und Schulwesen bestritten
wurde. Die schlimmen Folgen dieses Vorgehens zeigten
sich bald. „Durch das diesjährige Unterbleiben der
Zehntenentrichtung," schrieb das Direktorium am 16. Juli,
„werden viele Gemeinden außer Stande gesetzt* die ihnen
obliegende Armen Versorgung zu bestreiten; weitaus dem
größten Teil aller Kranken- und Armenanstalten in der Re-
publik entgehen ihre Haupteinkünfte; die Besoldung der
Religionslehrer und Jugenderzieher muß stille stehen." 3 )
Ein Gesetz über die Abschaffung der Feudallasten vom
10. November 1798, das eine Loskaufssumme der großen
Zehnten und der Grundzinse vorsah, sollte dem Staate neue
Einnahmequellen verschaffen. Eine mehrfache Verwerfung
x ) Oechsli, pg. 182.
„In Rouhiers Generalrechnung figuriert der Staatsschatz von Zürich
mit 622,456 liv. bar und über eine Million in Wertschriften." (Oechsli,
pg. 180.) Im Kanton Zürich berechnete man den Kriegsschaden bis
Ende 1799 — ohn* die Kontributionen an die Franzosen — auf beinahe
16 Millionen Schweizer franken. (A. a. 0. pg. 272.)
2 ) Oechsli, pg. 195.
8 ) Oechsli, pg. 195.
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— 14 -
des Gesetzes durch den Senat verschob aber seine Aus-
führung, sodaß die helvetische Republik zehn Monate hin-
durch ohne jedes Einkommen blieb, und kaum hatte sie
mit dem Steuerbezug begonnen, so brach der Krieg iaus,
der sie vom April an in die Unmöglichkeit versetzte, in
einem großen Teil des Landes irgendwelche Auflagen zu er-
heben. 4 ) Da die Wirren und Kriegsereignisse die Liquidation
verhinderten, und deshalb auch die Loskaufssummen nicht
eingingen, so flössen dem Staate auch fernerhin keine
finanziellen Mittel zq. So wußte man sich nicht mehr anders
zu helfen, als daß man durch ein Dekret vom 9. Juni 1801
neuerdings die Entrichtung des Zehnten anordnete. „Diese
Zurücknahme des 1798 so leichtherzig gemachten Ge-
schenkes erregte begreiflicher Weise große Erbitterung bei
den Bauern; obwohl die Regierung möglichst schonend vor-
ging und den Pflichtigen die rückständigen Staatszehnten
der Jahre 1798—1800 erließ." 5 ) Das Landvolk hatte eben
ohnehin durch die fortwährenden Kontributionen und Re-
quisitionen schwer zu leiden. Dazu kam noch, daß das
Jahr 1799 ein Fehljahr war, in dem die Ernte unter der
Hälfte des üblichen Ertrages blieb. Das Gespenst der
Hungersnot drohte, der Brotpreis stieg auf das doppelte und
dreifache. Da die traurige Finanzlage dem Staate die Unter-
stützung der Armen unmöglich machte, nahm der Bettel
wieder überhand. Namenloses Elend herrschte in manchen
Gegenden.
Neben dem wirtschaftlichen Ruin ging der sittliche
Verfall des Volkes einher. Die utopischen Vorstellungen,
die sich das Volk von der Freiheit gemacht hatte, führten
zu argen Enttäuschungen und erregten gegen alle Neue-
rungen und Änderungen Mißtrauen und Opposition. Dieser
Umstand machte den Behörden viel zu schaffen and er-
±) Oechsli, pg. 197.
5 ) Oechsli, pg. 303.
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— 15 —
Schwerte ihnen eine erfolgreiche Wirksamkeit sehr. Statt
die Zustände verbessern zu können, mußten die Räte mehr
darauf bedacht .sein, den Untergang und Verfall der schon
bestehenden guten Einrichtungen zu verhindern. Dies gilt
besonders vom Erziehungswesen. „Die Ursachen der Sitten-
losigkeit und der Verfall des Schulwesens waren die mit
der Revolution erzeugten irrigen Begriffe von Freiheit, ver-
bunden mit dem anhaltenden Aufenthalt fremder Kriegs-
heere und vorzüglich der Mangel an Autorität, irgend eine
gute Absicht beim Volke zu realisieren." 1 ) Von allen Seiten
wurden, besonders in der ersten Periode der Revolution,
Klagen laut über die Ungebundenheit und Zügellosigkeit
des Volkes; mit den Schlagworten Freiheit und Gleichheit
suchte man jede Schand- und Freveltat, jede Insubordination
zu entschuldigen. Auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit*
die die neue Verfassung gebracht hatte, legte das Volk
auf eine Weise aus, die zu argen Ausschreitungen führte.
Die „Stillstände" wurden fast überall beseitigt. Ungestraft
durfte jeder über Religion und Kirche spotten. Besonders
heftig richtete .sich der Unwille des Volkes an manchen
Orten gegen die Geistlichen auf der Landschaft, die ja
durchweg Stadtbürger waren und von vielen als Stütze der
Aristokratie und Oligarchie angesehen wurden, deren Haupt-
geschäft darin bestanden habe, „das Volk am Gängelbando
der Religion im Geleise sklavischer Unterwerfung unter
seine Gebieter zu führen, jeden sich regenden Freiheits-
sinn womöglich im Keime zu ersticken und die zum Ge-
horchen bestimmte Menge in blinder Dummheit zu er-
halten." 2 ) Der Haß des Volkes gegen alles, was an die
alte Ordnung erinnerte, kannte keine Grenzen.
1 ) Aus einer Rede des Administrators Toggenburger, gehalten am
Schulinspektoren-Kongress in Zürich, 4. Juni 1801. Erz.-Prot. 1801.
2 ) J. G. Schulthess, Von dem Einflüsse der Staatsrevolution auf den
christlichen Lehrberuf und Lehrstand. Zürich. 1798.
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— 16 —
Eine Epoche, wie sie die Helvetik darstellt, mit ihrem
beständigen Wechsel der Verfassung, dem Parteihader, dem
allgemeinen Mißtrauen gegen alle Neuerungen, den Kriegs-
wirren und der Abhängigkeit von einer fremden Macht»
war natürlich die denkbar ungünstigste für eine erfolg-
reiche Wirksamkeit auf dem Gebiete des Schulwesens. Wohl
waren durch die Revolution große Ideen geweckt worden,
wohl fanden sich einsichtige und uneigennützige Männer,
bereit, ihr Leben in den Dienst des Volkswohles zu stellen;
aber /Jede Verwirklichung der kühnen Reformpläne scheiterte
an den unglücklichen Verhältnissen, und es ist nur zu ver-
wundern, daß trotzdem noch so viel geschah, wie ge-
schehen ist.
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III. Das Verhältnis von Staat und Kirche
zur Schule.
Im vorigen Kapitel haben wir versucht» einen ge-
drängten Überblick über die politischen und sozialen Zu-
stände des in Frage kommenden Zeitabschnittes zu geben,
soweit sie für die Volksbildung durch die Schule als mit-
bestimmende Paktoren in Betracht kommen. Bevor wir auf
die Darstellung der Schulorganisation eingehen können, er-
übrigt es noch, das Verhältnis des Staates und der Kirche
zur Schule zu entwickeln. Bis gegen das Ende des 18. Jahr-
hunderts war die Beziehung zwischen Kirche und Schule
eine sehr enge; der Einfluß der erstem auf die letztere
ist aber wesentlich bedingt durch die Stellung des Staates
zur Kirche. Unsere Untersuchung muß sich daher auf
folgende Beziehungen erstrecken: Staat-Schule; Staat-
Kirche; Kirche-Schule.
Wir sahen bereits, wie vor der Staatsumwälzung alle
politische Macht in den Händen der Stadtbürgerschaft lag.
Diese bildete den Souverän im Zürcher Staat; aus ihrer
Mitte gingen die einzig maßgebenden Behörden, also der
„Kleine und Große Rat", hervor. Diese leitenden Körper-
schaften glaubten aber ihrer Pflicht gegen die „Unter-
tanen" auf der Landschaft durchaus zu genügen, wenn sie
für das materielle Wohl derselben etwas sorgten; die Be-
förderung der Volksbildung im Sinne einer freieren geistigen
Entwicklung der Individuen, die den realen Lebensbedürf-
nissen Rechnung getragen hätte, lag nicht in ihrem Inter-
esse. Im Gegenteil, nach ihrer Auffassung waren die be-
stehenden Verhältnisse die denkbar besten, und jeder Ver-
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— 18 —
such, an der alten Ordnung zu rütteln, wurde von ihnen
als staatsgefährlich angesehen. Eine bessere Schulung des
Einzelnen und Lösung der intellektuellen und moralischen
Kräfte auch im letzten der Untertanen hätte die „gnädigen
Herren" um ihre angestammte Autorität bringen und zu
umfassenden Reformen nötigen können. Für die Bildung
der Kreise, aus denen die Regierung hervorging und die
städtische Bürgerschaft überhaupt, die durch ihre Privi-
legien auf Handel und Gewerbe einer solchen bedurfte,
war durch Errichtung niederer und höherer Schulen in der
Stadt hinlänglich gesorgt. 1 ) Wohl fehlte es nicht an Stimmen,
die die Kulturaufgabe des Staates betreffs der Volksbildung
richtig vorgezeichnet hatten; doch waren die Staateleiter
hiefür unzugänglich. Zur Konservierung ihres Supremats
erschien es ihnen unumgänglich nötig, die beherrschten
Schichten der Bevölkerung zur Zucht, Ordnung, d. h. zur
unbedingten Anerkennung und Befolgung ihres oberherr-
lichen Willens anzuhalten. Als vornehmstes Instrument hie-
für diente ihnen die Kirche.
Zwischen dieser und dem Staate war zufolge des Sieges
der reformatorischen Ideen eine ganz neue Relation gesetzt
worden; denn dort» wo die Grundlehren der Reformatoren
festwurzelten, war es aus mit der Oberhoheit der Kirche
gegenüber dem Staate, die sie namentlich seit Gregors VII.
Zeit entsprechend dem Gleichnis von der Abhängigkeit der
Planeten von der Sonne behauptet hatte. Die reformierte
Kirche ordnete sich von vornherein dem Staate als starkem
Schirmherrn unter und zwar die Kirche des Kantons Zürich
*) Die Hausschalen und deutschen Schulen bereiteten zur Aufnahme
in die Realschule vor; die Kunstschule nahm diejenigen Schüler auf,
die sich einem kaufmännischen oder technischen Berufe widmen wollten.
Eine höhere Bildung vermittelten das Collegium humanitatis und das
Collegium Caroiinum.
S. G. Finsler, Zürich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh.
pg. 24 u. f.
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— 19 —
in aller Form durch die Beschlüsse der Synode vom 22. Ok-
tober 1532, die die Organisation der „Landeskirche" zur
Aufgabe hatte und als Resultat im Namen der Obrigkeit
ein kirchliches Grundgesetz proklamierte, das die Zürch»
Räte alsbald als Gesetz bestätigten. Dieses Dokument be-
ginnt mit den Worten: „Bewilligung und Confirmation eines
Bürgermeisters und ersamen kleinen und großen Rathes der
Stadt Zürich über die restitution und Verbesserung etlicher
mangeln und missbräuchen, so sich bi den dieneren des
Worts Gottes zugetragen, jetz von dem ganzen Synodo
Zürich, 22. Oktober im 1532 jähr gehalten, angesächesn
und angenommen." 1 ) Besondere Kirchenbehörden zu eiH
nennen, war nicht nötig; die Obrigkeit wurde nun zur „christr
liehen Obrigkeit", die nicht nur die bürgerlichen, sondern
auch die kirchlichen Gesetze vorschrieb und sich dabei von
der heiligen Schrift leiten ließ. Staat und Kirche faßten,
ihre Kulturaufgabe in demselben Sinne auf, wie es denn,
in dem oben erwähnten Aktenstück weiter heißt: „Wir be-
zügen vor Gott, dass wir vorab Gottes wort und sin ewige
warheit, und damit ein frommes, erbares gottseliges leben
bi und under den Unseren fürderen und züchten, und die
gotzverletzliohen laster abstellen möchten, und wir ans nit
finden können, denn das soliche nachvermerkt christenlieh
Ordnung und Verbesserung göttlich gschrift und warheit
gemäss, mit derselben begründet, auch zu üfnung und
Pflanzung eines göttlichen, christlichen Lebens hoch und*
dienlich syge." 2 ) Blösch konstatiert bei dieser Gelegen-
heit, daß damit das prinzipiell untrennbare Zusammenfallen
der staatlichen und kirchlichen Autorität, diie Identität der
Ziele und Mittel begründet war. Der Staat stand nicht über
der Kirche, die Kirche nicht über dem Staate, es waren
zwei konzentrische Kreise. Zugleich schreibt der Staat der
x ) E. Bloesch, Geschichte der schweizerisch - reformierten Kirchen.
Bd. I. pg: 65.
2 ) Bloesch, I. 65 und 66.
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— 20 —
ihm angegliederten Kirche bestimmte Aufgaben zu. Die
reformierte Geistlichkeit wird nun Organ und Dienerin der
Staatsgewalt, dazu bestimmt, das Volk, d. h. die Unter-
tanen, durch das Mittel der Gottesfurcht zum Gehorsam
gegen iden Staat und dessen Beamte zu ermahnen. 3 ) Während
bis zur Reformation das Volksschulwesen, soweit überhaupt
von einem solchen gesprochen werden darf, ausschließlich
in den Händen der Kirche lag, mußte diese nun ihre Herr-
schaft über die Schule mit dem Staate teilen. Es lag aber
auch im Interesse der Kirche, für ihre religiösen Zwecke,
sich mehr denn je der Jugendbildung anzunehmen; denn
sie verlangte von ihren Mitgliedern, daß sie sich über ihren
persönlichen Glauben Rechenschaft zu geben und ihn mit
den Worten der heiligen Schrift zu begründen imstande seien.
Das konnte aber nur durch Unterricht, durch Belehrung
erreicht werden. Sobald daher die reformierten Stände
ihre Lehre in der „Confessio Helvetica" durch ein System
von Dogmen festgelegt hatten, begann man an der Hand
der Katechismen die. Jugend mit den Glaubenssätzen im
Unterricht vertraut zu machen. So wirkte die Reformation
für das Volksschulwesen fördernd; man geht aber zu weit,
wenn man die Gründung der Volksschulen der Reformation
zuschreibt; ihre Anfänge gehen viel früher zurück. 1 ) Die
Frucht der Reformation ist aber, daß nun zum ersten Male
allgemein und systematisch zu Stadt und Land bestimmte
Kenntnisse unter das Volk verbreitet wurden, und daß der
Staat mit seiner Autorität diese Bestrebungen unterstützte. 2 )
Der Staat, die Obrigkeit von „Gottes Gnaden", nahm nun
die Schulorganisation in die Hand und übertrug den kirch-
lichen Organen die Aufsicht über die Schule. In der Schul-
ordnung vom Jahre 1684 gebot die Obrigkeit den Gemeinden
») Bioesch, I. 450.
x ) Näheres siehe bei U. Ernst, Geschichte des Zürcherischen Schul-
wesens bis gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts, pg. 38 u. f.
2 ) 0. Hunziker, Geschichte der Schweiz. Volksschule. I. Bd. pg. 55.
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— 21 —
auf der Landschaft die Errichtung von Schulen; für den
Unterhalt derselben ließ sie jedoch die Gemeinden selbst
oder Private sorgen. So maßte sich der Staat Rechte an,
ohne jedoch dafür durch Übernahme gewis*ser Pflichten ein
Äquivalent zu bieten. Die Gemeinden hatten sich seinen
Anordnungen zu fügen und zu bezahlen. Die Einsicht, daß
der Staat berechtigt und verpflichtet sei, mit den Mitteln
aus dem Staatsvermögen die finanzielle Grundlage für das
Schulwesen zu liefern, fehlte noch ganz. 3 ) Wenn er manche-
Schulen ökonomisch unterstützte, so geschah das im Sinne
von freiwilligen Beiträgen, die mehr den Charakter von Be-
lohnungen trugen, und die sich mancherorts zu Gewohn-
heitsrechten ausbildeten; aber eine Pflicht hiezu kannte
der Staat nicht.
Die enge Anlehnung der Kirche an den Staat ver-
hinderte aber eine Entwicklung der individuellen Frömmig-
keit; denn es wurde nur noch „ein Bekenntnis als Heils-
wahrheit" geduldet; die Kirche wurde zur einseitigen Staats-
kirche, die Religion als eine Angelegenheit der Obrigkeit
angesehen, sie sank zur äußerlichen Orthodoxie herab; sie
hielt sich für ein göttliches Institut zur moralischen Volks-
erziehung und erdrückte jede andere Rücksicht, den freien
Wahrheitssinn, wie das spezifisch religiöse Glaubensleben. 1 )
3 ) Um die Mittel für eine bessere Bezahlung der Landschullehrer
aufzubringen, erliess der um die Hebung des Volksschulwesens unermüd-
lich tätige Antistes Ulrich am 28. September 1776 einen Aufruf an die
Privatwohltätigkeit seiner Mitbürger. „Zu dem aerarium publicum seine
Zuflucht zu nehmen," heisst es darin, „wer wollte sich das unterstehen?
Würde es denn nicht die grösste Unbescheidenheit sein, die obrigkeit-
lichen Aemter ohne die dringendste Not von neuem belästigen zu wollen?
Das wird kein gutdenkender Bürger sich jemals in den Sinn kommen
lassen, solange er noch andere Mittel weiss, seinen notleidenden Brüdern
Hülfe zu verschaffen!"
0. Hunziker, Aus der Reform der zürcherischen Landschulen.
1770—78. pg. 9.
i) Bloesch, I. 500.
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— 22 —
Dadurch wirkte sie' für die Entwicklung des Volksschul-
wesens eher wieder hemmend als fördernd; denn sobald sie
die Schulverhältnisse so geregelt hatte, daß ihren Inter-
essen gedient war, war ihr nicht mehr an einer organischen
Weiterentwicklung gelegen. Auch die Zeit der Aufklärung,
in der gerade Zürich ein Mittelpunkt geistigen Lebens wurde,
änderte an diesem Zustande nichts oder nur wenig. Wohl
war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Inter-
esse für das Landleben durch J. J. Rousseau, S. Geßner,
Hs. Kasp. Hirzel u. a. geweckt worden, wohl fanden die
pädagogischen Anregungen und Reformbestrebungen, die
von Deutschland (Basedow) ausgingen, auch in der Schweiz
Eingang; aber die Verbesserungen im Schulwesen, die sie
bewirkten, blieben meist auf die Städte beschränkt; 2 ) für
eine umfassende Reform des Bildungswesens des Landvolkes
war die Zeit noch nicht gekommen; dazu bedurfte es zuvor
einer völligen Umgestaltung des Staatswesens, wie sie sich
am Ende des 18. Jahrhunderts durch die Revolution voll-
zogen hat. Nicht daß es vor der Staatsumwälzung gänzlich
an Versuchen, das Landschulwesen zu heben, gefehlt hätte.
Einsichtige Männer hatten die traurigen Bildungszustände
auf der Landschaft wohl erkannt und dem immer mehr zu-
nehmenden Verfall der Schulen zu steuern gesucht. Durch
ihre Bemühungen, besonders durch die des Bürgermeisters
Heidegger (1710—1778) und des Antistes Ulrich (1728—
1795) kam im Jahre 1778 eine Verbesserung der Landschul-
ordnung zustande — wir werden im Kapitel Schulverord-
nungen eingehend darauf zurückkommen. — Allein diese
Reform war, da sie den bestehenden politischen Verhält-
nissen Rechnung tragen mußte, keine durchgreifende; die
*) 1765 — 1773, Reform des stadtzürcherischen, besonders des ge-
lehrten Schulwesens durch Heidegger und Breitinger. Gründung der
Kunstschule 1773, der Töchterschule 1774, der Handwerkerschule 1780,
des medizinisch-chirurgischen Institutes 1782.
0. Hunziker, Reform der zürcherischen Landschulen, pg. 3.
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23
Verbesserungen bezogen sich mehr auf äußere, anwesent-
liche Momente.
Die Ereignisse des Jahres 1798 brachten das Staats-
wesen zu Falle; mit dem Staate fiel aber auch die Kirche;
damit erfuhr die Stellung von Staat und Kirche zur Schale
eine gänzliche Umwandlang.
Die helvetische Verfassung vom 12. April 1798 ver-
einigte, wie gesagt, die vorher nur in lockerer Verbindung
stehenden Kantone zu einem Einheitsstaate, der „hel-
vetischen Republik", hob die politischen Standesunterschiede
auf und beseitigte die Privilegien der vorher herrschenden
Klassen. Die Gesamtheit der Bürger wurde der Souverän,
die neue Staatsform war die repräsentative Demokratie. 1 )
Die Kantone waren nicht mehr selbständige Staaten; ihr
Gut wurde zum Staatsgut der helvetischen Republik, und
diese übernahm die Verpflichtung, für die materiellen und
geistigen Staatsbedürfnisse zu sorgen. 2 ) Der Artikel 4 der
Verfassung bezeichnete als „eine der zwei Grundlagen des
öffentlichen Wohles die Aufklärung". Die helvetische Re-
publik nahm die Kulturaufgabe in erweitertem Sinne in
den Staatszweck auf; sie erachtete die Fürsorge für die
Volksbildung als eine ihrer vornehmsten Aufgaben, sie
wurde „in erhöhtem Grade Kulturstaat". Der Staat hatte
aber auch an der Volksbildung ein viel größeres^ Interesse
als ehedem; denn die Verfassung sicherte allen Bürgern
gleiche Rechte zu und öffnete ihnen den Zugang zu allen
Ämtern. Die Regierung, die politische Macht, war nicht
mehr das Privilegium enger Kreise, wie vorher. Zutreffend
*) Siehe Art. 2 der ersten helvetischen Verfassung, abgedruckt in
den öffentlichen Vorlesungen über die Helvetik von C. Hilty. p. 731 u. f.
2 ) Aus den Beschlüssen des Grossen Rates, das Staatsvermögen
der bisherigen Kantone betreffend: I. „Alles Staatsvermögen der bish.
Kantone wird für Staatsgut der helvetischen Republik erklärt. IL Der
Staat übernimmt alle rechtmässigen und erweislichen Schulden der bish.
Kantone." Tagebuch der helv. Republik. I. Bd. pg. 188/89.
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— 24 —
wird in der Botschaft des Vollziehungsdirektoriums an die
gesetzgebenden Räte vom 18. November 1798 die Bedeutung
einer allgemeinen Volksbildung für ein demokratisches
Staatswesen ausgeführt, wenn es heißt: „Da, wo die Volks-
gunst jeden ohne Ausnahme zu den ersten Stellen des Staates
erheben und ihm einen Einfluß verschaffen kann, der in
den Händen der Unwissenheit oder des Eigennutzes zum
Verderben des gemeinen Wesens wird, da die Belehrung
und Ausbildung des Volkes nicht zum Hauptgeschäft zu
machen, heißt in der Tat das Heil des Vaterlandes auf
die unverantwortlichste Weise aufs Spiel setzen." So wurde
denn schon im Mai 1798 ein besonderes Ministerium zur
Besorgung der Angelegenheiten für Volksbildung errichtet,
das Ministerium für Künste und Wissenschaften, und mit
dessen Leitung Ph. A. Stapf er, ein begeisterter Anhänger
des Einheitsstaates und eifriger Förderer des V<?lkswohles,
betraut. Was zur Zeit der Helvetik für das Schulwesen ge-
leistet wurde, ist hauptsächlich dem weitsichtigen Blicke,
der unermüdlichen Energie und dem organisatorischen Ta-
lente dieses Mannes zu verdanken. 3 ) Mit Hilfe der Schule,
durch eine allgemeine und gleichförmige Erziehung, ge-
3 ) Ph. A. Stapfer wurde geboren am 12. September 1766 in Bern.
Sein Vater stammte aus Brugg, im Kanton Aargau, und war Pfarrer
am Berner Münster. Anfangs für den theologischen Beruf bestimmt,
besuchte er die Literaturschule in Bern und erwarb sich umfassende
Kenntnisse in den alten Sprachen und Philosophie. 1789 setzte er
seine Studien in Göttingen fort. Nach einer Reise nach London und
Paris kehrte er nach Bern zurück und übernahm eine Professur der
theoretischen Theologie an der Akademie, hernach auch die der Philo-
logie und Philosophie am politischen Institut, dessen Direktor er später
wurde. Im April 1798 wurde er von der helvetischen Regierung nach
Paris gesandt, im Mai desselben Jahres aber wieder zurückberufen unu
mit dem Amte des Ministers der Künste und Wissenschaften betraut.
Im Juli 1800 kehrte er wieder nach Paris zurück und wurde bald darauf
zum bevollmächtigten Minister der helvetischen Republik bei der fran-
zösischen ernannt. Er starb in Paris am 17. März 1840. —
(Näheres siehe bei R. Luginbühl. Ph. Alb. Stapfer, Basel 1887.)
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-- 25 —
dachte Stapfer „die Völker aller Kantone zu einer großen
Familie zu vereinigen" und dadurch dem Föderalismus ent-
gegenzuarbeiten.
Man erkannte bald, daß sich die politische Gleichheit
und Freiheit nur bei erhöhter Bildung behaupten könne,
daß das Volk für die neue Staatsform noch gar nicht reif
war. 4 ) „Unsere Revolution," bemerkt Stapfer in der Vor-
rede zu seinen Instruktionen für Erziehungsräte, „hat die
einzelnen Kantone Helvetiens auf sehr verschiedenen Stufen
der Kultur übereilt; denn in der Tat kann wohl keiner der-
selben sich rühmen, daß die Masse seiner Einwohner den-
jenigen Grad von intellektueller und moralischer Bildung
erreicht habe, welcher mit den Grundsätzen unserer Staats-
verfassung in gehörigem Verhältnis stände." „Man habe
dem Volke," äußerte er sich bei anderer Gelegenheit, „aller-
dings eines der edelsten Güter, das der höchsten Opfer
wert und ein Hauptziel des Ringens der Völker, ja der
Menschheit sei, die Freiheit geschenkt; aber die große Mehr-
zahl der Beschenkten sei weder erfreut noch begeistert,
sondern gleichgültig oder gar abgeneigt, weil sie die Be-
deutung der Gabe nicht erkennen." x ) Der Umschwung hatte
sich eben zu rasch und gewaltsam vollzogen, die neue Staats-
form war nicht allmählich aus den Verhältnissen heraus-
gewachsen, das Volk mußte erst zur politischen Freiheit
erzogen werden. Während der Staat vor der Revolution die
Schule mehr als sittlich-religiöse Bildungsanstalt betrach-
tete, dazu bestimmt, „gute Christen" und gehorsame Unter-
4 ) „Ist das helvetische Volk im ganzen genommen reif genug für
die Verfassung, die es gegenwärtig hat und für das Mass von Freiheit,
das ihm durch diese zuteil wird? Nein, wahrlich, wir sind es nicht!
Unser Volk hat die Bildung bei weitem nicht, die in dem Begriff
-eines populären Repräsentativsystems liegt."
Aus der Rede des Bs. Fischer bei Eröffnung des Erziehungsrates
im Kanton Baden, gehalten am 2. Januar 1799.
x ) H. Morf, Zur Biographie Pestalozzis, pg. 14.
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— 26 —
tanen heranzuziehen, verlangte der neue Staat von der Volks-
schule, daß sie „jeden Bürger bis auf denjenigen Grad der
Einsicht und Fähigkeit fortbilde, auf welchem er einerseits,
seine Menschenrechte und Bürgerpflichten genau kenne und
auszuüben verstehe, anderseits in einem Beruf, der ihn
seinen Mitbürgern notwendig macht und ihm eine sichere
Unterhaltungsquelle eröffnet, mit Lust zur Arbeit ohne
Schwierigkeit fortkomme." 2 ) Damit war die Aufgabe der
Volksschule erweitert, sie war nicht mehr einseitige
sittlich-religiöse, sondern auch intellektuelle Bildungs-
anstalt.
Die Fürsorge des Staates richtete sich nun in erster
Linie auf die Verbesserung der Landschulen, in denen bis
jetzt die Masse des Volkes ihre Bildung geholt hatte, und
die sich in geradezu kläglichem Zustande befanden. Er
nahm die Organisation des Schulwesens in die Hand, übertrug
besonderen Organen die Aufsicht, bemühte sich, den Lehrern
bessere Bildungsgelegenheit zu verschaffen und erließ Be-
stimmungen über die Schulausstattung, bei denen er die
Gemeinden ökonomisch unterstützte. Der Staat erkannte
seine finanziellen Verpflichtungen der Schule gegenüber,
wenn er durch die unglücklichen Zeitumstände auch ver-
hindert wurde, ihnen vollständig nachzukommen.
Wie gestaltete sich aber das Verhältnis von Staat und
Kirche, von dem die Stellung der Kirche zur Schule ab-
hängt, in der neuen Staatsform? Der Artikel 6 der Ver-
fassung lautete: „Die Gewissensfreiheit ist uneingeschränkt;
jedoch muß die öffentliche Äußerung von Religions-Mei-
nungen den Gesinnungen der Eintracht und des Friedens
untergeordnet sein. Alle Gottesdienste sind erlaubt, in-
sofern .sie die öffentliche Ruhe nicht stören und sich keine
herrschende Gewalt oder Vorzüge anmaßen. Die Polizei
2 ) Botschaft des Vollziehungsdirektoriums an die gesetzgebenden.
Räte vom 18. November 1798.
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— 27 —
hat kiie Aufsicht darüber und das Recht, sich nach den Grund-
sätzen und Pflichten zu erkundigen, die darin gelehrt werden.
Die Verhältnisse einer Sekte mit einer fremden Obrigkeit
sollen weder auf die Staatssachen/ noch auf den Wohlstand
und die Aufklärung des Volkes einigen Einfluß haben."
Damit war eigentlich nichts anderes als die völlige Trennung
von Kirche und Staat bestimmt; die Kirche ist nicht mehr
eine Institution des Staates, der ihr bestimmte Aufgaben
zuweist; für den Staat existiert die Kirche nicht mehr,
wie denn im Verfassungsartikel sogar das Wort Kirche ver-
mieden und nur von Sekten die Rede ist. Sie ist eine bloß
geduldete Privatgesellschaft, die unter Aufsicht des Staates
steht. So bemerkt Stapfer in einer Eingabe vom 29. Sep-
tember 1798: „I/eglise chrötienne n'est qu'une societä
privee qui dans ses rapports ne differe pas d'une societä
d'entrepreneurs ou de citoyens queloonques. La loi lui doit
protection contre d'injustes aggresseurs et justice oomme
ä toutes les autres classes de citoyens." 1 ) In Tat und
Wahrheit bestand aber diese vollständige Trennung von Staat
und Kirche, die auch dem Volkswillen gänzlich zuwider
gewesen wäre, nicht. Bei der Interpretation des die kirch-
lichen Angelegenheiten betreffenden Verfassungsartikels
verfuhr das Direktorium nicht immer nach demselben
Prinzip; „es wurde hierin so willkürlich gehandelt, daß es
in einem Male schien, als hätte der Staat sich mit der
Kirche im Vaterland viel enger verbunden als je, andere
Male dagegen, als hätte er sich ganz davon losgetrennt
und überließe das Religionswesen überhaupt sich selbst." 2 )
Stapfer selbst schwebte die völlige Trennung von Kirche
und Staat vor, „weil er sich gestehen mußte, daß die Kirche
sich selbst unendlich viel besser regieren werde, als wenn
sie von einem übelwollenden Staate bevormundet werde"; 3 )»
!) R. Luginbühl. Ph. Alb. Stapfer. pg. 315/16.
2 ) Bloesch, IL pg. 193.
3 ) Luginbühl, pg. 317.
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— 28 r-
aber er wollte den Übergang nicht plötzlich, sondern all-
mählich vollzogen wissen. „II faut que l'eglise soit in-
sensiblement dStachee de l'ötat et non qu'elle en soit
arrachee iavec violance," schrieb Stapf er am 3. Januar 1799. 4 )
Deshalb war er stets' darauf bedacht* wo es irgendwie an-
ging und mit der Verfassung nicht in direktem Widerspruch
stand, die bisherigen Zustände beizubehalten und die nun
so hart angefochtene Kirche zu schützen. Von einer Igno-
rierung der Kirche durch den Staat konnte schon deshalb
nicht die Rede sein, weil der letztere die Kirchengüter in
Beschlag nahm. Das Direktorium betrachtete sich denn
auch als die oberste kirchliche Autorität, behielt einstweilen
die kantonalen kirchlichen Behörden bei, übertrug aber auch
den Verwaltungskammern gewisse Kompetenzen, was be-
ständige Reibereien zwischen den kirchlichen und bürger-
lichen Behörden zur Folge hatte und die Stellung der Kirche,
4ie ohnehin des gesetzlichen Bodens entbehrte, noch
schwankender machte. Als durch die Aufhebung der
lehnten die Geistlichen in die bitterste Not gerieten, an-
erkannten die helvetischen Räte auf das mehrfache Drängen
Stapfers, „daß die Gehalte und Einkünfte der ehrwürdigen
Klasse der Religionsdiener durch die Zehntengesetze nicht
vermindert werden dürfen, und daß der Staat für den Aus-
fall aufzukommen habe." 5 ) Indem der Staat aber diese Ver-
pflichtung übernahm, hatte er indirekt die Landeskirche
wieder als Staatskirche anerkannt; nur kümmerte er sich
nicht mehr um den Lehrbegriff und die innere Organisation,
wie ehedem.
Mit der Kirche sank auch das Ansehen der Geist-
lichen; sie galten nicht mehr als „staatskirchliche Autorität",
sondern waren blo»ß noch „Religionsdiener". Die Verfassung
schloß sie vom Wahlrecht und der Bekleidung eines
±) Luginbühl, pg. 318.
5) Oechsli, pg. 202.
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29
politischen Amtes aus, entzog ihnen also das aktive Bürger-
recht. Vom Einfluß auf die öffentliche Erziehung waren
sie nach dem Wortlaut des Gesetzes ausgeschlossen. Der
neue Staat hielt es nicht für nötig, der Kirche ein Recht
auf die Schule einzuräumen; denn diese war in erster Linie
intellektuelle und nicht religiöse Bildungsanstalt. So riet
der Erziehungsrat des Kantons Zürich einem Schulinspektor,
der Klage geführt hatte, daß einzelne Sektierer sich weigern,
ihre Kinder in die Schule zu schicken, diesen Leuten be-
greiflich zu machen, daß die Schule eigentlich nicht ein
religiöses, sondern ein bürgerliches Institut sei, ganz be-
sonders die Primarschule. „Sie sollen ihre Kinder nur
darum darein schicken, damit sie die jedem für's bürger-
liche Leben, besonders in diesen Zeiten unentbehrlich nötigen
Kenntnisse, damit sie lesen und schreiben lernen. Das
könne ja ihren übrigen Meinungen in Absicht aufs Religiöse
ganz unbeschadet geschehen." 1 ) Stapf er suchte zwar in
einem Schreiben vom 30. Oktober 1798 an die Religions-
lehrer Helvetiens das Interesse, das viele Geistliche vor der
Revolution für das Schulwesen gezeigt hatten, und das durch
die unglückliche Stellung, in die die Pfarrer geraten waren,
zu erlöschen drohte, wachzuhalten; denn er erkannte die
schlimmen Folgen, die es haben mußte, wenn man den
Stand, der eine hohe Bildung besaß, von der Mitwirkung
am Erziehungswesen ausschloß. Aber nicht in ihrer Stellang
als Geistliche wollte er sich ihrer Mithilfe versichern,
sondern in ihrer Eigenschaft als gebildete Männer sollten
sie an der Verbesserung der Schulzustände mitarbeiten.
„Da man jetzt immer mehr nach andern Kenntnissen, als
nach theologischen fragt," heißt es in dem oben erwähnten
Schreiben, „so beweiset, daß Ihr auch in denselben er-
fahren und brauchbar seid." 2 ) So hatte der neue Staat
*) Missiv. des Erziehungsrates. 1802. i 186.
2 ) Luginbühl, pg. 87.
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— 30 —
der Kirche die Herrschaft über die Schule gänzlich ent-
zogen; er nahm die Organisation des Schulwesens selbst
in die Hand und übertrug die Leitung und Aufsicht seinen
bürgerlichen Organen. Der Kirche war es aber gestattet,
neben dem „bürgerlichen Unterricht" die „religiöse Er-
ziehung" zu übernehmen, insofern sie sich dabei dem erstem
.unterordnete.
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IV. Die Schulorganisation.
1. Schulleitung und Aufsicht
Die Oberaufsicht über das gesamte Schulwesen des
Kantons Zürich besorgte bis zur Revolution das Kollegium
der Examinatoren oder der Examinatorenkonvent. Er setzte
sich zusammen aus dem Antistes als Präsident, je zwei
Mitgliedern des Großen und Kleinen Rates und aus den
Mitgliedern des Stifts zum Großmünster, d. h. dem Ver-
walter des Stifts, den beiden Archidiakonen, den beiden
Professoren der Theologie, den Professoren der Philosophie,
der griechischen Sprache und der Physik, die alle den Titel
„Chorherren" führten, ferner dem Rektor oder Ludi-
moderator des Karolinums und dem Pfarrer an der Prediger-
kirche. Außer diesen wurden noch die Pfarrer am St. Peter
und Fraumünster und der Inspektor des Alumnates 1 ) als
Beisitzer zugezogen. Das Examinatoren-Kollegium war eine
Institution aus den Tagen Zwingiis und Bullingers. Um
das Werk der Reformation zu konsolidieren und für die
Zwecke der Propaganda mußte die Kirche darauf bedacht
sein, die Ämter der Seelsorge in Stadt und Land mit
„frommen und wohlstudierten" Pfarrern zu besetzen, die
tunlichst Überzeugungstreue mit Aposteleifer verbanden.
Das Kollegium war in erster Linie Kirchenbehörde, das
alle kirchlichen Angelegenheiten zu beraten und an die
Obrigkeit weiterzuleiten hatte; ihm war die Prüfung und
Ordination der Kandidaten für das Predigeramt und die
Aufsicht über die im Amte stehenden Geistlichen anver-
*) Konvikt für Theologiestudierende.
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— 32 —
traut. 1 ) Nebenbei besorgte es die Prüfung und Wahl der
„Schulmeister", nahm die Berichte der Schulvisitatoren ent-
gegen und erließ Schulverordnungen. Als Lokalschulinspek-
toren fungierten Pfarrer und Stillstand des Orts; die Ver-
ordnung über die Pflichten der Stillstände schrieb nämlich
vor: „Auch sollen sie der Schulen eine genaue Rechnung-
tragen, dieselben wechselweise von Zeit zu Zeit fleißig be-
suchen, dem Examen mit und neben dem Pfarrer ohnfehlbar
beywohnen und wie sie die Sachen allwegen befunden vor
dem nächstfolgenden Stillstand einen getreuen Bericht
erstatten." 2 )
In der Einheitsverfassung vom 12. April 1798 waren
über die Organisation des Erziehungswesens keine Be-
stimmungen enthalten. Der Artikel 4 bezeichnete ganz,
allgemein als die zwei Grundlagen des öffentlichen Wohl&
die Sicherheit und die Aufklärung. In welcher Weise aber
der Staat hierfür zu sorgen gedachte, wurde nicht näher
angegeben. Durch die Errichtung eines Ministeriums für
Künste und Wissenschaften war aber bedeutet, daß sich
das Direktorium zugleich als leitende Zentrale für das Er-
ziehungswesen ansah, deren Kompetenzen im einzelnen
freilich noch gesetzlich festzustellen waren. Bis dahin be-
mühten sich zwar die leitenden Staatsmänner, vorab 4er
Minister der Künste und Wissenschaften, ihre Verfügungen
möglichst im Sinne und Geiste der Verfassung zu treffen;
doch konnten sie nicht verhindern, daß je länger je mehr
sich Unordnung im Volksschulwesen spürbar machte; denn
noch stand die Frage völlig offen, wer in den Kantonen
an Stelle der erschütterten alten Autoritäten die Leitung
der Volksaufklärung zu besorgen habe. Willkürlich setzten
die Gemeinden ihre Lehrer ab und ein und schmälerten ihr
ohnehin geringes Einkommen durch Trennung des Vorsinger-
i) Heß, Helvet. Akten, K. IL
2 ) Wirz, I. pg. 154.
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— 33 —
oder Sigristendienstes vom Schulamt. Am 15. Mai 1798
wandte sich deshalb das Examinatorenkollegium an die Ver-
waltungskammer, als die oberste kantonale Behörde, der
die unmittelbare Vollziehung der Gesetze zukam, 1 ) mit der
Weisung, der herrschenden Anarchie im Schulwesen auf
der Landschaft durch gemessene Verfügungen ein Ende zu
bereiten. 2 ) Daraufhin bestätigte die angerufene Zürcher
Oberbehörde den Examinatorenkonvent interimistisch in
seiner bisherigen Funktion, indem sie ihm unter ehrender
Anerkennung seiner auf vorzüglicher Sachkenntnis und Er-
fahrung beruhenden bisherigen Dienste ersuchte, diese in
alter Weise so lange weiter zu leisten, bis die neuen Ge-
setzgeber eine bessere Institution zu treffen beliebten. Zu-
gleich wurde die Bürgerschaft angewiesen, allen Verord-
nungen und Anweisungen des Examinatorenkollegiums wie
bisher unbedingt Folge zu leisten und zur Erhöhung der
Autorität dieser Behörde ihr zwei Mitglieder der Ver-
waltungskammer beigeordnet. 3 ) Daß die ins Wanken ge-
ratene Subordination aber nicht ebenso schnell wieder stabili-
siert werden konnte, geht daraus hervor, daß die Ver-
waltungskammer eine ganze Reihe Rügen an gesetzwidrig
vorgehende Gemeinden austeilen mußte, wobei es ihr über-
dies nach der gesamten Konstellation der Dinge nicht mög-
lich wurde, ihren Weisungen kräftigeren Nachdruck zu ver-
leihen. 4 )
Minister Stapf er war unterdessen nicht müßig geblieben.
Auf sein Betreiben erließ das Vollziehungsdirektorium am
24. Juli 1798 ein Dekret, das bestimmte, daß bis zum
Erlaß eines Unterrichtsgesetzes im Hauptort eines jeden
Kantons ein. Rat zur Leitung des öffentlichen Erziehungs-
x ) § 101 der ersten helvetisch. Verfassung.
2) Helvet. Akten. K. IL 93.
3 ) Es waren die beiden Mitglieder des I. Departement: Wyß und
Schellenberg. Protokoll der Verwaltungskammer vom 22. Mai 1798. f. 145.
4 ) Prot, der Verw.-Kammer vom 22. Mai 1798. f. 146.
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— 34 —
wesens einzusetzen sei. Dieser Erziehungsrat als oberste
kantonale Schulbehörde sollte aus je 7, bezw. 9 Personen
bestehen und sich folgendermaßen konstituieren: 2 Mit-
glieder — Professoren oder Lehrer aus jedem Kantons-
hauptort — ernannte der helvetische Minister der K. u. W.
seinerseits. Fünf weitere Mitglieder wurden derart gewählt,
daß der Regierungsstatthalter jedes Kantons dem Minister
eine Liste mit den Namen von zehn ihm seitens der Ver-
waltungskammer bezeichneten „Hausvätern aus allen Pro-
fessionen" 5 ) einreichte, und der Minister die erwähnte Zahl
aus den Vorgeschlagenen als Erziehungsräte erwählte, in-
dem er sich dabei leiten ließ von den ausführlichen Be-
merkungen des Regierungsstatthalters über die intellek-
tuellen und moralischen Fähigkeiten und Verdienste der
einzelnen Persönlichkeiten. Bestätigte das Direktorium diese
7 Männer, so war damit der Erziehungsrat zu Amtshand-
lungen autorisiert. Ein achtes Mitglied wählte die Ver-
waltungskammer jedes Kantons hinzu in Person desjenigen
Pfarrers, der ihr am tauglichsten erschien zur Beaufsich-
tigung der sittlich-religiösen Unterweisung. 1 ) Endlich kam
noch eine neunte Person dazu, indem ein Direktorialbeschluß
vom 9. Februar 1799 verordnete, daß der Vorsitz in dieser
obersten Schulbehörde jedes Kantons je einen Monat von
den einzelnen Mitgliedern der Verwaltungskammer, mit
5 ) „Das Werk der öffentlichen Erziehung ehrt jeden Stand, und
jeder soll seinen Beitrag zur Vervollkommnung desselben liefern. Auf-
klärung, Bürgersinn, Uneigennützigkeit finden sich in allen Klassen der
Staatsbürger, und diese Eigenschaften geben Ansprüche auf eine Aus-
zeichnung, wie die Erwählung in den Erziehungsrat es ist. Desto leichter
können künftig die Bedürfnisse aller Bürgerklassen entdeckt, geprüft
und durch öffentliche Erziehung befriedigt werden, je gemischter der
Erziehungsrat ist, wofern nur ein gleiches Bestreben nach wahrer Ver-
vollkommnung die einzelnen Glieder unter sich vereinigt." (Stapf er,
Instruktionen für Erziehungsräte. pg. 9.)
x ) J. Strickler. Aktensammlung aus der Zeit der Helvetik. Bd. II.
pg. 607 u. f.
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— 35 —
Ausnahme des Präsidenten derselben, zu führen sei. 2 ) Das
Examinatorenkollegium war durch diese Einrichtung über-
flüssig geworden und wurde seinen Funktionen enthoben, 3 )
ebenso die Zürcher Schulräte für die Kunst- und die Real-
schule und die deutschen Hausschulen. 4 )
Kurz nach der Ausfertigung eines Schulgesetzes (wir
werden im folgenden Kapitel näher darauf eingehen), in
dem ein „Entwurf von Instruktionen für die Aufseher über
die öffentliche Erziehung" vorgesehen war, arbeitete Stapf er
diesen Entwurf als Instruktionen für Erziehungsräte und
Schulinspektoren aus, die vom Direktorium genehmigt
wurden und 1799 im Druck erschienen. 5 ) Darnach war die
Exekution der helvetischen Gesetze inbezug auf das Er-
ziehungswesen in den einzelnen Kantonen die Hauptaufgabe
der Erziehungsräte. Als vollziehende Gewalt war ihnen
außerordentlich freier Spielraum gelassen. Sie wurden an-
gehalten, sich bei Ausführung der von der helvetischen
Oberbehörde ausgehenden Weisungen vor Schablone und
Schematismus in jeder Form zu hüten; sie sollen jene Direk-
tiven vielmehr ihrem Sinn und Geist nach interpretieren
und sie den in den einzelnen Kantonen gegebenen zeit-
lichen und örtlichen Verhältnissen jeweils anpassen. Weiter-
hin bezeichnet die Instruktion als Pflicht jedes Erziehungs-
rates, „das innere Leben und den Gang der öffentlichen
Erziehung möglichst zu befördern. Ein besonders wichtiger
Zweig seiner Geschäfte bildet das Einziehen von In-
formationen über das Schulwesen des Kantons, von dem er,
wie von seinen übrigen Anordnungen und Verfügungen,
2 ) J. Strickler, Aktensammlung. Bd. III. pg, 1072.
3 ) Es behielt nur noch die Leitung des Kirchenwesens bei und
wurde dann im Jahre 1800 zum Kirchenrat. (Zürcher Taschenbuch 1859.
pg. 155.)
4 ) Protokoll des Erz.-Rates 1798. pg. 3.
5 ) Entwurf der Instruktionen für die neuerrichteten Erziehungsräte
und Distriktsinspektoren. Luzern 1799.
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— 36 —
dem Minister monatlich Rapport erstatten soll. Er wird
zu fleißiger Korrespondenz mit dem Minister eingeladen
und soll diesen von allen auf die öffentliche Erziehung ab-
zweckenden Anstalten und der dazu angewiesenen Hülfs-
mittel, den tauglichen Personen u. s. w. genaue Kenntnis
verschaffen. Das wird den Minister in den Stand setzen,
sich eine allgemeine Übersicht der ganzen Nationalkultur
zu erwerben und die Gleichförmigkeit in der öffentlichen
Erziehung möglichst zu beschleunigen." 1 ) Aufgabe der Er-
ziehungsräte ist es ferner, die „Schulmeister" zu wählen,
einen Modus für deren Prüfungen aufzustellen, bei Streitig-
keiten zwischen Lehrer und Inspektor oder Ortspfarrer als
Schiedsrichter zu fungieren und Disziplinarmaßregeln gegen
unbotmäßige Lehrer zu ergreifen. Zur Beschaffung der fi-
nanziellen Erfordernisse für die Schulen haben sich die
Erziehungsräte mit den kantonalen Verwaltung^kammern
ins Einvernehmen zu setzen. Sollten sich einzelne Schul-
gemeinden widersetzlich zeigen, so wird den Erziehungsräten
empfohlen, den Regierungsstatthalter um Anordnung von
Polizeimaßregeln anzugehen.
Ein vom Erziehungsrat für jeden Distrikt ernannter
Inspektor und sein Suppleant haben die unmittelbare Auf-
sicht über die Schulen, die sie vierteljährlich wenigstens
einmal besuchen. Sie achten dabei auf die Methoden, die
der Lehrer in den verschiedenen Unterrichtsfächern an-
wendet, auf die Art der Belohnungen und Strafen, die
Klasseneinteilung, die Schulbücher, ferner darauf, daß die
Schullokalitäten nichts hygienisch Nachteiliges an sich
tragen, endlich auf die Qualitäten des Lehrers und seine
Besoldungs Verhältnisse. In jedem Quartal hat der Distrikts-
schulinspektor dem 'kantonalen Erziehungsrat einen ausführ-
lichen Bericht über seine Schulbesuche einzureichen; 2 ) die
!) Stapfer, Instruktionen für Erziehungsräte.
2 ) Leider scheinen diese Berichte, die ohne Zweifel viel wert-
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— 37 —
Berichte sämtlicher Schulen des Kantons wurden zu einer
sogenannten „General-Tabelle" verarbeitet, die zur Orien-
tierung des Ministers bestimmt war. Zu den Amtsobliegen-
heiten des Distriktsschulinspektors gehörte ferner die Vor-
nahme außerordentlicher Schulprüfungen, die gerichtliche
und administrative Betreibung der in Schulsachen saum-
seligen Munizipalitäten, Suspension der Lehrer bei groben
Vergehen, die Prüfung der Kandidaten für Lehrämter, die
Überwachung des regelmäßigen Schulbesuchs der Kinder,
die Erteilung von Dispensationen vom Schulbesuch und die
Ermahnung derjenigen Erziehungspflichtigen, die die Kinder
nicht in geregelter Weise zur Schule schickten.
Ein hervorragendes Mittel, der Volksauf klär ung zu
dienen, ist nach Stapfer den Distriktsschulinspektoren da-
durch an die Hand gegeben, daß sie von Zeit zu Zeit
Konferenzen der Lehrer einberufen, die zur Vertiefung des
Pflichtbewußtseins derselben und zu ihrer beständigen Fort-
bildung beitragen sollen. Die Instruktion besagt, der
Distriktsschulinspektor solle bei diesen Zusammenkünften
„die Schulmeister zu einer freien Mitteilung ermuntern,
ihnen Ihren Beruf darstellen als ein eigenes Feld, auf dem
eine besondere Bahn der Vervollkommnung abgesteckt ist,
sie untereinander in einen Verkehr der Fortbildung und
Nacheiferung bringen und dadurch ihre Selbstachtung so-
wohl als ihre Bedürfnisse einer steigenden Belehrung er-
höhen. Bei solchen Zusammenkünften ließen sich Vor-
lesungen nach Belieben, wenn es Zeit und Umstände er-
lauben, entweder aus gedruckten Büchern oder aus Ab-
handlungen vortragen." 1 ) Stapfer ersucht die Schul-
inspektoren in einem Schlußwort, sich durch die mancherlei
Beschwerden ihres Amtes nicht abschrecken zu lassen; die
volles Material für unsere Untersuchungen geboten hätten, verloren ge-
gangen zu sein; im zürcherischen Staatsarchiv ist keiner derselben vor-
handen.
x ) Stapfer, Instruktionen für Schulinspektoren, pg. 48.
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— 38 —
helvetische Regierung kenne diese Schwierigkeiten sehr
wohl und werde es sich seiner Zeit zur angenehmen Pflicht
machen, die Männer auszuzeichnen und zu belohnen, die
mit edler Unverdrossenheit am mühevollen Werke der
geistig-sittlichen Hebung des Volkes mitgewirkt haben. 2 )
In den Bestimmungen über die Schalaufsicht ist also
nirgends davon die Rede, die Geistlichen damit zu betrauen.
Die Inspektoren konnten wohl aus den „Kirchendienern
genommen werden"; einen besonderen Anspruch auf dieses
Amt besaßen sie jedoch nicht. Immerhin gedachte Stapf er,
wie tetus dem bereits erwähnten Schreiben „an die Religions-
lehrer Helvetiens" hervorgeht, sie nicht gänzlich von der
Mitwirkung in Schulangelegenheiten auszuschließen. Wie
er sich die künftige Stellung der „Kirchendiener" der Schule
gegenüber dachte, geht aus folgender Stelle jenes Schrift-
stückes hervor: „Laßt Euch nicht irre machen in der Er-
füllung Euerer Berufspflichten durch die Veränderungen,
welche man etwa in Schul- und Kirchensachen zu treffen
nötig findet. Indem man z. B. den Schulkommissarien die
Aufsicht über die Schulen ihres Bezirkes überträgt, will
man keinen unter Euch ausschließen von der Mitwirkung
in zweckmäßigen Schulgeschäften, wofern er die Ver-
besserungen begünstigt und das Zutrauen des Kommissärs
besitzt. Es sind unter Euch, welche sich mit Erfolg bisher
der Schulen angenommen haben; wenn Ihr es ohne Zwist
mit den Gemeinden und Schulmeistern noch ferner tun könnt
und tun wollt, so macht Ihr Euch um Eure Mitbürger ver-
dient; ich weiß, daß sich an vielen Orten dergleichen
Schwierigkeiten finden; es mußte übrigens in die Schulauf-
sicht und Schulverwaltung mehr Gleichförmigkeit gebracht
werden, und deswegen ist man in der Auswahl der Schul-
aufseher behutsamer und sparsamer gewesen. Bei den
Verbesserungen, die im Werke sind, mußte man auf sichere
2 ) Stapfer, Instruktionen für Schulinspektoren, pg. 57.
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— 39 —
und unermüdliche Exekutören rechnen können; diese sollen
die Erziehungsräte und Schulkommissarien sein. Wenn
viele unter Euch ihnen mit Einsicht an die Hand gehen
wollen, so ist Großes gewonnen. Eure Erfahrungen und
Kenntnisse sollen zum Besten des Vaterlandes benützt
werden. Wenn ihr daher Vorschläge oder Bemerkungen
über das Schulwesen den Erziehungsräten mitteilen oder
auch mir unmittelbar zuschicken wollt, so sollen diese
Beiträge uns willkommen sein." 3 ) Stapf er empfiehlt den
Pfarrherren weiterhin, die Sache der Volkserziehung da-
durch zu fördern, daß sie Privat-, Abend- und Sonntag-
schulen einrichteten, sowie besonders qualifizierte Jüng-
linge aus der ländlichen Bevölkerung für den Lehrerberuf
vorbereiteten.
Im August 1798 übersandte der Regierungsstatthalter
Pfenninger dem Minister die von der Verwaltungskammer
aufgestellte Vorschlagsliste für den zu erwählenden Er-
ziehungsrat. Sie enthielt folgende Namen: Obmann Füßli,
Artillerie-Inspektor Breitinger, a. Zunftmeister Weber,
Tischler Fries, a. Ratsherr Nüscheler, Taubßtummenlehrer
Ulrich, a. Ratssubstitut Hirzel, Hauptmann Ott, Hauptmann
J. M. Usteri und a. Ratsherr Meiß. Als beizuordnender
„Kirchendiener" wurde einmütig vorgeschlagen Antistes
Heß. 1 ) Der Minister wählte nach dem ihm zustehenden
Rechte die Professoren Hottinger und Bremi und von den
von der Verwaltungskammer Vorgeschlagenen Füßli, Hirzel,
Usteri, Ulrich und Major J. J. Meyer, dessen Name nicht
auf der Liste gestanden hatte, „von dem aber dem Di-
rektorium so viel Treffliches gesagt worden sei, daß es
dadurch bewogen worden, ihn zu wählen." 2 ) Meyer lehnte
3 ) Der Minister der K. u. W. an die Religionslehrer Helvetiens.
Luginbühl pg. 86/87.
x ) Protokoll der Verwaltungskammer v. 8. August 1798. f. 121/22.
2 ) Helvetische Akten. K. II. 93.
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— 40 —
später ab und wurde durch Dr. Rahn ersetzt. 3 ) „Da wichtige
Betrachtungen das Direktorium abhielten, den Antistes Heß
dem Erziehungsrat als Geistlichen zu adjungieren, so er-
nannte es dazu den Leutpriester SchultheO." 4 )
Am 29. November 1798 trat der Erziehungsrat zum
ersten Male unter dem Vorsitz des Regierungsstatthalters
zur konstituierenden Sitzung zusammen und erwählte zu
seinem Aktuar Professor Bremi. Hierauf schritt er zur
Ernennung der Distriktsinspektoren und ihrer Suppleanten.
Da das Amt eines Schulinspektors unbesoldet war und viel
Zeit erforderte, konnten dazu meist nur Geistliche gefunden
werden. Die Liste wies folgende Namen auf 5 ):
Distrikt
Inspektor
Suppleant
1. Benken
2. Andelflagen
3. Winterth.
4. Elgg
5. Fehraltorf
6. Bassersdorf
7. Bülach
8. Regensdorf
9. Zürich j
io. Hettmenstetten|
11. Hörgen
12. Meilen
13. Grüningen
14. Uster
15. Wald
Dr. Toggenlror, Martlalen
Pfr. Scheuchzer, Berg
Rektor Hegner, WinterttUr
Pfr. Nüscheler, Zell
Pfr. Keller, Ulnar,
Ptr. Wolf, Wangen
Pfr. Ochsner, Bafz
Pfr. Schinz, Oberglatt
Prof. Orell, Zürich
Pfr. Maurer, Affoltern
Urner, Kilchberg
Pfr. Oeri, Erlenbach
Pfr. Reutlinger, Rüti
Dekan Nägeli, Wetzikon
Pfr. Waser, Bäretswil I
Pfr. Gyger, Ossingen
Pfr. Leu, Dägerlen
Pfr. Tobler, Veitheim
Heinr.Bosshard,BflBli][Qll
Pfr. Vogel, Bauma
Pfr. Schweizer, MrECll
Dr. Laufer, Eglisau
Pfr. Oeri, Begensdorf
Pfr. Tobler, Wytikon
Pfr. Wolf, Hedinger
Dr. Landis, Richterswil
Wirz Mrotatter, ErtenM
Kunz, Leutnant, Oetwil
Pfr. Wolf, Fällanden
Scüocü DistrlktSDrasil-, Wald
3 ) Erziehungsrats-Protokoll 1798.
*) Helv. Akten. K. II. 93.
*) Helvet. Akten. K. IL 93.
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41
Nach den Instruktionen des Ministers sollte nun in
einer öffentlichen Sitzung, zu der die Ortsbehörden, die
Schulinspektoren und Suppleanten, eingeladen wurden, die
feierliche Einsetzung' des Erziehungsrates vollzogen werden.
Sie wurde auf den 13. Dezember anberaumt und mit einer
Rede des Regierungsstatthalters über den Zweck der neuen
Unterrichtsbehörde eröffnet. In -einem darauf folgenden
Vortrag über das Thema: Aufklärung ist besser als Wohl-
stand, führte Obmann Füßli aus, wie ganz besonders einem
demokratischen Staate alles an der intellektuellen und
moralischen Bildung seiner Bürger gelegen sein müsse. 1 )
Somit konnte die neue Behörde nun ihre Wirksamkeit be-
ginnen. 2 ) Gleich zu Anfang ihrer Tätigkeit hatte sie mit
den mannigfaltigsten Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein-
mal standen ihr gänzlich unzulängliche Mittel zur Verfügung,
um zweckmäßige Neuerungen im Schulwesen durchzuführen;
dazu kamen Widersetzlichkeiten von Seite der Gemeinden,
die ihr oft die Anerkennung als oberste Autorität in Schul-
sachen versagten und sich von der „neufcn Freiheit" zu weit
gehende Begriffe gemacht hatten. Bald sollte ihre Fort-
existenz überhaupt in Frage gestellt werden.
Der Einzug der die Aristokratie und den Föderalismus
begünstigenden Österreicher in Zürich am 6. Juni 1799
hatte die Auflösung der bisherigen Kantonsadministration
zur Folge; an Stelle der Verwaltungskammer trat eine mehr
konservative Interimsregierung. Der Erziehungsrat suchte
sogleich die Unterstützung dieser neuen Regierung nach,
die ihn ersuchte, vorläufig seine Verrichtungen fortzusetzen,
bis aus ihrer Mitte ein Departement kreiert worden sei,
das sich ausschließlich mit dem Kirchen- und Schulwesen
J ) Der Vortrag ist im Druck erschienen: Rede bey der feyerlichen
Einsetzung des neuen zürcherischen Kantons-Erziehungs-Rates, der Er-
ziehungs-Commissarien und ihrer Suppleanten, von Heinrich Füßli.
2 ) Sie hielt ihre wöchentlichen Sitzungen jeweilen Donnerstags auf
4er „Chorherrenstube" im Großmünster ab.
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— 42 —
zu befassen habe. 3 ) Als jedoch die Reaktion zunahm und
damit die Stellung des Erziehungsrates immer ansicherer
wurde, forderte dieser die Interimsregierung auf, ihm, „al&
einer Behörde, die der neu-alten Ordnung anstößig sei,
und weil man ihm von den verschiedenen Seiten Schwierig-
keiten in den Weg lege," 4 ) seine Entlassung zu geben; dabei
äußerte er den Wunsch, daß die von den Schulinspektoren
ausgeübte und als durchaus nötig und zweckdienlich be-
fundene Aufsicht fortdauere und eine besondere Kommission
zur Besorgung des Schulwesens ernannt werde. 5 ) Die
Interimsregierung erteilte dem Erziehungsrat die ge-
wünschte Demission in Rücksicht darauf, daß es nicht zweck-
mäßig sei, das Schul- und Kirchenwesen zu trennen, und
daß die Aufsicht wieder den Pfarrern und Stillständern
übertragen werden müsse, die von keiner andern Behörde,
als vom Examinatoren-Konvent abhängig seien. Auch würde
es Anstoß und Unordnung verursachen, wenn man in den
Landschulen „das Religiöse von dem Wissenschaftlichen"
trennen und Grenalinien bestimmen wollte, zwischen dem,
was dem Erziehungsrat, und dem, was dem Kirchenrat in
Schulsachen zu bestimmen zustände. Die Funktionen des
Erziehungsrates seien also wiederum dem Examinatoren-
Kollegium übertragen, das früher mit ausgezeichneter Treue
und gutem Erfolg die Schulangelegenheiten besorgt habe;
es sei diesem jedoch ein Mitglied des von der Interims-
regierung errichteten Departements für Kirchen- und Schul-
wesen beizuordnen. 1 ) Nichts illustriert die unter der
Interimsregierung aufgekommene Reaktion und ihren Ein-
fluß auf das Schulwesen besser, als diese Verfügungen.
3 ) Protokoll der Interimsregierung v. 13. Juni, f. 28.
4 ) Protokoll des Erziehungsrates v. 15. August 1799. pg. 124.
5 ) A. a. 0. pg. 124.
x ) Protokoll der Interimsregierung vom 27. Aug. f. 245/46 und
Helvet. Akten. K. II. 95.
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— 43 —
Der Sieg der Franzosen Ende September bereitete der
Interimsregierung ein Ende; der status quo ante wurde
wieder hergestellt. Die Verwaltungskammer funktionierte
wie vorher, die helvetischen Behörden wurden wieder ein-
gesetzt, und da der Regierungsstatthalter den Erziehungsrat
einlud, aufs neue die Leitung des Schulwesens zu über-
nehmen, so trat dieser am 18. Oktober 1799 wieder zu-
sammen. 2 ) Erziehungsrat Hottinger hatte schon im Juli
seinen Rücktritt genommen und war von der Interims-
regierung durch den Chorherren Felix Herder ersetzt
worden. 3 ) Der Erziehungsrat ersuchte nun den Minister,
Herder als neues Mitglied beizuordnen und eine Neuwahl
zu treffen für den zurückgetretenen Hottinger. Die hiefür
eingereichte Vorschlagsliste enthielt die Namen der Pro-
fessoren Orell, Tobler und Ulrich. *Da die Mitgliederzahl
des Rates laut Instruktion des Ministers erhöht werden
konnte, und die helvetische Regierung sich vorbehielt,
„Männer, welche sich durch ihren tätigen Patriotismus und
ihre Einsichten dazu eignen," beizuordnen, so ernannte der
Vollziehungsausschuß 4 ) am 18. Januar 1800 die Chorherren
Herder und Professor Ulrich zu Mitgliedern, den Kanonikus
Tobler und Professor Orell zu Adjunkten und den zurück-
getretenen Chorherren Hottinger zum Ehrenmitgliede des
Erziehungsrates. 5 )
Unterdessen war "die Finanzlage des Kantons infolge
des Krieges und des Wegfalles der Einkünfte aus den Zehnten
eine recht prekäre geworden. Den Lehrern konnten nur
Bruchteile ihrer Besoldung ausgezahlt werden, wodurch sie
in schlimme Bedrängnis gerieten und den Erziehungsrat
2 ) Erziehungsrats-Protokoll v. 18. Okt. 1799. pg. 12.
3 ) Protokoll der Interimsregierung v. 15. Juli. f. 121.
4 ) Durch den „Staatsstreich" vom 7. Januar 1800 war das Direk-
torium gestürzt worden, und an seine Stelle trat eine neue Regierung-
unter dem Namen „Vollziehungsausschuß".
5 ) Protokoll des Erziehungsrates v. 30. Jan. 1800. pg. 10.
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— 44 —
mit Klagen überschwemmten; vergeblich bemühte sich aber
dieser um Abhülfe. Dadurch wurde seine Stellung immer
unerfreulicher und seine Wirksamkeit immer mehr er-
schwert. Dazu kamen noch im Jahre 1800/01 zwei ernste
Konflikte mit den Gemeinden Knonau und Mettmenstetten
(Distrikt Mettmenstetten), die zuletzt zum Rücktritt des
Erziehungsrates führten. Wir skizzieren die beiden Streit-
fälle kurz, weil sie typisch dartun, wie naiv und * eigen-
mächtig die Gemeinden sich oft über die bestehenden Ge-
setze und Verordnungen hinwegsetzten, ein Verhalten, das
etwas verständlicher wird, wenn man erwägt, wie oft in
jenem kurzen Zeitraum der politische Schwerpunkt ver-
legt worden war.
Wie manche andere Gemeinde, so hatte auch Knonau
im Anfang der Revolutionszeit, als für die Besorgung des
Schulwesens noch keine Behörde ernannt war, ihren Lehrer
selbst gewählt und beschlossen, die Wahl alle zwei Jahre
zu erneuern. Das sollte nun am 19. Mai 1800 in einer
Gemeindeversammlung geschehen. Der Lehrer erklärte
jedoch, daß er sein Amt nicht niederlege, und mithin die
Stelle gar nicht vakant sei. Als er ein Schreiben des Schul-
inspektors vorwies, worin dieser die Gemeinde auf ihr den
Verordnungen zuwiderlaufendes Verhalten aufmerksam
machte, da die Lehrerwahlen einzig vom Erziehungsrat vor-
genommen werden dürften, ergingen sich einige Gemeinde-
bürger in den heftigsten Beleidigungen gegen den Inspektor
und den Erziehungsrat, sodaß letzterer den Regierungs-
statthalter zum Einschreiten veranlaßte und Satisfaktion
verlangte. Als alle Vermittlungsversuche des Statthalters
und des Ministers an dem Starrsinn der Angeklagten
scheiterten, erhob der Erziehungsrat Klage beim Distrikts-
gericht. 1 ) Bevor der Prozeß zur Entscheidung gelangte,
trat ein neuer Streitfall ein, der die Gemeinde Mettmen-
!) Protokoll des Erziehungsrates 1800 und 1801. pg. 51, 52, 62.
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45
stetten betraf. Der Erziehungsrat hatte von den beiden
Bewerbern um die freie Schulstelle in Mettmenstetten —
Jakob Orell und Heinrich Weiß — den letzteren gewählt,
trotzdem die Gemeinde eine Bittschrift zu Gunsten Orells
eingerichtet hatte, und der Bericht des Inspektors über
das von beiden abgelegte Examen gleich gut lautete. Die
Gemeinde erhob daher gegen die Wahl Protest, setzte eigen-
mächtig den Orell ein und wandte sich mit einer Beschwerde
an den Minister. 2 ) Dieser erteilte der Gemeinde wegen
ihres Verhaltens einen Verweis, verfügte aber zugleich
die Entlassung des Weiß, dem seine Besoldung bis dahin
zu zahlen, sowie eine Entschädigung zu gewähren sei und
bestimmte den Erziehungsrat, dem Willen der Gemeinde
Mettmenstetten durch Einsetzung des Orell in die vakante
Stelle zu entsprechen. Jetzt reichte der Erziehungsrat un-
verzüglich seine Resignation ein, „weil durch dieses Be-
nehmen sein Ansehen gänzlich vernichtet, und jeder zu ge-
setzwidrigen Schritten und zur Behauptung derselben mit
Trotz und Frechheit gleichsam aufgefordert werde. 3 ) Der
Minister ließ hierauf durch den Regierungstatthalter den
Erziehungsrat beauftragen, die Schulmeisterstelle in Mett-
menstellen als vakant auszuschreiben und auf Grund der
bestehenden Vorschriften eine neue Wahl vorzunehmen.
Falls die Gemeinde Weiß nicht zum Lehrer annehmen wolle,
habe sie ihm einen ganzen Jahresgehalt auszubezahlen.;
„Wegen ihres bezeigten formalen Ungehorsams werde sie
aufgefordert, durch eine Deputation beim Erziehungsrat
ihre Entschuldigung vorzutragen und ferner Achtung und
Gehorsam anzugeloben." 4 ) Das genügte jedoch dem Er-
ziehungsrat nicht; er verlangte, daß Orell, „der sich habe
2 ) An Stelle des zum helvetischen Gesandten in Paris ernannten
Stapfer war seit dem Juli 1800 Mohr Minister der Künste und Wissen-
schaften.
3 ) Protokoll des Erziehungsrates v. 22. Jan. 1801.
4 ) Protokoll des Erziehungsrates v. 9. Febr. 1801.
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— 46 —
mißbrauchen lassen", von einer Wahl ausgeschlossen und die
Munizipalität bestraft werde, ansonst er auf der ein-
gereichten Resignation beharre. 1 ) Da ihm nicht ent-
sprochen wurde, legte er im März 1800 sein Amt nieder,
und schon am 12. April übersandte der Regierungsstatt-
halter dem Minister die von der Verwaltungskammer auf-
gestellte neue Vorschlagsliste. Sie lautete auf Konrad
Meiß, a. Ratsherr, Heinrich Rahn, Chorherr, David Wyß,
Henrich Meyer, Maler, Ludwig Meyer, Kantonsrichter,
Rudolf Schinz, Kaspar Hirzel, Kaspar Escher, David Heß,
Heinrich Schinz und Georg Geßner, Pfarrer am Frau-
münster. 2 ) Durch ein Dekret vom 23. April wählte der
Vollziehungsrat Konrad Meiß, Heinrich Schinz, David Wyß,
Kaspax Hirzel, Ludwig Meyer, Georg Geßner, H. Steiner,
Mitglied der Verwaltungskammer und Professor Horner. 3 )
Nach einer Einladung des Regierungsstatthalters sollte sich
die neu erwählte Unterrichtsbehörde am 5. Mai zur kon-
stituierenden Sitzung auf der „Chorherren" einfinden. Da
ihr jedoch bekannt war, weshalb der vorige Erziehungs-
rat seinen Rücktritt genommen hatte, beschloß sie in einer
Vorversammlung, vo*n Regierungsstatthalter vorerst zu
verlangen, daß er vom Vollziehungsrat eine unmittelbare
Verfügung betreff der Vorfälle in Mettmenstetten erwirke
und durch eine Proklamation alle Kantonsgemeinden zur
strengen Befolgung der Verordnungen des Erziehungsrates
anhalte. Dem wurde entsprochen und die Verwaltungs-
kammer beauftragt, die Schulstelle in Mettmenstetten zu
besetzen, um den Erziehungsrat mit dieser Angelegenheit
nicht weiter zu belästigen. So stand der Einsetzung des
x ) Protokoll des Erziehungsrates v. 9. Febr. 1801. pg. 40/41.
2 ) Helvet. Akten. K. IL 93.
3 ) Prof. Horner, H. Steiner und L. Meyer schlugen später die Wahl
aus; an Stelle Homers wurde Joh. Schultheß, Professor Linguarum am
Collegio Humanitatis u. für L. Meyer der Sekretär der physikalischen
Gesellschaft, Rahn, ernannt. (Helv. Akten. K. IL 93.)
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— 47 —
Rates nichts mehr im Wege. Am 26. Mai 1801 fand die
konstituierende Sitzung statt, in der Meiß zum Präsidenten
und Schinz zum Aktuar gewählt wurde.
Zur Besprechung des gegenwärtigen Zustandes des
zürcherischen Schulwesens lud der Erziehungsrat alle Schul-
inspektoren und Suppleanten zu einer Konferenz auf den
4. Juni ein. In dieser wurde von den Inspektoren lebhaft
Klage geführt über die „Zügellosigkeit und die Verwilde-
rung", die unter der heranwachsenden Generation täglich
zunehme. 4 ) Als Ursache wurde von den Geistlichen all-
gemein die Trennung von Staat und Kirche und von Kirche
und Schule angesehen und der Ausschluß der Ortsgeist-
lichen von der Schulaufsicht als ein Mißgriff der Regierung*
bezeichnet. „Es steht so trüb ums Vaterland, weil der
Geist wahrer christlicher Religion allgemein so sehr ge-
sunken ist. Wenn Religion und Christentum nicht bei den
Regenten und Eltern sind, so ist alles Unterrichten und
Erziehen umsonst," 1 ) klagte Suppleant Pfarrer Boßhard an
der Konferenz, und Pfarrer Eberhard äußerte sich, es sei
überhaupt nicht zu begreifen, wie die Regierung auf den
unseligen Einfall gekommen sei, den Religionsunterricht
als nicht dahin gehörig aus den Schulen wegzunehmen und
den Pfarrern die nächste Lokalaufsicht auf die Schulen
zu entziehen; es müsse dem Volke wieder recht kräftig
gesagt werden, daß die Pfarrer von Amtswegen bei den
Schulen mitzuwirken haben. 2 ) Auf Wunsch der Konferenz
nahm der Erziehungsrat in die an die Gemeinden zu er-
lassende Proklamation die Bestimmung auf, daß unter den
Schulinspektoren die Pfarrer die besondere Aufsicht über
die Schulen in ihren Kirchgemeinden haben. „Fällt daher
4 ) Protokoll des Erziehungs-Rates. 1801. Schulinspektoren-Kongreß
Juni 1801.
!) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. f. 35.
2 ) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. Schulinspektoren-Konferenz v.
Juni.
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— 48 —
etwas den Schulmeister oder die Schule betreffendes vor,
das höhere Verfügung erfordert, so muß es dem Pfarrer,
von diesem dem Schulinspektor und von diesem dem Er-
ziehungsrat berichtet werden." 3 ) Damit war der erste
Schritt, der Kirche wieder ein Recht auf die Schule ein-
zuräumen, getan.
Die Vorfälle in Mettmenstetten und Knonau waren
freilich nicht geeignet, das Ansehen des Erziehungsrates
zu heben, und auch die durch den Regierungsstatthalter
am 4. Juni erlassene Proklamation konnte dies nicht bessern.
Der durch den Parteihader hervorgerufene mehrmalige
Wechsel der Verfassung war die Hauptursache, dem In-
stitut des Erziehungsrates als kantonaler Unterrichtsbehörde
mehr den Charakter des Provisorischen zu verleihen. Zu
gewissen Fragen von entscheidender Bedeutung nahm der
Erziehungsrat fortan gar keine Stellung, weil ihm die Er-
eignisse der jüngsten Vergangenheit gezeigt hatten, welche
unsichere Existenz er selbst führte. Das Schwankende der
politischen Konstellation erzeugte auch bei der Verwaltungs-
kammer eine gewisse Ohnmacht, sodaß der Erziehungsrat
keinerlei Rückhalt an ihr hatte, und die Fälle von Insub-
ordinationen und Illegalitäten einzelner Landgemeinden sich
häuften. Der Erziehungsrat des Kantons Zürich berichtete
damals an denjenigen des Kantons Bern: „Sie müßten in
ihrem Kanton glücklicher sein, als wir es in dem unsern
sind, wenn Sie nicht auch wäJirend der Führung Ihres Amtes
vielfältige Erfahrungen gemacht hätten, wie der Geist
unserer Zeit überhaupt unter dem Namen von Streben nach
Freiheit alle bisherigen oft sehr weislich gesetzten
Schranken zu überspringen oder zu zerbrechen, die be-
stehenden Ordnungen hintanzusetzen, die Gesetze gering
zu achten, alter Einrichtungen, die in der Natur der Sache,
die sie betreffen, gegründet sind, als veraltet zu spotten,
3 ) Proklamation vom 4. Juni 1801. H^lvet. Akten. K. TL 93.
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— 49 —
neuen Ordnungen und besonders allen denen, die auf irgend
eine Art nötiger Subordination gehen, als mit der Freiheit
und den Grundsätzen gleicher Rechte unvereinbaren
Dingen, sich zu widersetzen sucht, sobald sie seinen
Wünschen im Wege stehen und der Erreichung seiner nütz-
lichen oder schädlichen Absichten hinderlich sind. So ist der
Jetzige Zeitgeist" 1 ) Es muß in dieser Darstellung der Schul-
geschichte Zürichs dankbar anerkannt werden, daß der
„junge" Erziehungsrat — getragen von dem Bewußtsein
der hohen kulturellen Bedeutung der in ihm verkörperten
Idee — allen Erschwerungen seiner Amtsführung gegen-
über seine Position behauptete und den Effekt seiner Be-
strebungen von Zeiten erhoffte, da die Energie der Ge-
sellschaft nicht mehr von schweren Krisen absorbiert wurde.
Er war es auch, der durch eine Eingabe an die helvetische
Tagsatzung in Bern vom 10. September 1801 darauf drang,
daß die Verschwommenheit, mit der die nach dem Ent-
wurf von Malmaison ausgearbeitete neue Zürcher Verfassung
die Rechte und Pflichten der obersten Unterrichtsbehörde
behandelte, beseitigt und darin eine aus „kompetenten
Männern zusammengesetzte Behörde" vorgesehen werde, die
sich ausschließlich mit der Aufsicht über das Eraehungsn
wesen im ganzen und mit der Leitung der einzelnen Teile
desselben zu befassen habe, und die mit „hinlänglicher Kraft
versehen werde, ihren den Gesetzen gemäßen Anordnungen
und Verfügungen Achtung und Befolgung zu verschaffen." 2 )
Durch den Staatsstreich vom 27. Oktober 1801 wurden der
Vollziehungsrat und die helvetische Tagsatzung gesprengt
und die kantonalen Verfassungsentwürfe ad acta gelegt.
Damit war — ein günstiges Moment — das Verbleiben
des zürcherischen Erziehungsrates in seiner Stellung ge-
sichert.
x ) Missiven des Erziehungs-Rates. 1801. f. 69.
2 ) Missiven des Erz.-Rates. 1801. f. 154 u. f.
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1
— 50 —
In der am 16. Juni 1802 abgehaltenen zweiten
Konferenz der Schulinspektoren erstattete der Aktuar des
Erziehungsrates, Heinrich Schinz, Bericht über die bisherige
Tätigkeit der Unterrichtsbehörde, der folgende bemerkens-
werte Stelle enthält: „Das immer schwankende und un-
gewisse unseres Zustandes überhaupt, die öftere Umände-
rung, namentlich auch der obersten Behörden, die unsern
gemeinschaftlichen Angelegenheiten vorgesetzt sind, der
verschiedene Geist und die Grundsätze, nach denen infolge
dessen oft in sehr schnell abwechselnden Zeiträumen ge-
handelt wurde, die allgemeine Renitenz gegen alles, was
gesetzliche Ordnung und Subordination heißt und ist, waren
hundertmal Steine des Anstoßes, an denen unser bester
Wille scheitern mußte. Man denke sich in Zeiten, wo man
das Bezahlen auch der billigsten und gerechtesten Schulden
und Anforderungen, freilich wieder aus leicht begreiflichen
Gründen, so ganz und gar verlernt hat, man denke sich
da eine Aufsichtsbehörde, die wohl eine große Menge be-
dürftige und unbezahlte Arbeiter, aber keinen Kreuzer unter
sich hat, über den sie für jene disponieren kann, und man
wird wahrhaftig aufhören, sich zu verwundern, daß nicht
mehr, man wird sich eher zu verwundern anfangen, daß
noch so viel konnte getan werden. Unsere Bemühungen
im ganzen mußten immer mehr darauf gehen, das Ein-
dringen mehreren Schadens zu verhüten, auszuflicken, nach-
zubessern, damit es wenigstens für einmal noch halte, dem
Einstürzen, hie und da wohl gar dem Einreißen zu wehren,
als aber irgendwo neu und besser zu bauen. Es ist für
uns ein trauriges und für unser Volk nicht ehrenvolles
Bekenntnis, wenn wir sagen müssen, daß das Kämpfen um
verdientes und gebührendes Schulmeistereinkommen mehr
als den sechsten Teil aller unserer Verrichtungen aus-
machte, und daß wir bei allem dem es uns oft mußten ge-
fallen lassen, wenn wir statt des vollständigen, was gebührt,
einen Teil davon zu erstreiten vermochten." 1 )
*) Protokoll des Erz.-Rates. 1802. f. 59 u. f.
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— 51 —
Ziehen wir bis jetzt das Fazit, so dürfte es in aller
Kürze lauten: Die Errichtung einer nur dem Staate ver-
antwortlichen Behörde für „Förderung der Volksaufklärong"
war eine der bedeutungsvollsten Errungenschaften aus den
Wirrnissen der Helvetik; sie war die Fundamen tierung für
einen einheitlichen Auf- und Ausbau der nationalen Er-
ziehung durch die Schule.
2. Schulverordnungen und Schulgesetze.
Die ersten Bestimmungen zur Organisation des
zürcherischen Lamdischulwesens sind in der von den
„obersten Schulherren und Verordneten zur Lehr" heraus-
gegebenen „durchgehenden Ordnung für die Schulen auf
der Landschaft" enthalten. 2 ) Sie waren 1637 von der
„Obrigkeit" genehmigt worden und erschienen 1658 im
Druck; 1684 umgearbeitet und erweitert blieben sie in dieser
Form bis 1778 in Kraft. 3 ) Den in ihnen niedergelegten
2 ) Für die städtischen niedern Schulen in Zürich und Winterthur
bestanden besondere, aus noch früherer Zeit datierende Verordnungen.
Näheres hierüber siehe bei U. Ernst, Geschichte des zürcherischen Schul-
wesens, pg. 163 u. f.; J. Wirz, Geschichte des Kirchen- und Schul-
wesens in Zürich, 1793, I. Bd., pg. 282 u. f. G. Finsler, Zürich in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrh., pg. 24 u. f. Troll, Geschichte der
Stadt Winterthur, IL Teil, pg. 11, 85 u. f.
•) Q. Hunziker, Reform der zürch. Landschulen von 1770 — 78, pg. 4.
Die im Jahre 1719 erschienene Schulverordnung ist nur ein Neu-
druck derjenigen von 1684. Letztere findet sich abgedruckt in der
„Geschichte der Schweiz. Volksschule" von 0. Hunziker. I. pg. 118—125.
Sie enthält Bestimmungen über die Errichtung von Haupt- und Neben-
schulen, über die Wahl der Lehrer, Schulzeit, Schuldauer, Schullokal,
Lehrstoff, Schulbücher, Schuldisziplin, Examen.
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— 52 —
Vorschriften wurde jedoch nur zu oft nicht nachgelebt;
denn nicht allen Geistlichen, denen die Überwachung der
Ausführung dieser Bestimmungen übertragen war, lag das
Wohl ihrer Schulen am Herzen, und so hielt man in der
Mitte des 18. Jahrhunderts allgemein dafür, daß die Schulen
auf der Landschaft „in den äußersten Verfall geraten
seien. 3 )
Nachdem die kritischen Tendenzen der Auf klär ungs-
zeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts die dumpfe kirch-
liche Orthodoxie erschüttert und einem unbefangenen
Denken über religiöse Dinge Bahn gebrochen hatten, schien
endlich die Zeit für eine gründliche Reform des Landschul-
wesens gekommen zu sein. Durch die Wahl des Pfarrers
J. R. Ulrich zum Antistes gelangte 1769 ein Mann an die
Spitze der zürcherischen Kirche, der durch seine Her-
kunft mit den geistigen Bedürfnissen der Landbevölkerung
und den Übelständen des Unterrichts in den ländlichen
Schulen völlig vertraut war und es als Herzenssache be-
trachtete, hier die bessernde Hand anzulegen. 4 ) Auf seine
Anregung ließ die „Moralische Gesellschaft" in Zürich 1771
allen Landgeistlichen Fragebogen zukommen, an Hand deren
diese dem Examinatorenkonvent einen eingehenden Bericht
über die Landschulen erstatten sollten. 5 ) Gestützt auf diese
3 ) A. a. 0. pg. 5.
4 ) Über Joh. Rud. Ulrich (1728—1795) s. Zimmermann, die Zürcher
Kirche, pg. 323. Es ist derselbe, dessen Bemühungen es zu verdanken
ist, daß durch Privatwohltätigkeit der Landschulmeisterfond geäufnet
wurde.
5 ) Die an das Examinatoren-Kollegium eingelieferten Berichte, 105
an der Zahl, befinden sich im zürcherischen Staatsarchiv. (E. I. 21 u. Acta
Ecclesiastica vom J. 1772.) Sie haben uns bei der Darstellung des
innern Schuldienstes treffliche Dienste geleistet. Ein Vergleich mit
den in der Stapferschen Enquete enthaltenen Angaben zeigte, daß da»
Unterrichtsverfahren, der Lehrstoff, die Klasseneinteilung u. a. m. zur
Zeit der Helvetik noch dieselben waren, wie etwa 30 Jahre vorher..
Dieses Material bildet somit eine vorzügliche Ergänzung zur Schul—
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— 53 —
Berichte nahm das Examinatorenkollegium die Reform der
Landschulen an die Hand und arbeitete eine „erneute Schul-
und Lehrordnung für die Schulen auf der Landschaft" aus,
die am 26. Oktober 1778 von Bürgermeister und Rat ge-
nehmigt und als „landesherrliche Verordnung teils den Ober-
und Land vögten zu ihrem wissenhaften Verhalt in Absicht
des ihnen in gewissen Fällen zustehenden Gebrauchs des
obrigkeitlichen Ansehens und Mitwirkung zu derer pünkt-
licher Beobachtung, teils aber den Dekanen hiesiger Land-
kapitel zu behender Einführung in sämtlichen Landschulen
ihrer Kapitelsgemeinen, sowie zur Richtschnur für alle
Pfarrer, Stillständer und Schulmeister, dannethin auch den
Examinatoren beyder Stände, denen die erforderliche Exe-
cution aufgetragen ist, die nothwendigen Exemplare zu-
gestellt worden." 1 ) Diese Schulordnung wurde jedes Jahr
vom Pfarrer den Schulvorgesetzten und alle vier Jahre
vor versammelter Gemeinde in der Kirche verlesen.
Die Verbesserungen, die diese „Reform" brachte, be-
zogen sich jedoch mehr auf äußere Momente; am Schul-,
betrieb selbst wurde nichts geändert; Unterrichtsziel, -Stoff
und -Methode blieben dieselben. Bei der damaligen Auf-
fassung des Verhältnisses zwischen Stadt und Landschaft
war eine durchgreifende Reform, wie sie Patrioten vom
Schlage Stapfers vorschwebte, nicht zu denken. Die wesent-
lichen Neuerungen bestanden in der Verlängerung der
„Winterschule" um zwei Wochen, in der allgemeinen Ein-
führung der Sommerschule mit mindestens zwei Tagen
wöchentlichen Unterrichts, einer obligatorischen Repetier-
schule und verschärften Bestimmungen gegen Vernach-
lässigung des Schulbesuchs. Da das Dekret des Voll-
ziehungs-Direktoriums vom 24. Juli 1798 ausdrücklich be-
enquete von 1799; da letztere das Schwergewicht mehr auf die Fest-
stellung der äußern Verhältnisse legte und sich Angaben über den
Schulbetrieb nur spärlich eingestreut finden,
i) Wirz, I. 363.
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— 54 —
stimmte, daß die Schulordnungen und akademischen Gesetz-
bücher, die an jedem Ort bis zur Revolution in Kraft waren,
bis zum Erlaß eines besonderen Unterrichtsgesetzes noch
ferner in allem, was der Konstitution und besondern Be-
schlüssen nicht zuwider sei, zur Regel dienen sollten, 2 ) so
galt diese Schul- und Lehrordnung von 1778 auch noch
zur Zeit der Helvetik; und der Erziehungsrat stützte sich in
seinen Verfügungen stets darauf. 3 )
Die Ausarbeitung eines allgemein helvetischen Unter-
richtsgesetzes *war eine der ersten Aufgaben, die an Stapf er,
als Minister der Künste und Wissenschaften, herantrat.
Schon |am 20. Juli 1798 hatte sich das Vollziehungsdirek-
torium von den legislativen Räten bevollmächtigen lassen,
für die öffentlichen Erziehungsanstalten die erforderlichen
Gesetze und Vorschläge zu entwerfen; 4 ) und so reichte
Stapf er diesem im Oktober desselben Jahres einen Gesetzes-
entwurf über die Volks- oder Elementarschulen ein. Weil
% angesichts der Fälle dringender anderweitiger Staats-
geschäfte keine Aussicht vorhanden war, daß sich die ge-
setzgebenden Behörden bald mit Stapfers Schulgesetz-
entwurf befassen würden, suchte das Direktorium die Er-
laubnis zu erwirken, interimistisch von sich aus das Schul-
wesen zu organisieren. Allein die Räte beschlossen, daß
alle diesbezüglichen Beschlüsse ihnen zur Genehmigung vor-
gelegt werden müßten, um Gesetzeskraft zu erhalten. 5 ) Die
von Stapf er vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen wurden
vom Direktorium durchberaten und vielfach beschnitten,
sodann mit einer vom Minister selbst verfaßten Botschaft
2 ) Strickler, Aktensammlung. IL 610.
3 ) Wir werden noch bei unserer weitern Darstellung der Schul-
organisation und des Unterrichtsbetriebes auf die einzelnen Bestimmungen
dieser Schul- und Lehrordnung ausführlich zurückkommen müssen. Sie
ist enthalten in den Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
4 ) Strickler, Aktensammlung. IL 574.
5 ) Strickler, Aktensammlung. IL 574.
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— 55 —
am 18. November an die gesetzgebenden Räte weiter-
geleitet. Der Große Rat wies den Entwurf an eine Kom-
mission und brachte es, trotzdem Stapfer mehrmals des-
wegen Vorstellungen erhob, erst im März des folgenden
Jahres zur Verlesung im Plenum. Im Laufe derselben wurde
der Schulgesetzentwurf aber so verstümmelt, daß das
Original Stapfers darin kaum mehr erkenntlich war. Nach-
dem die Beratungen endlich am 9. Juli 1799 zum Ab-
schluß gekommen waren, wurde das Ergebnis dem Senate
zugestellt, der die Durchberatung längere Zeit verschob
und den Gesetzesentwurf in der Sitzung vom 2. Januar 1800
verwarf. 1 ) Das Direktorium hatte ihn inzwischen bereits
als Direktorialverordnung den Kantonen zugehen lassen,
und der Zürcher Erziehungsrat war eifrig bemüht, die darin
niedergelegten Bestimmungen, soweit es die Zeitverhält-
nisse gestatteten, auszuführen. Der Inhalt dieses Entwurfes
ist im wesentlichen folgender: In den untern Bürger- oder
Elementarschulen soll den Kindern beiderlei Geschlechts
ein Unterricht erteilt werden, der sie mit den Rechten
und Pflichten des Menschen und Bürgers bekannt macht, .
und durch den sie in den Stand gesetzt werden, irgend einen
Beruf zu ergreifen. -Deshalb ist in jedem Dorf wenigsten^
eine Primarschule zu errichten. Im ersten Kapitel des
zweiten Teils wird die Einsetzung und Wahl des Erziehungs-
rates und der Inspektoren ausgeführt, die wir schon be-
sprochen haben. Die Wahl der Lehrer hat durch den Er-
ziehungsrat auf Vorschlag des Schulinspektors zu ge-
schehen. Jeder. Kanton soll Vorsorge zur Heranbildung
tüchtiger Lehrer treffen; der Betrag des Einkommens der
Lehrer werde von der Regierung später noch bestimmt
*) Die drei Schulprojekte: Stapfers, des Direktoriums und des Großen
Rates finden sich abgedruckt bei Luginbühl, Ph. A. Stapfer, pg. 526
bis 548. Den Entwurf des Direktoriums hat Stapfer auch seinen In-
struktionen für Erziehungsräte und Schulinspektoren beigegeben, pg.
81 u. f.
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— 56 —
werden. Die Gemeinden sind verpflichtet, dem Lehrer eine
Wohnung, einen Gemüsegarten und das für die Schule er-
forderliche Brennholz zu verschaffen. Mit 65 Jahren er-
halten die Lehrer eine Pension, die mindestens die Hälfte
ihres bisherigen Gehaltes betragen soll.
Als Unterrichtsgegenstände in der Primarschule werden
aufgeführt: Lesen, Sprechen, Schreiben, die Anfangsgründe
des Rechnens, der Geographie und der vaterländischen Ge-
schichte, Moral, Staatsverfassung und Gesetzeskunde. Die
Regierung wird die Herausgabe eines Elementarbuches be-
sorgen, das den Bedürfnissen und der Fassungskraft der
Schüler angemessen ist. Der Religionsunterricht wird nicht
mehr vom Lehrer, sondern vom Geistlichen der Gemeinde
erteilt werden. Nach dem Alter und den Fähigkeiten werden
aus den Schülern drei Klassen gebildet. „Der Unterricht
soll dem Gange der Natur angepaßt und so eingerichtet
werden, daß die Aufmerksamkeit des Schülers auf die Be-
griffe, die ihm beigebjracht werden sollen, nur nach und
nach und nach Maßgabe seines Fassungsvermögens geleitet
werde." In den Schulen derjenigen Gemeinden, die ge-
eignete Lehrer und genügende Hilfsquellen besitzen, kann
der Unterricht auf weitere Fächer, wie Geometrie, Feld-
messen, Zeichnen, neue Fremdsprachen, Gesundheitslehre,
Land- und Hauswirtschaft, ausgedehnt werden. Wo es die
örtlichen Verhältnisse erfordern und ermöglichen, sollen
besondere Industrie- oder Erwerbsschulen errichtet werden.
Im Winter sind täglich sechs, im Sommer vier und in
großen Gemeinden das ganze Jahr durch sechs Stunden
Unterricht zu erteilen. Die Kinder werden nicht in die
Schule aufgenommen, bevor sie das sechste Altersjahr
zurückgelegt haben. Ein vom Erziehungsrat für Jeden
Distrikt bestimmter Arzt hat die Schüler und die Schul-
lokalitäten jährlich viermal zu untersuchen. Alle Jahre
halten benachbarte Orte gemeinsam ein Schulfest ab, an
dem „Prämien und Ehrenpfennige zur Aufmunterung an
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— 57 —
die Schüler verteilt werden." Wie weit diese Bestimmungen
im Kanton Zürich zur Ausführung gelangten, werden wir
später zeigen.
Gleich bei Beginn seiner Tätigkeit als Minister hatte
Stapf er bekannte Schulmänner aller Kantone um Einsendung
von Vorschlägen zur Reorganisation des Schulwesens auf-
gefordert; es gingen ihm auch wirklich etwa 20 Erziehungs-
pläne ein; die meisten jedoch erst im Jahre 1799, als sein
Entwurf für ein Schulgesetz schon beendigt war, sodaß sie
dabei nicht mehr benutzt werden konnten. Uns interessieren
hier vor allem die Projekte, die aus dem Kanton Zürich
einliefen, zwei an der Zahl, das eine von Heinrich Heidegger 1 )
das andere von Professor Johannes Schultheß. 2 )
Heidegger wollte das Bildungswesen nach Art des Antik-
griechischen ausgestaltet wissen. Deshalb legte er großen
Wert lauf die Ausbildung des Körpers. Knaben und Mädchen
sollen fleißig im Laufen, Springen, Klettern, Ringen u. a.
geübt werden. Von Zeit zu Zeit seien nach dem Master
der olympischen Spiele allgemeine Volksfeste in jedem
Distrikt abzuhalten, an denen die Jugend ihre Geschick-
lichkeit vor dem Volke zeigen solle; zur Aufmunterung
seien die Namen der Sieger bei den Wettübungen auf einer
Denksäule in der Hauptstadt des Kantons bekannt zu geben.
Von der Einführung solcher körperlichen Übungen verspricht
sich Heidegger viel für die Charakterbildung. „Was ge-
wänne nicht schon der Charakter der Jugend dadurch,"
bemerkt er in seinem Erziehungsplan, „wenn sie beim freien
Spiel gewöhnt würden, Maß und Ziel zu halten und auch
dabei unter gesetzlicher Ordnung zu stehen! Ist das eine
Sittenschule und Gelegenheit, den Volkscharakter zu
bessern?"
!) Bundesarchiv, H. Bd. 1422, f. 77—89.
2 ) Bundesarchiv, H. Bd. 1422, f. 205—208. S. Republikaner II.
283—85.
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— 58 —
Um besser vorgebildete Lehrer zu bekommen, schlägt
Heidegger vor, die Kandidaten der Theologie zu Volks-
lehrern vorzubereiten. Nach Absolvierung des Gymnasiums
würde jeder Visitator einer oder mehrerer Dorfschulen;
als solcher hätte er die Schulen fleißig zu besuchen, die
Schulmeister bei ihrer Arbeit zu beaufsichtigen und selbst
Unterricht zu erteilen. „So würden die Dorfschulmeister
die Unter lehr er sein und jeder geschickte Kandidat würde
dem Schulmeister zu statten kommen."
Prof. J. Schultheß macht in seinem Schulprojekt den
Vorschlag, nur diejenigen das politische Bürgerrecht aus-
üben zu lassen, die einen gewissen Grad von Schulbildung
haben. Wer sich diese zu erwerben weigert, wird des
Bürgerrechts verlustig erklärt. Da Schultheß den Staat
als „eine Gesellschaft zum Zwecke der Sicherung des Eigen-
tums im weitesten Sinne" 1 ) auffaßt, so verlangt er, daß
jeder Schweizerbürger 1. Lesen, Schreiben und Rechnen
lerne, 2. zu nützlichen Erwerbsmitteln angewiesen werde,
3. zu einer allgemein wohltätigen Hauswirtschafts- and
Vaterlandskenntnis gelange und 4. Unterricht in einer
zweckmäßigen Bürgermoral erhalte. Als Bedingung zur
Wahlfähigkeit für öffentliche Ämter fordert er einen Aus-
weis über die dazu nötigen Kenntnisse. Die Schule soll
lediglich eine Institution des Staates sein und seinen Zwecken
dienen. 2 )
In einem an H. Zschokke, den Herausgeber des „Hel-
vetischen Genius" gerichteten offenen Brief, bespricht
Schultheß die Arten der zu errichtenden Schulen. 3 ) Es
sollen deren vier vorgesehen werden, nämlich: 1. Gemeinde-
J ) Republikaner III. pg. 18 u. f.
2 ) „Man hat bis daher die große Menge dazu erzogen, ihr Leben
hinzubringen wie Ochsen, die gedankenlos ihr Joch nach dem Willen
ihres Treibers tragen und wie Affen, die ohne Überlegung nachahmen,
was ihnen vorkommt." (J. Schultheß. Bundesarchiv H. 1422. f. 205 u. f.)
3) Helvetischer Genius II. pg. 112—134.
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— 59 —
oder häusliche Schulen, 2. Bezirks- oder bürgerliche
Schulen, 3. Kantons- oder Gelehrtenschulen, 4. Kunst- oder
wissenschaftliche Schulen. In den ersten lernt man das
Unentbehrlichste für den Hausbedarf, in den zweiten das
Nötige zur Ausübung aller politischen Rechte und zur Be-
kleidung öffentlicher Stellen und Ämter, in den dritten
Gelehrsamkeit überhaupt und in den vierten spezielle Kunst
und „Gelahrtheit"
Der Schulgesetzentwurf Stapfers und einzelne der ihm
eingesandten Projekte gehören zum Besten, sowohl hin-
sichtlich des pädagogischen Inhalts, als auch vom Stand-
punkt des Staatsmannes aus, was in der Zeit der Helvetik
geschrieben wurde. Gemeinsam ist allen die Idee einer
einheitlichen Gestaltung des Erziehungswesens für ganz
Helvetien. Die Einheit, die in politischen Dingen herrschte,
sollte auch auf das Unterrichtswesen ausgedehnt werden.
Darin lag aber gerade eine Schwäche; denn bei den so
sehr voneinander abweichenden sozialen Verhältnissen und
Bedürfnissen in den verschiedenen Landesteilen konnte an
eine einheitliche Gestaltung des Schulwesens nicht gedacht
werden. So äußerte sich auch der Erziehungsrat des Kan-
tons Zürich in einem Schreiben an denjenigen des Kantons
Linth, in dem es heißt: „So wenig man allen Teilen der
Schweiz dieselbe physikalische Beschaffenheit geben und
alle ihre Einwohner zu derselben Lebensart bringen kann,
so wenig kann und darf man Einheit der geistigen Kultur
sich zum Zwecke machen." 1 )
Stapfer selbst war sich der vorläufigen Unausführbar-
keit seines Projektes wohl bewußt; er wollte damit auch
nur ein Ideal aufgestellt haben, dem man sich „stufen-
weise annähern solle". Sein Entwurf darf auch wirklich
als das Leitmotiv betrachtet werden, nach dem hin alle
Bestrebungen im schweizerischen Volksschulwesen orientiert
wurden.
*) Missiven des Erziehungs-Rates. 1801. f. 274.
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— 60 —
3. Die Schulgemeinden.
Ein Vergleich der Anzahl der Schulgemeinden zur Zeit
der Helvetik mit de? jetzigen zeigt, daß schon zu Ende
des 18. Jahrhunderts mit wenigen Ausnahmen die heutigen
Schulen vorhanden waren. Die Bevölkerungszunahme hat
namentlich zu einer Klassenvermehrung in den einzelnen
Schulen, selten aber zur Gründung neuer Schulgemeinden
geführt. Bereits in den ersten „Satzungen für die Land-
schulen" vom Jahre 1684 war geboten worden, daß in
allen Gemeinden „gute und wohlbestellte Hauptschulen"
errichtet werden sollen. Für den Kanton Zürich kam daher
die Verordnung des Vollziehungsrates vom 4. Dezember
1800, worin die Munizipalitäten derjenigen Gemeinden, die
noch keine besondere Schule hatten, aufgefordert wurden,
für die Errichtung einer solchen binnen vierzehn Tagen
besorgt zu sein, nicht in Betracht. 1 ) So weist denn die
Stapfersche Enquete 360 Schulgemeinden auf, die sich auf
die einzelnen Distrikte folgendermaßen verteilen:
Distrikt
Einwohner 8 )
Schulgemeinden
1. Benken
11000
18
2. Andelfingen
9730
29
3. Winlerthur
1118.",
17
4. Elgg
13000
26
5. Fehraltorf
14700
35
6. Bassersdorf
12500
28
7. Bülach
10900
26
8. Regensdorf
11300
24
9. Zürich.
17500
22
10. Mettmenstetten
12650
27
11. Horgen
12000
18
12. Meilen
16300
18
1 3. Grüningen /
10000
19
14. Uster
10200
29
15. Wald
11300
171765
24
360
x ) Strickler, Aktensammlung. VI. 443.
•) Strickler, Aktensammlung. I. 1092 u. f.
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— 61 —
21 dieser Schulen existieren heute nicht mehr, näm-
lich: Hub (bei Neftenbach), Ricketwil (bei Räterschen), Nuß-
berg (b. Schlatt), Tablat (b. Wila), Kellers-Acker (b. Wila),
Ehrikon und Ludetswil (b. Wildberg), Matt (b. Manzenhub),
Mühleberg (b. Ob.-Embrach), Lunnern, Weisen, Landikon,
auf Dorf (b. Männedorf), Toggwil (b. Meilen), Renweg (b.
Wolfhausen), Käpfnach (b. Horgen), Kalktharen (b. Wädens-
wil), Isikon (b. Wallikon), Wellenau (b. Lipperschwendi),
Ried (b. Gibswil) und Werikon (b. Uster).
Die Schulbezirke waren meist von mäßiger Aus-
dehnung. Die größte Entfernung der zum Schulbezirk ge-
hörenden Häuser betrug für 69 Schulen zwei, für 14 drei
und für 6 vier Viertelstunden, für alle übrigen höchstens
eine. 1 ) Die einzelnen Schulbezirke waren überdies nicht
genau abgegrenzt; die Bewohner entfernter gelegener
Höfe schickten ihre Kinder nach Belieben bald in diese,
bald in jene der benachbarten Schulen, weshalb sich der
Erziehungsrat genötigt sah, zu verfügen, daß sich die Eltern
zu Beginn des Schulkurses für eine Schule bestimmt er-
klären sollen, und ein Wechsel des Schulorts nicht jeder-
zeit vorgenommen werden dürfe. 2 )
Welches waren nun die wichtigsten Faktoren, die zur
Gründung neuer Schulen führten, und wie ging diese vor
sich? Die Schulordnung von 1778 bestimmte hinsichtlich
der Errichtung von Schulen Folgendes: „Es sollen in allen
Gemeinden gute und wohlbestellte Hauptschulen seyn und
nirgends, an keinem Orte, von der Gemeinde selber, sondern
solche allein von den verordneten H. H. Examinatoren beyder
Stände geordnet, gutgeheißen und bestätigt werden. Neben
den allbereit wohl eingeführten Schulen sollen nirgends
keine neuen eingeführt werden. Falls aber eine Ge-
x ) Die Entfernung der zum Schulbezirk gehörigen Häuser mußte
in der Enquete in Viertelstunden angegeben werden.
2 ) Protokoll des Erz.-Rates vom 29. Juni 1801.
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— 62 —
meinde die Einrichtung einer neuen Schule verlangen würde,
soll der H. Pfarrer des Ortes pflichtig und verbunden sein,
die für die Notwendigkeit und augenscheinliche Nutzbarkeit
einer solchen neu zu errichtenden Schule vorgegebenen
Gründe, ob und wie zulängliche Unterhaltungsmittel für
eine neue Schule ohne Kränkung und Schwächung anderer
gemeiner Güter, oder Nachteil der Hauptschule wirklich
vorhanden seyen, an das Coltegium der H. H. Examinatoren
im Namen der Gemeinde umständlich und gewissenhaft ein-
zuberichten; da dann Hochgedachte H. H. Examinatoren,
was sie nach reifer der Sachen Erdauerung für jedes Orts
Umstände das nützlichste und heilsamste zu sein befinden,
zu beschließen und zu Verordnen, sich gänzlich vorbehalten."
Diese Bestimmung galt noch zur Zeit der Helvetik;
nur mußten nun die Gemeinden die Bewilligung um Er-
richtung einer Schule bei dem an Stelle des Examinatoren-
Kollegiums getretenen Erziehungsrat holen. Der häufigste
Grund, der zur Lostrennung von einer Schule und zur Er-
richtung einer neuen führte, war die weite Entfernung
vom Schulort. Besonders kommt dieser Umstand für
kleinere Nebengemeinden des zürcherischen Oberlandes in
Betracht, wo wir viel- vereinzelt stehende Höfe finden, die
eine halbe bis ganze Stunde vom Schulort entfernt waren.
Dazu kamen noch die schlechten Wegverhältnisse und vor
allem die Armut der Bevölkerung, die es ihr unmöglich
machte, die Kinder im Winter für den weiten Schulweg
genügend zu nähren und zu kleiden. In solchen Fällen be-
willigte der Erziehungsrat ausnahmslos die Errichtung so-
genannter Nebenschulen. 1 ) Weit seltener hatte die große
Schülerzahl die Entstehung einer neuen Schule zur Folge.
Es gab zwar 36 Schulen mit über 100, und 7 mit über
!) „weil bei der so stark überhand nehmenden Armut die
Kleiderlosigkeit eine Ursache der Nichtbeschulung oder allzu vieler Ab-
senzen werden müßte, wenn sie nicht im Orte selbst Unterricht fänden."
Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 247.
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— 63 —
200 Schülern; doch war gerade in diesen Schulen einerseits
der Schulbesuch meist sehr schlecht, sodaß in Wirklichkeit
viel niedrigere Zahlen in Betracht gezogen werden müssen,
anderseits suchte man sich durch Anstellung eines Schul-
gehilfen oder „Schuladjunkten" zu behelfen. Der Versuch
einer kleinern Gemeinde, sich von einer Hauptschule zu
trennen, scheiterte meist daran, daß es ihr nicht gelang,
die nötige Schulausstattung und die Lehrerbesoldung auf-
zubringen.
Oft wurden in kleinern wie größern Gemeinden „Winkel-
schulen" eröffnet — ähnlich wie wir sie in den Städten
des Mittelalters treffen — zum Schaden der Lehrer an,
den Hauptschulen, die dadurch eines Teils des Schulgeldes
verlustig gingen. Auf mehrfache Klagen der letztern ver-
fügte der Erziehungsrat die Aufhebung aller Winkel-
schulen.
In der Folgezeit knüpfte der Erziehungsrat die Be-
willigung zur Errichtung neuer Schulen jeweilen an die
Erfüllung gewisser Bedingungen. Wir geben als typisches
Beispiel die Bestimmungen, die sich hierüber in der Schul-
urkunde für die Gemeinde Baltiswil (Distrikt Bassersdorf)
finden 2 ):
1. „Die Gemeinde wird dafür sorgen, daß der Schule
ganz ohne des Schulmeisters Zutun und Kosten eine eigene
Stube und zwar immer dieselbe angewiesen werde, welche
für die der Schule einverleibten Kinder geräumig genug sei.
2. Die Gemeinde wird ebenso ohne des Schulmeisters
Kosten und Mühe für die hinlängliche Heizung dieser Stube
auf eine zweckmäßige Weise besorgt sein.
3. Es bezahlt jeder tägliche Schüler den Winter hin-
durch vier Schillinge für die Woche Schullohn, ebenso)
jeder Repetierschüler wöchentlich sechs Heller.
2 ) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 149/50. Akt. v. 18. August.
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— 64 —
4. Die Municipal-Beamten werden für die Einziehung*
dieses Schullohnes sorgen und denselben nach beendigter
Winterschule dem Schulmeister, ohne daß er deshalb im
mindesten bemüht werde, aus ihrer Hand samthaft zustellen.
5. Sollte dieses von den^Kindern zu erhebende Schul-
geld nicht die Summe von 40 Zürcher - Gulden ausmachen,
so verspricht die Gemeinde dem Schulmeister auf andere
Weise auf gedachte Zeit diese Summe vollzählig zu machen,
sodaß sein Einkommen für die Winterschule nie unter 40 f L
kommen dürfte.
6. Für die Sommerschule wird die Gemeinde auch je
nach den Tagen und Stunden, während welcher dieselbe
gehalten wird, den Schulmeister auf eine billige Weise ent-
schädigen.
7. Die Gemeinde und in ihrem Namen die Vorsteher
derselben sind dem Erziehungsrat für die Erfüllung dieser
Punkte verantwortlich."
Durch solche Bestimmungen wollte der Erziehungsrat
bewirken, daß nur Schulen errichtet würden, die auf einer
sicheren ökonomischen Grundlage ruhten, ohne die jede
Weiterentwicklung von vorneherein ausgeschlossen gewesen
wäre.
Welche Arten von Schulen fanden sich nun in den
einzelnen Schulgemeinden vor? Der Beantwortung dieser
Frage können wir verschiedene Einteilungsprinzipien zu-
grunde legen.
1. Ungeteilte und geteilte Schulen: In der Regel wurden
alle Klassen, soweit überhaupt von solchen gesprochen
werden kann, gleichzeitig unterrichtet, d. h., die „alte
Schule" war eine Gesamtschule. Einerseits beruhte dies
darauf, daß die meisten Schulen keine übermäßige Schüler-
zahl aufwiesen, anderseits wurde der Unterricht so
mechanisch betrieben, daß ältere Kinder als Lehrschüler
verwendet werden konnten. Die Zahl der geteilten Schulen
gegenüber den Gesamtschulen ist daher eine verschwindend
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— 65 —
kleine. Wenn aber Raummangel eine Teilung der Schule
erforderte, und die finanzielle Lage der Gemeinde dies ge-
stattete, fand die Trennung merkwürdiger Weise nicht
immer nach Stufen statt. So hatte Elgg bei Anstellung
eines zweiten Lehrers eine „Parallelschule" errichtet, die)
aus zwei Abteilungen bestand, wovon aber jede wiederum
eine Gesamtschule bildete, „wo alles durcheinander lief".
Auf Anordnung des Erziehungsrates mußte sie nach Stufen
getrennt, in eine „Successivschule" umgewandelt werden. 1 )
Solche „Successivschulen" bestanden auch in Eglisau und
Dynhard. Der „Unterlehrer" übernahm den Unterricht der
Jüngern, der „Oberlehrer" den der altern Kinder. Wo die
Mittel der Gemeinde die Anstellung eines zweiten Lehrers
nicht erlaubten, suchte man sich dadurch zu behelfen, daß
man zwei Abteilungen einführte, die die Schule zu ver-
schiedener Zeit besuchten.
2. Eine Teilung der Schule nach Geschlechtern finden
wir besonders in den Städten, in Zürich teilweise, in Winter-
thur durchgehend (6 Knaben- und 4 Mädchenschulen), auf
der Landschaft — soweit wir es ermitteln konnten — einzig
in Stäfa (Parallelschule).
3. In benachbarten Gemeinden, die gemeinsam eine
Schule unterhielten, wurde gewöhnlich jährlich mit dem
Schulort gewechselt; eine solche „Wechselschule" hatten
beispielsweise Dickbuch und Wenzikon im Distrikt Elgg.
4. Nach der Unterrichtszeit, beziehungsweise nach dem
Alter der Schüler, haben wir folgende Schulen zu unter-
scheiden:
a) Alltagsschulen.
b) Repetierschulen. 2 )
*) Missiven des Erz.-Rates. 1803. f. 20.
2) Da die Repetierschulen an den wenigsten Orten der Schweiz be-
standen, so waren sie auf dem Fragebogen der Schulenquete gar nicht
erwähnt. Es wird ihrer daher meist nur in den Anmerkungen gedacht.
Dasselbe gilt auch für die Nachtschulen.
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— 66 —
c) Nachtschulen.
In den Alltagsschulen wurde im Winter täglich, im
Sommer wöchentlich an zwei Tagen Unterricht erteilt.
Die Repetierschule diente, wie der Name andeutet, zur
Wiederholung und Befestigung des in der Alltagsschule
Gelernten. Sie mußte von Knaben und Mädchen bis zur
Zulassung zum heiligen Abendmahl besucht werden. Im
Winter wurden ein bis zwei halbe Tage darauf verwendet»
im Sommer, wo die Kinder an Wochentagen nicht gut von
der Feldarbeit abkommen konnten, wurde sie am Sonntag
nach der Morgenpredigt gehalten. Die Repetierschulen
waren erst in der neuen Schulordnung vom Jahre 1778
für obligatorisch erklärt worden, doch bestanden sie an
vielen Orten schon weit früher. So berichtet Wirz, daß
man bereits 1650 hie und da versuchte, Sommer-Repetier-
schulen zu begründen. 3 ) Im Jahre 1717 habe sodann der
Rat bestimmt, „daß ian den Sonntagen zwischen dem ersten
Zeichen und dem Zusammenläuten alle Knaben und Töchter
sich anderthalb Stunden dazu einfinden sollen."
Außer den obligatorischen Repetierschulen feinden sich
in den meisten Dörfern sogenannte Nachtschulen, die als
erste Anfänge einer Fortbildungsschule zu betrachten sind.
Schon die erste „Schulsatzung" von 1684 erwähnt ihrer.
Die Naohtschulen wurden von der Jugend beiderlei Ge-
schlechts, sobald diese im Lesen geübt war, bis zum
20. Altersjahr oder noch länger („so lang sie ledig") besucht.
In erster Linie diente sie zur Pflege des Kirchengesangs;
doch wurde an manchen Orten auch Unterricht im
Schreiben, Rechnen und biblischer Geschichte damit ver-
bunden. Diese Nacht- oder Singschule wurde zwei- bis
viermal wöchentlich während der Wintermonate abends bei
einbrechender Dunkelheit gewöhnlich zwei Stunden gehalten.
Über den Erfolg dieser Schulen äußern sich die Pfarrer,
3 ) Wirz, I. pg. 364
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— 67 —
denen die Aufsicht darüber oblag, recht absprechend. So
berichtete das Wetzikoner Geistlichepkapitel dem Exami-
natoren-Kollegium hierüber folgendeirmaßen: „Die Nacht-
schulen dienen mehr zum Verderben der Jugend, als zu
ihrer Erbauung; sie sind Hauptanlaß und Anleitung zum
nächtlichen Schwärmen, Anfänge zur Leichtfertigkeit unter
den Größern und zum Teil Kleinern, Anlässe zum Gespötte
über andere Leute; aus den Nachtschulen werden oft die
größten Lügen und Verleumdungen ausgebreitet. Der
Schaden der Nachtschulen überwiegt den Nutzen derselben
um ein überaus beträchtliches." Pfarrer Sal. Pfenninger
faßt sein Urteil über die Nachtschulen in folgende Worte
zusammen: „Si quidem verum est, plus deficere quam pro-
ficere, qui proficiat in litteris et deficiat in moribus." 1 )
Trotzdem sie später nur noch in Gegenwart einiger Vor-
gesetzten gehalten werden durften, ließ die Disziplin in
ihnen noch viel zu wünschen übrig. Die Klagen der Geist-
lichen führten dazu, daß bei der Reorganisation des Land-
Schulwesens von 1778 von den Nachtschulen abgesehen
wurde; statt derselben wurden in der neuen Schulordnung
Singübungen am Sonntag - Nachmittag angeordnet. 2 ) Gleich-
wohl bestanden aber die Nachtschulen, wie aus der En-
quete von 1799 hervorgeht, an vielen Orten zur Zeit der
Helvetik noch fort
5. Privatschulen: Ein Dekret des Vollziehungsrates vom
6. Dezember 1800 bestimmte, daß die Kinder, die die öffent-
lichen Schulen nicht besuchten, sich durch Privatunterricht
eine entsprechende Bildung zu erwerben hätten. 3 ) Eine
Proklamation des Erziehungsrates vom 23. März 1802
brachte den Gemeinden diesen Beschluß in Erinnerung und
x ) Akten Landschulwesen. E. I. 21. (Staatsarchiv Zürich.)
2 ) Die Sonntag-Singschulen, wie die Repetierschulen bestanden im
Kanton Zürich bis 1900, in welchem Jahre sie durch Annahme des
neuen Volksschulgesetzes beseitigt wurden.
3 ) Strickler, Aktensammlung VI. 450/51.
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— 68 —
beauftragte die Schulinspektoren und Geistlichen, über die
Vollziehung desselben zu wachen und nötigenfalls solche
-Privatunterricht genießende Kinder zu den ordentlichen
öffentlichen Prüfungen herbeizuziehen, wo sie sich über
die erforderlichen Kenntnisse ausweisen sollten. 4 ) So finden
wir denn in jener Zeit eine Reihe teils niederer, teils
höherer Privatschulen in der Stadt, wie auf der Landschaft.
Im Jahre 1800 war durch Stapfer die Aufmerksamkeit der
helvetischen Regierung auf Pestalozzi gelenkt worden, der
seine pädagogische Tätigkeit in Burgdorf im Juli 1799 an
der „Hintersäßenschule" begonnen hatte. Seine Wirksam-
keit fand von dieser Seite die wärmste Anerkennung und
Unterstützung. Stapfer und die Regierung ermöglichten
ihm die Herausgabe seiner Elementarbücher, und ein durch
eine Kommission ausgefertigter Bericht machte sein neues
Unterrichtsverfahren weitern Kreisen bekannt. Dies führte
zur Gründung besonderer Privatschulen, der „Pestalozzi-
schulen", in denen die neue Methode erprobt werden sollte.
Solche Schulen entstanden in Zürich durch die Erziehungs-
räte Gessner und Prof. Bremi angeregt und in Stäfa, letztere
von dem späteren Kreislehrer und Erziehungsrat J. J. Dänd-
liker geleitet, der sich bei Pestalozzi in Burgdorf selbst
mit der Methode vertraut zu machen gesucht hatte. 5 ) Die
„Pestalozzischulen" in Zürich scheinen sich besonders eines
regen Besuchs erfreut zu haben; die Lehrer an den
städtischen „Hausschulen" beklagten sich nämlich beim Er-
ziehungsrat, daß dadurch ihren Schulen die Kinder ent-
zogen würden, und es ihnen nicht möglich sei, die nötigen
Elementarbücher anzuschaffen, um sich in die neue Methode
einzuarbeiten. 6 )
*) Helvetische Akten, Staatsarchiv Zürich. K. II. 93.
5) Protokoll des Erz.-Rates. 1802. f. 134/35 u. Missiven. 1802.
f. 161. Hunziker, Gesch. d. Schweiz. Volksschule. IL p. 232.
6 ) Protokoll des Erz.-Rates. 1803. f. 9/10.
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— 69 —
In größern Gemeinden taten sich etwa eine Anzahl
wohlhabender Familien zusammen, um durch Gründung einer
Privatschule ihren Kindern nach den in der öffentlichen
Volksschule erworbenen notdürftigen Kenntnissen eine an-
gemessene Weiterbildung zu ermöglichen. In den Städten,
namentlich in Zürich, waren wohl den verschiedensten
Zwecken dienende Lehranstalten vorhanden; auf der Land-
schaft aber entstanden solche nur vereinzelt durch Privat-
initiative.
Solche höhere Schulen wurden in Mettmenstetten,
Wädenswil, Höngg, IJster, Küsnacht und Meilen gegründet.
In Mettmenstetten war im Jahre 1798 durch 17 bemittelte
Hausväter ein Institut zur Weiterbildung ihrer Söhne er-
richtet worden, in dem in einem dreijährigen Kursus Unter-
richt im Lesen, Schreiben, Orthographie, französischer
Sprache, Moral und Erklärung der helvetischen Konstitution
erteilt wurde. Um der Schule mehr Ansehen zu verschaffen,
nahm sie der Erziehungsrat auf Wunsch der Hausväter
unter seine Aufsicht. 1 )
Das Institut auf dem Schloß Wädenswil war eine all-
gemeine Erziehungsanstalt für alle Stände, „hauptsächlich
aber für junge Leute, die sich auf ein wissenschaftMcheiSi
Fach, auf die kaufmännische, technische oder militärische
Laufbahn vorbereiten wollten." 2 )
In Höngg wurde 1801 der Versuch gemacht, für die
der Volksschule entlassenen Knaben und Mädchen eine Art
Sekundärschule zu gründen, in der man Schreiben, Ortho-
graphie, Rechnen und die Anfangsgründe der französischen
Sprache lehrte. 3 )
!) Protokoll des Erz.-Rates. 1799. pg. 77.
2 ) Steinmüller, II. pg. 385/86 u. Helvetische Akten. Staatsarchiv
Zürich. K. IL 96.
3) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. f. 177 u. Missiven. 1801. f. 281.
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— 70 —
In Uster bestand seit 1780 4 ) eine Ober- oder Real-
schule für „Pfarrkinder", d. h. für die der Alltagsschule
entlassene Jugend, die noch religiöse Unterweisung erhielt.
Als Unterrichtsgegenstänäe werden angeführt: Lesen,
Schreiben GtBriefe, Obligationen, Quittungen, Kauf- und
Tauschzettel"), Orthographie und Interpunktion, Rechnen,
„Landkarten und Geometriekunst". Auf Anordnung des
Stillstandes mußte sich der Lehrer H. Meyer die zur Leitung
der Schule nötigen Kenntnisse im Waisenhaus in Zürich
aneignen.
Im Jahre 1800 machte Pfarrer H. R. Maurer den Ver-
such, eine „Kreis- oder Distriktsschule" in Affoltern (Di-
strikt Mettmenstetten) ins Leben zu rufen. Diese sollte
erstens das in den Volksschulen Erlernte fortsetzen und
vervollkommnen, zweitens die für Bekleidung öffentlicher
Ämter nötigen Kenntnisse vermitteln und drittens zur Aus-
bildung von tüchtigen Handwerkern dienen. Als Unter-
richtsfächer waren vorgesehen: Religion, „deutsche Sprache
nach Regeln mit Leseübungen", Geschichte, Naturkunde,
Meßkunst und für den obersten Kurs „Gründe der came-
ralischen und landwirtschaftlichen Kenntnisse". Der ganze
Schulkurs sollte drei Jahre dauern mit wöchentlich 24 — 25
Unterrichtsstunden; 20 Knaben machten die kleinste, 25
die größte Schülerzahl aus. Die Unkosten wären auf den
einzelnen Schüler im ganzen nicht über 50 Zürcher - Gulden
zu stehen gekommen. 1 ) Die projektierte Schule kam jedoch
nicht zustande; denn auf der Landschaft wurde dem Bildungs-
wesen noch wenig Interesse entgegengebracht. Maurer
äußerste sich über das Resultat seiner Bemühungen im
Helvetischen Volksblatt 2 ) wie folgt: „Nur zween einzige
4 ) Enquete 1799; nach einer Bemerkung im Protokoll des Erz.-Rates
vom 9. Mai 1799 schon seit 1760.
x ) Kurzer Entwurf einer Kreisschule, welche zu Albis-Affoltern ver-
anstaltet werden könnte, v. H. R. Maurer, Zürich 1800.
2 ) Helvetisches Volksblatt I. pg. 172/73.
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— 71 —
Knaben wurden zur Schule, so wie sie projektiert war,
mir empfohlen Einige will bedünken, es bedürfe
für den Landmann so großer Anstalten nicht, und ein seine
Welt wohl kennender Mann vermutete, der Mangel eines
einzigen Artikels bringe alles ins Stecken, daß nämlich
nicht eine Entschädigung für den zu machenden Zeitaufwand
für die Eltern der Knaben ausgesetzt und versprochen
worden. Im Ernst von einer so gar ernsthaften und wich-
tigen Sache zu reden, so scheint jeder Vorschlag dieser
Art noch zu frühe. Man sollte den Frieden und die Ruhe
des Vaterlandes, man sollte die Bekanntmachung der Grund-
sätze der Regierung über die Erziehung der jungen Bürger,
man sollte frohere gewissere Aussichten in die Zukunft
und statt gegenwärtiger Erschlaffung und Gleichgültigkeit,
den Zeitpunkt nicht ausbleibender Tätigkeit und Frohsinns
abwarten. Allerdings scheint es, daß unser Landvolk noch
keinen Geschmack an Kenntnis und Wissenschaft, die nicht
bald und reichlich Brot im Haus, Ehre und Gewalt mit
sich bringt und schon zum voraus in der Perspektiven zeigt,
habe."
Noch müssen wir zum Schlüsse der besondern Arten
von Schulen in den Städten Zürich und Winterthur Er-
wähnung tun.
In Zürich bestanden nach der Enquete von 1799 folgende
niedere oder Volksschulen:
1. Sieben Haus- oder Elementarschulen.
2. Eine Armenschule.
3. Zwei deutsche Schulen.
Die sieben Haus- oder Elementarschulen waren auf die
einzelnen Quartiere der Stadt verteilt und den ver-
schiedenen Kirchgemeinden zugehörig. Knaben und Mäd-
chen erhielten darin ihren ersten Unterricht im Lesen,
Schreiben, Religion und Singen. Die Armenschule stand
auf der Stufe der Hausschulen; sie hatte jedoch keinen
besonderen Schulbezirk, sondern vereinigte die dürftigen
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— 72 —
Kinder der ganzen Stadt, die nicht imstande waren, ein
Schulgeld zu bezahlen. Diejenigen Knaben, die das 7. Alters-
iahr zurückgelegt hatten und Lesen und Schreiben konnten,
traten aus der Hausschule in eine der beiden dreiklassigen
deutschen Schulen, wo sie, besonders durch Unterricht in
der deutschen Sprachlehre, zur Aufnahme in die Realschule
vorbereitet wurden.
In Winterthur waren die niedern und höhern, die
deutschen und die Lateinschulen zu einer Schulanstalt ver-
einigt, an deren Spitze ein Rektor stand. Im Jahre 1789
war die vierklassige Knabenschule zu einer sechsklassigen
erweitert worden. Die ersten" beiden Klassen, in denen
Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion, deutsche Sprachlehre,
Erdbeschreibung und vaterländische Geschichte Unterrichts-
fächer waren, dienten zugleich als Vorbereitungsstufe für
die Lateinklassen. Für die Mädchen waren vier besondere
Klassen vorgesehen mit Unterricht im Lesen, Schreiben,
Rechnen, Religion und Nähen. An diesen Abteilungen
wirkten fast ausschließlich Lehrerinnen. 1 )
4. Oekonomische Verhältnisse.
a. Schulausstattung.
Nach der Schulordnung von 1778 waren die Gemeinden
verpflichtet, die Schule auszustatten. Der Gedanke, daß
es dem Staate zukomme, die Gemeinden hierbei finanziell
*) Der Bericht von Winterthur von 1799, ausgefertigt vom Rektor
und Schulinspektor Ulr. Hegner, enthält nur Angaben über die Zahl
der Schulabteilungen und Schüler, das Lehrpersonal und dessen Besol-
dungen; im übrigen verweist Hegner auf einen zweiten von ihm ver-
faßten und an den Erziehungsrat eingesandten ausführlichen Bericht
über die Organisation des Schulwesens in Winterthur. Leider ist dieser
im zürcherischen Staatsarchiv nicht vorhanden; er scheint in den be-
wegten Zeiten der Helvetik verloren gegangen zu sein.
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— 73 —
zu unterstützen, lag, wie wir schon früher gezeigt haben,
der damaligen Zeit noch fern.
Durch die neue helvetische Staatsform war die Auf-
gabe der Schule erweitert worden; die Interessen des
Staates waren mit der Weiterentwicklung der Schule aufs
engste verknüpft. Es lag daher ganz im Sinne und Geiste
der neuen Verfassung, daß sich der Staat auch an der
Schaffung der ökonomischen Grundlage für die Schule be-
teiligte. In welcher Weise dies aber geschehen solle, war
nirgends näher ausgeführt. Da sich der Staat überdies
durch Aufhebung der Zehnten und Grundzinse seiner Ein-
nahmequellen beraubt hatte, so war er überhaupt nicht
imstande, vorläufig irgendwelche erheblicheren Auf-
wendungen zu Gunsten der Volksaufklärung zu machen.
In Wirklichkeit blieben somit die Verhältnisse dieselben,
wie vorher; die Ausstattungspflicht lag auch fernerhin bei
den Gemeinden.
Worin bestand diese Schulausstattung?
In der Schulordnung war bestimmt, daß jede Gemeinde
für ein eigenes Schulhaus oder wenigstens für eine Schul-
stube zu sorgen habe. Trotzdem besaßen bloß 110 oder
31% der Gemeinden ein besonderes Schulhaus, von denen
aber wiederum auch ein Drittel nicht den geringsten An-
forderungen genügte. In der Enquete findet sich oft die
Bemerkung „alt und baufällig".
In nachfolgender Tabelle geben wir eine Zusammen-
stellung der Arten der Schullokale und ihrer Beschaffenheit,
die wir noch durch einige Bemerkungen ergänzen wollen.
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— 74 —
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— 75 —
Die Schülhäuser wichen in ihrem Äußern nicht von
dem bürgerlicher Wohnhäuser ab; meist bestanden sie nur
aus einer Schulstube und einer Wohnstube für den Lehrer,
doch fehlte letztere oft; nur der Lehrer in Wollishofen war
so glücklich, außer der Schulstube noch eine Wohnung,
bestehend aus drei Kammern und einem Keller, zu besitzen.
Der Unterhalt der Schulhäuser wurde aus dem Gemeinde-
oder auch aus dem Kirchengut bestritten. Da die Unter-
richtslokalitäten von den Gemeinden selbst, ohne jegliche
Unterstützung von Seite des Staates, erbaut oder gekauft
worden waren, glaubten sich die Munizipalitäten berech-
tigt, darüber nach Belieben zu verfügen. So hatte die
Gemeinde Niederweningen ihr Schulhaus an den Schul-
meister um 600 fl. verkauft, weil es reparaturbedürftig
war, und sie sich auf diese Weise die Unkosten ersparen
wollte. 1 ) Ähnliches geschah auch in Nürensdorf, wo die
Gemeinde das Schulhaus infolge Geldverlegenheit ver-
äußerte, ohne den Lehrer für die dadurch erlittene Woh-
nungseinbuße zu entschädigen. 2 ) Da die Gemeinden ge-
wöhnlich die Reparaturkosten scheuten, wurde das Schul-
haus nicht gehörig unterhalten; so blieb dem Lehrer oft
nichts anderes übrig, als es auf seine eigenen Kosten wieder
notdürftig in Stand stellen zu lassen.
Die Gemeinden, die kein besonderes Schulhaus besaßen,
und deren die Enquete 246 oder 69% aufweist, suchten
auf irgend eine Weise eine Unterkunft für die Schule zu
schaffen. Entweder stellten sie eine Stube im Gemeinde^
haus zur Verfügung oder mieteten eine geeignete Privat-
stube. In der Mehrzahl der Fälle jedoch wurde es dem
Lehrer überlassen, für das Schullokal zu sorgen. So finden
wir denn 126 Schulen oder 35%, die im Hause des Lehrers
gehalten wurden. Nicht selten war dieses Moment für die
!) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. f. 108/09.
2 ) Missiven des Erz.-Rates. 1801. f. 201.
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— 76 —
Wahl des Lehrers ausschlaggebend; wer im Besitz eines
Hauses oder wenigstens einer geräumigen Stube war, hatte
am meisten Aussicht, das Schulamt zu erhalten. Wo keine
Stube für die Dauer der Schulzeit gefunden werden konnte,
wanderte die Schule von Haus zu Haus, so in Ramsberg
(Distrikt Elgg), Hasel (Distr. Fehraltorf), Ebertswil (Distr.
Mettmenstetten) 3 ) u. a. 0. Wenn der Lehrer seine eigene
Stube zur Benutzung hergab, bezahlte ihm die Gemeinde
meist eine Entschädigung; doch waren die Verhältnisse in
dieser Beziehung so verschiedene, daß sich keine allgemein
gültige Norm aufstellen läßt.
Über die Größe der Schulräume fehlen uns nähere An-
gaben; doch läßt sich aus den häufigen Klagen der Lehrer
in den Schulberichten erkennen, daß sie oft ungenügend
waren und auch hinsichtlich Beleuchtung und Lüftung sehr
zu wünschen übrig ließen. Pfarrer Gessner in Ossingen
berichtet hierüber: „Ich besuchte die Schule und fand mehr
als 80 Kinder bei dem Schulmeister und einem Adjunkten
in einer großen Stuben, davon ein beträchtliches Teil so
dunkel ist, daß Kinder im Winter weder am Morgen um
8 Uhr und auch nicht Nachmittags um 2 Uhr lesen können." x )
Die Schulordnung bestimmte, daß die Fenster fleißig zu
öffnen, und die Schulen vor- und nachmittags „eine halbe
Stunde mit Reckholder 2 ) zu beräuchern" seien. 3 ) Stapf er
versuchte in seinen Instruktionen für Erziehungsräte die
Aufmerksamkeit der Unterrichtsbehörde auch auf die Ver-
besserung der Schullokale zu lenken. Sie sollten dafür
sorgen, daß die für den öffentlichen Unterricht bestimmten
3 ) Enquete 1799.
x ) Akten, Landschulwesen 1792. Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
2 ) Wachholder.
3 ) „Um dem üblen Geruch abzuhelfen, hat jeder Schulmeister einen
ausgehauenen Stein mit Glühte darin, worauf er täglich 2 — 4 Mal
verschnittene dünne Wachholderstauden verbrennen muß." (Aus einem
Schulbericht von Kloten. Akten, Landschulwesen. E. I. 21.)
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— 77 —
Häuser ein gefälliges Aussehen bekämen, weil die Jugend
sich hier nachhaltige Eindrücke hole und dadurch die
Achtung für alles, das auf den öffentlichen Unterricht Be-
zug habe, erhöht werde. Bei jedem Schulhause solle ein
freier, zum Teil auch bedeckter Platz sein, wo den Kindern
nach oder zwischen den Lehrstunden Spielgelegenheiten ge-
boten würde. Solche Annehmlichkeiten würden den Reiz
des Schulgehens und die Munterkeit der Kinder erhöhen. 4 )
Zur Heizung der Schulstube brachte jedes Kind täg-
lich ein Scheit Holz; bei großer Kälte oder schlechter
Witterung blieben jedoch viele Kinder zu Hause, sodaß die
Schulstube nur ungenügend erwärmt werden konnte. Statt
des Holzes wurde auch dem Lehrer wöchentlich von jedem
Schüler eine Entschädigung von 6 Hellern bezahlt. In der
Folgezeit suchte der Erziehungsrat die Gemeinden, besonders
bei Neuerrichtung von Schulen, zu hinlänglicheren Holz-
lieferungen zu verpflichten. Nach einem Beschluß der ge-
setzgebenden Räte wurde den ärmern Gemeinden Holz aus
den „Nationalforsten" bewilligt. So bekam beispielsweise
Hirzel (Distrikt Horgen) jeden Winter zwei Klafter Holz
aus der „obrigkeitlichen Waldung". 5 )
Entsprechend dem Äußern, war auch die innere Aus-
stattung der Schulräume überaus ärmlich. Tische, deren
man nur beim Schreiben bedurfte, fanden sich aus Raum-
mangel nur wenige; für den übrigen Unterricht genügten
Bänke. Die Schulbücher wurden auf Kosten der Schüler
angeschafft, nur den ärmern wurden sie unentgeltlich aus
den staatlichen Almosenämtern (Töß, Rüti oder Kappel)
geliefert. 1 )
*) Stapfer, Instruktionen für Erziehungsräte und Schulinspektoren,
pg. 43.
5 ) Helvetische Akten. Staatsarchiv Zürich. K. II. 96.
x ) Schon in der Reformationszeit war das Annenwesen organisiert
worden. Die ganze Landschaft Zürich war in drei besondere Bezirke
eingeteilt, und jedem dieser ein säkularisiertes Kloster auf dem Land
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— 78 —
Von alter Zeit her hatte sich in manchen Gemeinden*
der Brauch erhalten, daß der Lehrer den Schülern auf
seine Kosten die Schreibmaterialien (Tinte, Federn und
Papier) lieferte. Ehedem hatte es eben nur wenige
„Schreiber" und diese gehörten meist der Familie des Lehrers
an; «später, als im|mer mehr am Schreibunterricht teil-
nahmen, erhielt der Lehrer für seine besondere Mühe noch
eine kleine Entschädigung. Seine Mehrauslagen waren aber
oft größer als seine Mehreinnahmen, sodaß er gewöhnlich
kein Interesse hatte, in seiner Schule „viele Schreiber zu
haben". Der Erziehungsrat verordnete deshalb, daß die
Schüler 'selbst für die Schreibmaterialien zu sorgen hätten. 2 )
Zur Zeit der Helvetik war der Mangel an geeigneten
Schullokalen noch fühlbarer lals vorher. Trotzdem das Voll-
ziehungsdirektorium am 24 Juli 1798 anbefohlen hatte,
„daß die zum öffentlichen Unterricht nötigen Gebäude nicht
zu anderen Zwecken verwendet werden dürfen," 3 ) wurde
eine große Zahl der Schullokale von den französischen
Truppen requiriert und als Wachtstuben verwendet. In
kleinern Dörfern war im Jahre 1799 oft keine Stube frei
von Einquartierung; auch der Lehrer war genötigt, die
seinige zur Verfügung zu geben, sodaß an solchen Orten
die Schule eingestellt oder nur unter argen Störungen ge-
halten werden konnte. Die vom Militär benutzten Schul-
häuser wurden arg beschädigt; einzelne gingen sogar in
Flammen auf, so in Dübendorf, Weyach u. a. 0. Zum
angewiesen worden (Töß, Rüti und Kappel), aus dessen Einkünften die
Armen unterstützt wurden. Diese Klöster wurden später zum Sitz
obrigkeitlicher Verwaltungen" unter dem Namen „Ämter". Wenn die
Armenunterstützung von dieser Seite nicht ausreichte, wandte man
sich an das besondere Almosenamt in der Stadt Zürich oder an das
Kirchengut derjenigen Gemeinde, der die Armen zugehörten. (Näheres
s. b. Wirz I. pg. 435 u. f.; 496 u. f.)
2) Missiven des Erziehungsrates. 1802. f. 213.
3 ) Helvetische Akten, Staatsarchiv Zürich. K. II. 93.
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— 79 —
Wiederaufbau abgebrannter Schulhäuser bewilligte die Ver-
waltungskammer unentgeltliche Abgabe von Baumaterialien,
wie Holz, Kalk und Ziegeln; denn an eine Unterstützung
der geschädigten Gemeinden mit Geld war in jenen Zeiten
nicht zu denken. 4 )
Bei Wiederbesetzung erledigter Schulstellen oder bei
Schulgründungen stellte der Erziehungsrat jeweilen der Ge-
meinde zur Bedingung, für „ein besonderes, hinreichend
geräumiges und helles Lehrzimmer und genügsame Feue-
rung" zu sorgen. 6 ) Dieser behördlichen Vorschrift wurde
aber nur im langsamsten Tempo oder zuweilen gar nichti'
nachgekommen. Nicht nur fehlte es aus der Zeit des alten
Regime her an Interesse für die Schule, — einzelne Ge-
meinden waren direkt zu arm, um eine ordentliche Schul-
ausstattung beschaffen zu können, dazu waren die hygi-
enischen Grundsätze der Zeit noeh recht schwankende; sie
spielten nicht entfernt die entscheidende Rolle bei der Wahl
von Schullokalitäten, die man ihnen heute überläßt. Endlich
ist zu bedenken, daß der damalige Unterrichtsbetrieb keiner-
lei reichhaltige innere Schulausstattung nötig machte.
Hören wir zur bessern Illustration des Vorstehenden
einige Lehrer selbst an, wie sie sich in der Enquete ver-
nehmen lassen!
Stadel: „Kein Schulhaus. Es ist nur eine Schulstube
im Pfarrhaus. Da sie aber auf der Mitternächtlichen Seite
des Hauses angebracht und ein alter dicker Ofen darin, der
nicht zu erheizen, so ist sie bei kaltem Wetter unmöglich
zu erwärmen. Die Kirche und Gemeinde muß sie bauen
und unterhalten und so ist diese Stube zugleich die Ge-
meindstuben. Zur Zeit des Schulhaltens aber werden die
4 ) Die Gemeinde Dübendorf erhielt vier Tannen zum Wiederaufbau
des abgebrannten Schulhauses. (Helvetische Akten, K. II. 95. 9. Ok-
tober 1800.)
6 ) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 177.
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— 80 —
Gemeindsversammlungen sehr selten darin abgehalten. Zum
Heizen der Schulstube bringt jedes Alltagschülerkind aus
Stadel täglich ein Scheit Holz. Die Kinder von Schupfen
aber bringen kein Holz, sondern jedes bezahlt wöchentlich
6 hlr., welches dato wegen Teuren Preiss des Holzes nicht
hinlänglich ist. Es geschieht auch oft, daß wegen großer
Kälte oder Stürmischem Wetter oder wegen Krankheiten
fast die Hälfte der Kinder zu Hause Bleibt, da dann auch
das Holz zurückbleibt und dann die Schulstuben nicht be-
hörig geheizt werden kann, weil die Gemeinde sonst kein
Holz zur Schule giebt, sodaß der Schulmeister gerade diesen
kalten Winter mehrere mahle genötiget war, die Schul-
kinder in seine eigene Wohnung kommen zu lassen." 1 )
Weiningen: „Zur Schule dienet nur eine Stube in
dem Gemeindehause, allwo auch noch zwey Partheyen mit
ihren Haushaltungen wohnen; bisher diente sie zur Wacht-
stube, den Canonier von der reitenden Artillerie 13 Wochen
lang, hat Reparirens bedörfen." 2 )
Laupen (b. Wald): „Schul-Hauss ist hier keins, ich
mus in meiner eigenein wohnstuben die Schule halten und
meine Hausgenossen alle Tag hinwegschicken, auch haben
wir dann noch sehr eng darin, wass an Tischen und Stühlen
mangelt, das zalt das Gemeindgut." 3 )
Höri: „Weil der Schulmeister bisher die Schulstuben
mit aller Zubehör in seinen eigenen Kosten hat müssen
unterhalten: In seiner eigenen Wohnstuben, so ist es sehr
ungesund und unbequem. Insonders wo Kranken und Kind-
betterinnen sich befinden." 4 )
Daß auch in der Stadt Zürich die Lokalitäten der öff ent-
liehen Volksschulen nicht überall in bestem Zustande waren,
x ) Enquete 1799. Bundesarchiv. H. Bd. 1471.
2 ) Enquete 1799. Bundesarchiv. H. Bd. 1471.
3 ) Enquete 1799. Bundesarchiv. H. Bd. 1421.
4 ) Enquete 1799. Bundesarchiv. H. Bd. 1471.
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— 81 —
zeigt der Bericht des Lehrers an der Hausschule beim
Fraumünster, dem wir folgende Stelle entnehmen:
„Rücksichtlich des Orts dieser Schule mag wohl noch
keine andere in solche fatale Lage gekommen seyn.
Ao. 1785 war ein dunkler Eingang von zwei Treppen, welche
nicht zum besten konditionirt waren, übrigens das Wohn-
und Schulgemach, welches eins und eben dasselbe war,
geräumig und heiter. Ao. 1787 wieder eine andere Woh-
nung, 2 Treppen hoch — klein, etwas finster, in einer
kleinen Nebengasse. Schul- und Wohnstube ein und eben
dasselbe. Ao. 1789 die Wohnung heiter, aber äußerst klein.
Ao. 1792 Wohn- und Schulstube ein und dasselbe. Kam
man so gerade von der Gasse in die Stube, so sah man —
nichts. Nachher kam man auf den untern Boden, welcher
der Gasse eben lag, etwas, das einer Schule ähnlich sähe
oder sehen sollte; aber gerade vor den Fenstern war der
Ort, wo man die Schweine zu schlachten pflegte. Ao. 1794
Wohn- und Schulgemach ein und dasselbe, die Stube selbst
heiter, aber nicht geräumig. Zwischen den Jahren 1789
bis 1791 zeigte sich keine Gelegenheit für die Schule,
weil hier wohl zu bemerken ist, daß Leute, die eine Woh-
nung verleihen können, jeden andern eher aufzunehmen
pflegen, als einen Schullehrer mit seiner Schule, desnahen
es auch kömmt, daß diejenigen Schullehrer in unserer Stadt-
gemeinde, welche nicht in bestimmt angekauften Wohnungen
Schule haben, immer die schlechtesten Wohn- und Schul-
gemächer inne haben. Ao. 1797 — 98 eines der schlechtesten
Wohngemächer, wo es bey nasser Witterung öfters auf
Lehrer und Kinder hinabregnete, und dennoch wurde von dem
Eigentümer des Hauses keine Schule geduldet. Auf den
September 1798 zeigte sich eine Gelegenheit für die Schule,
aber kein Wohngemach in der nehmlichen Gemeinde für
den Lehrer, sodaß dieser beynahe eine halbe Viertel Stund
Wegs zur Schule hat, und ein Wohngemach von 70 fl.
verzinsen muß. Obige Gelegenheit vor die Schule dauerte
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— 82 —
aber nicht länger, als bis es kälter wurde, da sie wegen
Mangel eines Ofens auf die ehemalige Zunft zum Kamel
versetzt wurde und zwar durch gütige Verwendung des
B. Diaoons Gessner. Im Laufe nun dieser öftern fataleii
Schullage dieser Gemeine, verwendete die vorige Re-
gierung auf eingelangte Bittschrift die Summe von 2000 f 1.
und ebensoviel die Gemeine zum Ankauf und Einrichtung
eines der besten Wohn- und Schulgelegenheit in der Groß-
münster-Gemeinde." *)
b. Schulfonds.
Wie schon zu Beginn dieser Abhandlung gezeigt worden
ist, bestanden im Kanton Zürich zwischen Kirche und Schule
bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts sehr enge Be-
ziehungen; denn die Schule war eines der Hauptmittel ge-
wesen, die Ideen der Reformation ins Volk zu leiten und
im Volksbewußtsein zu sichern. War so die Schule gleich-
sam eine Filiale der Kirche, so war diese auch von jeher
darauf bedacht gewesen, ihrer Tochteranstalt zu einer
sicheren wirtschaftlichen Grundlage zu verhelfen, zwar nicht
offiziell und meist nicht aus eigenen Mitteln, aber doch
in der Form, daß sie wirksam an die private Schenk-
freudigkeit zu Gunsten der Schule appellierte und die ihr
selbst aus dieser Quelle zuströmenden Mittel teilweise nach
den Unterrichtsanstalten hin ablenkte. Schon zur Zeit der
Zürcher Reformatoren galt es für verdienstlich, daß wohl-
habende Bürger „Schulfonds" stifteten, deren Zinsen und
sonstige Erträgnisse in der Regel würdigen und bedürftigen
Schülern der städtischen höhern Lehranstalten — besonders
Theologiestudierenden — zufallen sollten; immerhin wurde
bei derartigen Stiftungen auch der niederen Volksschulen
gedacht. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als
man sich mit der Reorganisation des Landschulwesens be-
!) Enquete 1799. Bundesarchiv. H. Bd. 1471.
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— 88 —
schäftigte, erkannte man, daß jeder Versuch hierzu scheitern
mußte, solange die verfügbaren Geldmittel völlig unzuläng-
liche seien; denn bei der überaus ärmlichen Besoldung der
Schulmeister war nicht daran zu denken, bessere Elemente
zu diesem Berufe heranzuziehen und höhere Anforderungen
an ihre Leistungen zu stellen. Der Reorganisation des
innern Schulbetriebes mußte unbedingt eine solche der
ökonomischen Verhältnisse vorangehen. Diese durch die
Tatsachen aufgedrungene Erkenntnis führte durch Privat-
initiative teils zur Errichtung neuer, teils zur Bereicherung
schon bestehender Fonds, deren Erträgnisse namentlich zur
Besserstellung der Lehrer verwendet wurden.
Nach der Stapferschen Enquete und einem Bericht der
Munizipalität Zürich an die Verwaltungskammer vom Jahre
1798 zu Händen des Ministers der Künste und Wissen-
schaften bestanden folgende für das Volksschulwesen in
Betracht kommende Fonds 1 ):
1. „Der Schulmeisterfond für Stadt und
Land". Dieser Fond war 1705 von zwei Stadtbürgern,
den Gebrüdern Scheuchzer, gestiftet und bis 1714 von
ihnen selbst, von dieser Zeit an vom Examinatoren-Kollegium
verwaltet worden. 1777 betrug er ca. 2800 Pfund; 2 ) die
Zinsen wurden zur Unterstützung gering besoldeter Schul-
meister auf dem Lande verwendet. 3 ) Im September 1776
erließ der Examinatorenkonvent durch den Antistes Ulrich
einen Aufruf an die Mitbürger zur Stärkung dieses Fonds,
der nicht unerhört blieb; durch Vergabungen und Vermächt-
nisse wuchs er innerhalb eines Jahres um 8000 'S und Ende
1797 betrug er 41,857 <8 10 ß. 4 ) Nach der Enquete bezogen
*) Helvetische Akten. Staatsarchiv Zürich. K. II. 93.
2) 1 Zürcher Gulden (fl.) = 2 Pfnnd (S) = 40 Schilling (ß) =
480 Heller (hlr.). 1 fl. entspricht ungefähr einem heutigen Werte von
2 Frk.
8 ) Wirz, I. pg. 431; Helvet. Akten. K. IL 93.
4 ) Helvetische Akten. K. H. 93.
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— 84 —
etwa 40 Lehrer aus den Zinsen dieses Fonds jährliche Zu-
schüsse von 2V2 — 15 ffi.
2. Der Fries-Fond, gegründet 1759 durch ein
Legat des Bürgermeisters Fries in Höhe von 1000 fl.; das
Legat wurde vom Antistes verwaltet und die Zinsen eben-
falls zur Aufbesserung von Lebrerbesoldungen verwendet. 5 )
3. Der Stiftsfond (Studentenamt), 6 ) zur Zeit
der Reformation aus einem Teil der dem Chorherrenstift
zum Großmünster zufließenden Einnahmen gebildet. Dieser
Fond wies 1798 den ansehnlichen Betrag von 575,362 ffi
auf. Er bildete das besondere Schulgut der Stadt Zürich,
aus dem die Lehrer an den höhern und niedern Schulen
besoldet wurden. Im übrigen bezog einzig der Lehrer in
Eglisau aus diesem Fond jährlich 30 fl., weil er zugleich
Diakon (Hilfsgeistlicher) war, und dieser Fond seiner Ent-
stehung und teilweisen Verwendung nach noch Kirchengut
darstellte.
4. Der Pfrundverbesserungsfond (Predi-
kantenfond), im Jahre 1788 beschafft, a) aus dem Legat
von 800 S eines Anonymus, b) aus der Zuwendung einer.
Ende des 17. Jahrhunderts erhobenen Liebessteuer zur
Unterstützung vertriebener Glaubensgenossen, die 16,038®
ergab, c) aus Beiträgen einiger Zünfte in der Höhe von
60,000®. Dazu kamen noch jährliche Zuschüsse von
7000 S aus dem Säckelamt, 450 ffi aus dem Obmannamt
und 450 S aus dem Stiftsstudentenamt. Dieser Fond, der
sich 1798 auf 102,508 ® belief, diente hauptsächlich kirch-
lichen Zwecken, zur Unterstützung von Pfarrerswitwen, ge-
ring besoldeter Geistlicher etc. Wir erwähnen ihn aber
hier, weil daraus auch Lehrer, die als Hilfsgeistliche
(Diakone) funktionierten, Beiträge erhielten, z. B. der Lehrer
5 ) Wirz, I. pg. 431.
6 ) Außer den angeführten Zwecken diente dieser Fond noch zur
Unterstützung Studierender.
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— 85 —
in Eglisau 18 fl. und derjenige in Kilchberg halbjährlich
99 fl. 30 ß. 1 )
5. Der Landfriedensfond. Dieser Fond war die
Veranlassung zu einem längeren Streite zwischen den
Kantonen Zürich und Thurgau, der erst nach der Helvetik
zum .Abschluß kam und die helvetischen Behörden mehr-
mals beschäftigte. Die Erträgnisse dieses Fonds, der unter
der Verwaltung des Examinatorenkonvents stand und sich
1798 auf 22,985 ® belief, dienten anfänglich nur zur Unter-
stützung evangelischer Notleidender, d. h. um ihres Be-
kenntnisse® willen Verfolgter in den „Landfriedens-
gebieten". 2 ) Als die Bedürfnisse hiefür schwanden, dehnte
das Examinatoren-Kollegium die Unterstützung auch auf
die Schulen in Landfriedensgebieten aus und so erhielten
vom Jahre 1769 an „bedürftige und würdige Schulmeister,
nicht nur im Thurgau, sondern auch im Badenergebiet und
im Rheintal jährlich Zulagen aus diesem Fond." Wer die
Testatoren dieses Fonds waren, und welches ihr bestimmter
Wille über die Verwendung war, konnte zur Zeit der Helvetik
nicht mehr genau festgestellt werden, da sich hierüber
kein Dokument vorfand. 3 ) Da mit der neuen Verfassung die
Untertanenverhältnisse aufgehoben und die Untertanen-
x ) Protokolle des Erz.-Rates. 1798. pg. 78 und 1799. pg. 142.
2 ) Nach der Schlacht bei Kappel 1531 wurde zwischen den Re-
formierten und Katholiken durch besondere Bestimmungen vereinbart,
wie man es bei der Verwaltung der „gemeinen Herrschaften" halten
wolle. Diese Untertanen-Gebiete wurden „Landfriedensgebiete" genannt.
Die Stände schickten abwechselnd Landvögte dahin. Diese hatten „die
oberste polizeiliche Gewalt und in ihrer Hand lag es daher, religiöse
Regungen entweder gewähren zu lassen oder unter dem Vorwande der
öffentlichen Ruhe zu verfolgen." (Blösch, I. pg. 124.) So hatten be-
sonders die Reformierten in der Landgrafschaft Thurgau unter den
katholischen Vögten viel zu leiden. (Näheres s. b. Blösch, I. pg. 126 u. f.)
3 ) Alt -Dekan Kilchsperger in Sonterswilen (Thurgau) schrieb hier-
über dem Regierungsstatthalter des Kantons Zürich Folgendes:
„Die Fundation mag über hundert Jahre alt sein und hatte den
Groß- oder Urgroßvater eines meiner Verwandten, Landvogt Scheuchzer
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— 86 —
länder zu gleichberechtigten Kantonen wurden, kam der
Kanton Thurgau bei Zürich um die Herausgabe des Fonds
für den Landfrieden ein und begründete seine Ansprüche
mit der Behauptung, die Beiträge zur Stärkung dieses Fonds
seien zum größten Teil aus dem Kanton Thurgau geflossen
und dürften auch nur in diesem Gebiet zur Verwendung
gelangen. 4 ) Zürich hatte nämlich aufgehört, an Thurgau
Unterstützungen abzugeben, da es die bisherigen nur als
freiwillige betrachtete, und weil seit der Revolution seine
Landschulmeister selbst in größte Not geraten waren.
Früher schon hatte der Examinatorenkonvent von Zeit zu
Zeit 200— 7 300 'S vom Landfriedensfond zu Gunsten des
Schulmeisterfonds für Stadt und Land abgeschrieben. 1 )
Thurgau drang aber auf Entrichtung weiterer Unterstützung,
und da beide Teile keine endgültigen Beweise für ihre
Ansprüche zu erbringen vermochten, kam die Angelegen-
heit vor die helvetischen Behörden. Der Vollziehungsrat
anerkannte die Ansprüche Thurgaus als berechtigte und
verfügte am 15. Oktober 1800, daß Zürich die Beiträge
im Rheintal, der mit 200 fl. für die Landfriedlichen Schulen die erste
Anlage gemacht, zum Stifter, die hernach, wo ich nicht irre, von
dessen Bruder, ebenfalls Landvogt im Rheintal, mit 200 oder 300 fl.
vermehrt worden. Von neuen Zuschüssen ist mir nichts bekannt; es
müßte von mir verborgenen Wohltätern in Zürich geschehen sein; gewiß
flössen keine aus dem Kanton Thurgau. Dokumente wurden in den zu-
trauungsvollen Vorzeiten für solche Kleinheiten nicht gemacht, mithin
sind auch keine vorhanden, als die jährlichen Rechnungen. Die Be-
sorgung dessen ist dem ansehnlichen Examinatoren-Konvent vom
Fundator aufgetragen mit dem Bedinge, daß davon den übelbelohnten
Schulmeistern im Landfrieden, soviel als Zins abtrage, gegeben werde."
(Akten. Schulfonds. Staatsarchiv Zürich. U. 10. 1.)
4 ) Ob nicht auch bedürftige Lehrer auf der Landschaft Zürich aus
den Erträgnissen unterstützt wurden, ist aus der Enquete nicht er-
sichtlich, da auf die Frage: Woher fließen seine Einkünfte? manche
Lehrer nur antworteten: Aus dem Schulfond in Zürich; die genauere Quelle
war ihnen selbst nicht bekannt.
x ) Akten, Schulfonds. Staatsarchiv Zürich. U. 10. 1.
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— 87 —
auch fernerhin auszurichten habe und der Fond von nun
an vom Kirchen- und Erziehungsrat gemeinsam zu ver-
walten sei. 2 ) Die zürcherischen Behörden weigerten sich
aber aufs hartnäckigste, diesem Beschlüsse nachzukommen
und verlangten eine nochmalige, genauere Untersuchung. 3 )
Daraufhin hob der Vollziehungsrat seinen ersten Beschluß
auf und nahm die von Zürich gewünschte Nachprüfung der
Sachlage vor. Die Zürcher Behörden brachten es aber fertig,
den" Entscheid bis zur Mediationszeit hinzuziehen. 4 )
Außer diesen allgemeinen Fonds, deren Erträgnisse den
verschiedenen Schulen in Stadt und Land zugute kamen,
besaßen viele Gemeinden noch eigene Schulgüter. Über
die Zahl, Größe und Verwendung derselben gibt uns die
folgende Tabelle Aufschluß:
2 ) Strickler, Aktensammlung VI. 290.
*) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. f. 61 u. f.
4 ) Im Jahre 1804 wurde endlich eine Einigung erzielt; Zürich be-
zahlte aus dem Fond insgesamt an Thurgau, St. Gallen und Aargau
13,500 ß. (Akten, Schulfonds. Staatsarchiv Zürich. U. 10. 1.)
Distrikt
Gemeinde
Betrag
Erträgnis
Verwendung
Entstehung (Testator)
Benken
Marthalen
3300 fl
?
Zum Teil Anschaffg.
von Schulbüchern
?
Andeliigen
Senzach
100 fl
4fl
Lehrer- Besolde
Vermächtnis
WintMfcur
Wölflingen u. Neub.
2898 fl
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Elgg
Zünikon
100 fl
4fl
Y)
yennäcMsT. mmn
Langenhard
100 fl
4fl
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n 7- J. Meier, Zftrich
MlalO.fa»)
215fl
10fl30^
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n Td.HaisTiten
Bühl
250 fl
6fl
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n rt n
Oberhofen
250 fl
?
n
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Feüraltorf
Ottikon
100 fl
?
?
Vermächtnis v. Escher, Zürich
LipperscHweiU
691 fl
27A31/9
LelreHBuoldg.
Vermächtnis
650 fl. v. d. Hausvätern
Wellenau
800 fl
24A20/?
»
150 fl. v. Landvogt Rahn
(Kyburg)
j Blitterswil
400 fl
16fl
»
Gemeinde-Bürger
1 Teilingen
?
?
?
?
Ludetswil
400 fl
?
?
Hausväter
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— 88 —
Distrikt
Gemeinde
Betrag
Erträgnis
Verwendung
Entstehung
(Testator)
Bassersiorf
Gfenn
100 ff
4 ff
Lelirer-Besoldrajf
Legat (Landolt)
Grafstall
50 fl.
2A2O0
Y)
?
Pfungen
2720sr
?
n
?
Bülach
Bülach
50 fl
2A2O0
n
Weiberfond
Stadel
Bied (b. Naerach)
932 U
32000 ff
?
?
Schulgeld für
arme Kinder
?
?
Kapellengut
Oberweningen
500 fl
?
Lelrer-Besoldnng
Vermächtnis
Regensdorf
Zürich
Haasschale
Niederdorf
Hausschule gr.
Stadigemeinde
Haasscbule
Franmünster
Haasschale
St. Peter
Rietli
1300 fl
?
1300 fl
?
159 fl 30 ß
?
?
?
?
?
?
?
?
?
?
?
?
?
9
Vermächtnis
Hottingen
2820 fl
?
Lehrer-Besoldg.(?)
?
Aussersihl
?
?
?
?
Hirslanden
2353 8 40
?
Lefoer-Besoldnnt
Geinelnde-Blrgern
Wytikon
ummw
?
»
?
Enge
?
?
?
?
Biesbach
800 fl
40 fl
Lefcrer-Besoldw
Durch Einbürgerungen
und 8teuern
Mettmenstetten
Hefers wil
100 flf
10 ff
?
?
Horgen
Horgen
770 fl (?)
?
Lelrer-BesoldniiE
?
Käpfhach
200 fl
?
?
ßemelndeWrger
Mittelberg
900 fl
3611 20^
?
?
Wädenswil
52OH26037M
?
? (?)
?
„ Unterort
485 fl
19 fl
Lfiürer- Pension
Legat
Kalchtharen
900 fl
?
Lelm-Besoldus
?
Kilchberg
400 fl
?
»
?
Meilen
Zollikon
600 fl
?
»
?
Ützikon
100 fl
?
?
?
Ülikon
Männedorf
300 fl
2672 ff 160
?
58-60 fl
Leirer-Besoldnng
n
?.
Vermächtnis aus Zinsen
und Hochzeitssteuern
Ütikon
834 fl
?
r>
?
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— 89 —
Distrikt
Gemeinde
Betrag
ErtrilOOiS 1 Verwendung
Entstehung
(Testator)
Grüningen
Ob. Dürnten
15 fl
30 ß
?
?
Uster
Egg
Kirchuster
Robenhausen
50 fl
400 fl
500 fl
2fl20/*
16 fl
16 fl
Leirer-BeioldMf
n
n
?
TeriicMsHeuser
?
Ettenhausen
200 fl
10 fl
»
?
Uster
Äsch
Zimikon
Gutenswil
Eindhausen
100 fl
135 fl
r 200 n
l 50 fl
400 fl
4fl
?
8fl a
2(120/3
?
Litar-BMMiit
?
8chulgeld f. armeK.1
Lehrerbesoldung J
?
?
?
?
?
Wald
Hörnli
Lenzen
350 fl
?
Hfl
?
Lelüir-BesoldUK
?
?
?
Bwsttoi-Erlottn
100 fl
?
?
?
Nach der Enquete hatten 57 oder 16% der Gemeinden
einen beaondern Schulfond; doch fanden sich deren sehr
wahrscheinlich weit mehr vor, da die Angaben hierüber
in den Berichten — vielleicht mit einer gewissen Absicht-
lichkeit — oft mangelhaft und unklar sind. Der größte
Teil dieser Schulgüter war durch Vermächtnisse entstanden;
wer aber die Testatoren waren, ist nur in wenigen Fällen
angegeben. An einigen Orten hatten die Gemeindegenossen
oder die „Hausväter" den Fond bei der Gründung der Schule
zusammengelegt. Durch freiwillige Beiträge oder auch durch
besondere Steuern wurde das Schulgut zu äufnen gesucht.
In Hirslanden mußte beispielsweise jeder, der sich in der
Gemeinde einbürgerte, 18 S, und in Bülach „jedwede frömde
Weibs Persohn, die sich an einen unseren Bürger ver-
heürathet, 10 ®" ins Schulgut bezahlen. 1 ) Die Größe der
in Betracht kommenden Kapitalien schwankt zwischen
15 — 16,000 fl.; sie waren in der Regel in Hypotheken und
Obligationen angelegt und ergaben als Zinsen fast durch-
x ) Enquete 1799. Bundesarchiv. H. Bd. 1471.
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— 90 —
gängig vier vom Hundert. Eine Ausnahme hievon macht
Heferswil (Distrikt Mettmenstetten), wo es in dem Bericht
heißt: „Es ist vor etlichen Jahren ein gewisser Bürger
in Zürich gestorben und vor seinem sei. End einichen armen
Schulen auf der Landschaft 100 fl. zum Present verordnet;
ist also auch 100 fl. der Schul Heferswil zukommen; die
Gemeindsvorgesetzten zur solchen Zeit haben für diese
100 fl. ein Matten^Stück gekauft. Die Gemeind verlehnt
dies zu 3 Jahren um für ein Jahr 14 ®. Der Schulmeister
bekommt 10 ffi und die Gemeinde behalt 4 $ für sich." 2 )
Die Zinsen der Fonds wurden in der Regel direkt zur Auf-
besserung der Lehrerbesoldung verwendet, seltener zur An-
schaffung von Schulbüchern oder Bezahlung des Schulgeldes
armer Kinder. Doch erlaubten sich die Gemeinden zur Zeit
der Helvetik, auch bisweilen den Schulfond für andere
Zwecke in Anspruch zu nehmen, so Wädenswil, um die
Prozeßkosten für einen Schulstreit zu bezahlen. 3 )
c. Lehrerbesoldungen.
Eine Untersuchung der Besoldungs Verhältnisse ist be-
sonders geeignet, das Bild vom Schulwesen jener Zeit zu
vervollständigen; denn aus der Größe der Besoldung läßt
sich mit ziemlicher Sicherheit erschließen, wie die Tätig-
keit des Lehrers und damit die Bedeutung der Schule ein-
geschätzt wird. Der Stand der Schule ist ohne Zweifel
in erster Linie von der Tüchtigkeit der Lehrer abhängig;
je mehr eine Schulgemeinde die finanzielle und soziale Lage
ihrer Lehrer auszeichnet, desto höhere Anforderungen darf
sie nach jeder Richtung hin an die Persönlichkeit derselben
stellen.
2 ) Enquete 1799. Bundesarchiv. H. Bd. 1471.
3 ) Protokoll des Erz.-Rates. 1800. f. 86.
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— 91 —
Nach den Besoldungsverhältnissen zu schließen, muß
„die alte Schule" eine sehr niedere Einschätzung erfahren
haben. Die Besoldung galt lediglich als eine Entschädigung
für die tägliche Schulzeit; sie war nicht so gemeint, daß
der Lehrer nur durch sie ein hinreichendes Einkommen
haben sollte, vielmehr dachte man sich, daß der Schul-
meister — der ja meist aus Handwerker- oder bäuerlichen,
Kreisen hervorgegangen war — in seinen zahlreichen Muße-
stunden sein altes Metier fortsetzen werde.
Die Pflicht, die Lehrer zu besolden, lag ganz bei den
Gemeinden; da sich aber nirgends gesetzlich zwingende Be-
stimmungen über die Größe der Besoldung fanden, blieb
dies ganz dem freien Ermessen der Gemeinden anheim-
gestellt. Die Festsetzung derselben hing namentlich von
den ökonomischen Verhältnissen der Schulgemeinde ab; es
kommen hier wiederum die nämlichen Faktoren in Betracht,
wie bei der Schulausstattung. Daraus erklärt es sich, daß
die Besoldungen hinsichtlich der Höhe an den einzelnen
Orten sehr stark voneinander abweichen.
Die Hauptquellen der Einkünfte des Lehrers waren die
Gemeindegüter und das Schulgeld.
Bei den Gemeindegütern kommen in Betracht: a) Die
Gemeindekasse oder das Gemeindegut im engern Sinne,
b) das Schulgut, c) das Kirchengut und d) das Armengut. 1 )
Die Einkünfte bestanden in Geld und Naturalien, letztere
in Getreide, Wein, Holz und Torf; seltener in einem Stück
Land. Besonders das Getreide bildete einen beträchtlichen
Teil der Besoldung; es fiel eben den meisten Gemeinden
leichter, den Schullohn in dieser Form aufzubringen, als
x ) Eine genaue Zusammenstellung, wieviel in jeder Gemeinde aus
diesen einzelnen Gütern an die Lehrerbesoldung beigesteuert wurde,
war nicht möglich, da die einzelnen Beträge in den meisten Berichten
nicht ausgeschieden sind. Wir begnügen uns daher an dieser Stelle mit
Angabe einiger typischer Beispiele.
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— 92 —
in Geld. Weil aber die Getreidepreise schon damals er-
heblichen Schwankungen unterworfen waren, war die Be-
soldung in Wirklichkeit nicht immer dieselbe; in Fehljahren
war die Entrichtung der Besoldung in Getreide zum Vorteil
des Lehrers. Die Holzlieferungen bildeten nur zum Teil
ein Plus zur Besoldung; denn bei diesem Posten kamen
einmal diejenigen Quantitäten Brennmaterial in Abzug, die
für die Schullokalitäten gebraucht wurden, sodann aber
jene Spesen, die der Lehrer für den Transport zu erlegen
hatte. 2 )
Manche Gemeinde war aber überhaupt nicht imstande,
ihrem Lehrer etwas aus der Gemeindekasse zu bezahlen;
in diesem Falle wäre der Lehrer auf das Schulgeld allein
angewiesen gewesen. Deshalb wurde in der Schulordnung
von 1778 ' bestimmt, daß dort, „wo die Anzahl der Schul-
kinder nicht auf 30 oder 40 steiget und doch das Ein-
kommen des Schulmeisters von ihrer Anzahl abhängt, der
H. Pfarrer nebst dem Stillstand darauf bedacht sein soll,
wie und durch was für bey Ihnen stehende Mittel dem
Schulmeister bei der durch diese Einrichtung vermehrten
Arbeit eine hinlängliche Besoldung ausfindig gemacht und
verschafft werden könne." So suchte man denn das Ein-
kommen des Lehrers zu vermehren einerseits durch die
Erträgnisse der im vorigen Kapitel erörterten Gemeinde-
schulfonds, andererseits durch Herbeiziehung der reich-
licheren Mittel des Kirchen- und Armenguts. Aus dem
Kirchengut flössen gewöhnlich an mehrere der zum Kirch-
spiel gehörenden Nebengemeinden Besoldungsbeiträge,
namentlich wurden die Sonntag- und Nachtschulen .von
dieser Seite bezahlt, weil diese Institutionen durch spezielle
2 ) „Das Holz, wo ich bekomme, ist aus einem Nacional-Holz, der
Detenrieterwald genannt, welches aber mit großen Kosten nach Hauß
gebracht werden muß, weilen der Wald weit entfernt ist." (Bericht
von Iberg, Distrikt Winterthur. Enquete 1799.)
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— 93 —
Pflege des Kirchengesanges den Interessen der -Kirche
dienten. 1 )
Den Hauptbestandteil der Besoldung bildete aber das
Schulgeld.^ In der Regel wurde dieses von allen Kindern
gleichmäßig entrichtet, doch bestand an den einen Orten
der Brauch von reichern, an andern von den altern oder
denen, die auch Schreibunterricht erhielten, mehr zu ver-
langen. 2 ) Die Höhe des Schulgeldes war sehr verschieden,
doch lassen sich an Hand der Enquete folgende Durch-
schnittszahlen aufstellen:
a) Für die Alltagschule im Winter im ganzen 10 — 30 ß
oder wöchentlich 1 — 2 ß vom Schüler, im Sommer im
ganzen 4 — 8 ß.
b) Für die Repetierschule vom Schüler jährlich 4 — 8 ß.
Das Schulgeld für die Sommerschule und die Repetier-
schule wurde oft aus der Gemeindekasse oder dem Kirchen-
gut bezahlt. Die Almosengenössigen waren gänzlich vom
Schulgeld befreit; die Staatsämter auf der Landschaft und
in der Stadt und die Kirchen- und Armengüter in den
Gemeinden, denen die Unterstützung der Armen oblag,
kamen dafür auf. Daß aus diesen Ämtern beträchtliche
Summen an Schulgeld bezahlt wurden, zeigt folgende Ta-
belle der „Armenschullöhne des Amtes Töß" vom
x ) Zum Kirchengut gehörig war auch das sogenannte „Säckligut",
das durch freiwillige Beiträge an Sonn-, Fest- und Bettagen geäufnet
wurde und in erster Linie zur Unterstützung der Armen diente. In
vereinzelten Fällen bezogen auch die Lehrer hieraus kleinere Beiträge.
2 ) Schule Höri (b. Bülach) 20 ß für arme, 36 ß für reiche Kinder
Winterschulgeld; Hochfelden: „21/2 ß für ein Kind, das schreibt, 2 ß
für eines, das nicht schreibt." Ob. - Steinmaur: „21/2 ß von den Größern,
2 ß von den Kleinen wöchentlich". (Enquete 1799.) Der Lehrer in
Watt macht folgenden Vorschlag: „Meiner Seits vermeinte ich es wäre
Nicht zu vil, wann Man die Klassen von den Schulkindern so einrichten
würde, das der Lehrer von der Ersten Klass wöchentlich 3 ß, von
der zweiten 2 ß 6 hlr. und von der dritten 2 ß hätte." (Enquete 1799.)
L
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— 94
Jahre 1797')
ts
ß
hlr.
An Niederwil
8
6
3
„ Oberwil
2
—
—
An Rutschwil
35
7
6
„ Winterberg
28
6
6
„ Lindau
24
12
—
„ Grafstall
62
2
—
„ Nürensdorf
53
16
—
„ Thorlikon (Talheim)
50
1
—
„ Tös
107
8
—
„ Bassersdorf
99
13
—
„ Gütikhausen
46
14
—
„ Adlikon
26
—
—
544 6 3
Manche Eltern suchten sich einen Teil des Schulgeldes
zu ersparen, indem sie ihre Kinder wochenlang zu Hause
behielten; deshalb wurde im VIII. Artikel der Schulordnung
von 1778 bestimmt: „Und damit der Schulmeister in seinem
Fleiß und Eifer an der 1. Schuljugend mit Nuzen zu arbeiten
unterhalten werde, so ist unser ernste Will und Meinung,
daß der Schulmeister durch sorglose Eltern und mutwillige
Versäumnis der Schule an seinem wolverdienten Lohn keines-
wegs verkürzt werde. Es sollen also die Eltern, wenn,
ein Kind bei Eröffnung der Schule von dem Hrn. Pfarrer
in Beisein der Stillständer für den Winter als Schüler ein-
geschrieben wird, den ganzen Schullohn bezahlen; es wäre
denn, dass. Krankheit oder andere wichtige Ursachen, die
die Eltern dem Hrn. Pfarrer angezeigt haben, ihre Kinder
von der Schule abgehalten hätten." Dieser Bestimmung
scheint aber nicht nachgelebt worden zu sein. So heißt
es in dem Bericht von Neftenbach: „In der Wochen bezalt
das Kind ein Schilling, wans kommt, kommts nicht zur
Schule, so bezalts nichts, wenns schon als alltagschüler ein-
geschrieben ist, diesen Winter bis jetzt habe ich 6 fl.
*) Akten, Lan<fechulwesen. Staatsarchiv Zürich. E. 1. 21.
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— 95 —
Schaden." 1 ) Trotzdem in der Schulordnung ausdrücklich
bestimmt war, daß der „Säckelmeister" oder ein anderer
beliebiger Stillständer alle Monate oder in der Mitte und
am Ende der Schulzeit das Schulgeld von den Eltern ein-
zuziehen habe, kehrte man sich nicht daran und überließ
es d^m Lehrer selbst, von Haus zu Haus zu gehen, um
den Schullohn erhältlich zu machen. 2 ) Das brachte dem
Lehrer viel Unannehmlichkeiten. „Und was das Einziehen
des Löhndlis der Haushaltung und den Kinderen Betrift,"
schreibt der Lehrer in Ebertswil, „So ist es eine arme
Bäteley, man Bringt es mit grossem Verdruss Von einem
Jahr zum anderen kaum zusamen." 3 )
Besser waren hierin die Lehrer an den „Freischulen"
gestellt, wo gar kein Schulgeld bezahlt werden mußte; es
gab deren etwa 60. Hier wurde die Besoldung gänzlich aus
der Gemeindekasse, dem Kirchengut oder den Erträgnissen
eines Schulfonds bestritten; infolge dessen war das Ein-
kommen des Lehrers ein viel sichereres. Darum begegnen
wir in den Berichten oft dem Wunsche, die Schule möchte
in eine Freischule umgewandelt werden. 4 ) An einigen Orten,
wie in Hottingen, Hirslanden, Männedorf u. a. waren bloß
die Bürger vom Schulgeld gänzlich befreit, während von
den „Hintersäßen" oder Niedergelassenen ein solches be-
zogen wurde.
!) Enquete 1799. Bundesarchiv. H;. Bd. 1470.
2 ) „Es wäre zu wünschen, daß die Belohnung von einem dazu ver-
ordneten Vorgesetzten eingefordert und zu handen des Schulmeisters
gegeben würde, damit nicht nach Verdienst desselben zwischen Eltern
und Schulmeister durch langsames Zuwarten und Einziehung dessen, von
Verdruß und Schaden entledigt und gänzlich befreyt würden." (Bericht
Unter- Wetzikon.) Enquete 1799.
8 ) Enquete 1799.
4 ) „Wer zu wünschen, daß aus dieser Schul eine Frey-Schul könnte
gemacht werden; den bey dieser Besoldung keiner bestehen kann."
(Bericht von Feuer talen. Enquete 1799.)
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— 96 —
Zu diesen Einkünften aus den Gemeindegütern und dem
Schulgeld kamen noch die Beiträge aus den Zinsen jenen
bereits erwähnten Schulfonds für Stadt und „Landschaft"
Zürich, ferner Zuschüsse vom Staate. Dieser ließ durch
die Ämter in der Stadt und auf der „Landschaft", denen
der Bezug der Grundzinse und Zehnten oblag, den gering
besoldeten Lehrern jährlich Beiträge in Naturalien oder
Geld ausrichten. Obschon diese Besoldungszulagen durch-
aus freiwillige waren, bildeten sie sich im Laufe der Zeit
zu Gewohnheitsrechten aus. Nach einem „Etat über die
Besoldungen sämtlicher Schullehrer des Kantons Zürich, so
dieselben aus öffentlichen Ämtern zu beziehen haben," 5 )
wurden aus folgenden Ämtern an die nachstehenden Ge-
meinden Staatsbeiträge bezahlt:
1. Obmannamt:
Adliswil, Affoltern (b. Zeh.), Altstetten, Dietlikon,
Hirzel, Hottingen, Höngg, Männedorf, Niederhasli, Nöschi-
kon, Oberglatt, Oberhasli, Seebach, Undalen, Wolfhausen,
Wallisellen, Wollishofen.
2. Amt Küsnacht:
Küsnacht, Erlenbach, Wetzwil, Herrliberg, Oetwil, Ess-
lingen, Stäfa, Lindau, Wädenswil, Schönenberg, Feldmoos,
Richterswil, Ütikon, Egg.
3. Fraurtiünster:
Ebmatingen, Horgen, Langnau, Maur, Rümlang.
4. Kappeler-Hof:
Wollishofen.
5. Einsiedeln:
Brütten, Männedorf, Meilen.
6. Kappel:
Mettmenstetten, Ürzlikon, Ebertswil, Affoltern a. Alb.,
Äugst, Hausen, Hedingen, Horgen, Maschwanden, Stallikon,
Zwillikon, Rifferswil, Lunnern, Kappel, Ottenbach, Heferswil.
5 ) Helvetische Akten. Staatsarchiv Zürich. K. II. 95.
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97
7. Rüti:
Greifensee, Bubikon, Fischental, Irgenhausen, Goßau,
Dürnten, Hombrechtikon, Volketswil, Stäfa, Mönchaltorf,
Oberwetzikon, Ried, Herschmettlen, Strahlegg, Grüt,
Wernetshausen, Rüti, Ob.- und Unt. -Hittnau, Ringwil,
Dürstelen, Lenzen.
8. Kornamt:
Wangen, Dübendorf, Buchs, Talwil, Grafstall.
9. Eglisau:
Rafz, Hüntwangen, Wil, Wasterkingen, Glattfelden.
10. And e Hingen:
örlingen.
11. Hegi:
Hegi, Ob.-Winterthur.
12. Grüningen:
Grüningen, Binzikon, ötwil.
13. Töß:
Töß, Trüllikon, Veitheim, Dättlikon, Dorf, Torlikon (Tal-
heim), Rutschwil, Gräslikon, Kyburg, Nürensdorf, Sternen-
berg, Humlikon, Ottikon, Lindau, Wildberg, Brütten, Heng-
gart, Adlikon, Bassersdorf, Winterberg, Gütikhausen, Schal-
chen, Turbental-Neubrunn.
14. Winterthur:
Neftenbach, Hünikon, Rettungen, Hagenbuch, Aesch,
Weißlingen, Gundetswil, Hegi, Wiesendangen, Oberwil,
Niederseen, Stadel, Elsau, Buch a. L, Neubrunn, Dättwil,
Seelmatten, Eidberg.
15. Em brach;
Berg, U. -Embrach, 0. -Einbrach, Flaach, Lufingen,
Mühleberg, Oberwil, Rorbas, Volken.
16. Greifen see:
Greifensee.
17. Stift:
Wipkingen.
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— 98 — ^ .
Aus diesen Ämtern wurden im ganzen jährlich 270 x /2
Mütt Getreide, 34y 2 Eimer Wein und 357 $ an Geld be-
zahlt. 1 ) -
Trotz dieser Beiträge waren die Besoldungen in der
Mehrzahl ganz unzulängliche; zudem wurden sie noch durch
die Unkosten für Miete und Heizung des Schullokals, die
man — wie bereits berührt wurde — an manchen Orten
dem „Schulmeister" aufbürdete, erheblich geschmälert, so-
daß die meisten Lehrer genötigt waren, durch allerlei Neben-
verdienste für sich und ihre Familie den Lebensunterhalt
zu verschaffen. „Er muß Güter arbeiten," heißt es in den
Bericht von Hirzel, „wenn er essen und sich kleiden will.
60 fl. und 2 Mütt Kernen haben ihn nicht können erhalten,
wenn er von seinem Einkommen wieder 30 fl. und noch
mehr für Heizi und Holz bezahlen musste." 2 )
Wir hatten schon in der Einleitung Gelegenheit,
darzutun, wie die dergestalt unter der lähmenden Misere
ihrer wirtschaftlichen Lage leidenden Lehrer die Umfrage
Stapfers benutzten, um der helvetischen Regierung die ganze
Dringlichkeit zunächst pekuniärer Aufhilfe von Staats
wegen nahe zu bringen. Wir können uns nicht versagen,
einige dieser Bemerkungen hier im Wortlaute anzuführen:
Ellikon a. Rh. „Ich kann es nicht ermangeln lassen?
Solches Ihnen bekant zu machen, das ich beglaubt bin,
dass ein Schulpöstlein so beschwerlich seye als meines mit
seiner so geringen Besoldung. Ich muss den ganzen Winter
durch bey frost und Kälte 1 Stunde gehen von Marthalen
nach Ellikon am Rhein in die Schule und den ganzen Sommer
Jeden Sontag widerum dahin Eilen um die Kinderlehr zu
x ) Durch ein Dekret vom 17. Juli 1798 wurden nur noch 7 Ämter
bestehen gelassen, nämlich: Obmannamt, Kornamt, Fraumünster, Oeten-
bach, Rüti, Töß und Küsnacht, alle übrigen aber aufgehoben. (P. Rutsche,
der Kanton Zürich und seine Verwaltung zur Zeit der Helvetik. pg. 91.)
2 ) Enquete 1799. Bundesarchiv. H. Bd. 1421.
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— 99 —
halten, wie auch Winterszeit die sogenannte Nachtschul und
Jiabe im ganzen, wann alles von dem ganzen Jahr zusammen-
gerechnet wird, so belauft sich die Summa auf 26 fl., bey
aller meiner Schul- Verrichtung muss ich daraus leben, so-
daß, wann ich Speis und Tranck und Schue, wo mich kosten,
berechne, das sehr wenig mehr vorschiesst vor meine Haus-
haltung."
K y b u r g: „Ich kann fürwahr sagen, dass ich bey dieser
schlechten Besoldung immer von meinem Eigentum auf-
opfern musste."
Hausen: „Habe noch Gütererwerb und Leineweberei;
denn bey dem Schuleinkommen verdient man nicht viel über
Brot und Wasser."
Güntisberg: „Mit meinem woll verdienten Schul-
löhnlein ist es noch so beschaffen, dass ich vielmahl, Wann
die Schull ausgehet, nicht 5 fl. bekomme. Ich habe noch
3 bis 4 Jahrigen Schullohn einzuziehen. Von Etlichen weis
ich gar nichts zu Bekommen."
Meist suchten die Schulmeister ihr kärgliches Ein-
kommen zu verbessern, indem sie den Vorsinger- und
Siegristendienst übernahmen. Schon in der Schulordnung
war geboten worden, daß bei erledigten Schulstellen darauf
zu sehen sei, diese Stellungen mit dem Schulamt zu ver-
einigen, „weil an den meisten Orten keine allein genüg-
same Besoldung hat, für sich selbst zu bestehen," und es
ist bezeichnend für jene Zeit, daß solche untergeordnete
Stellungen im Dienste der Kirche oft besser bezahlt wurden,
als die Arbeit für die Jugenderziehung. 1 )
*) Lufingen bezahlte für Siegristendienst 16 ffi 12 ß, Schuldienst
5 g; Regensdorf für „Leuterlohn und Gloggensalb" 23 &, für die
Sommerschule 12 S- An vielen Orten wußten die Lehrer selbst nicht
anzugeben, wieviel ihnen für Schul- und Siegristen- oder Vorsingerdienst
gesondert zukam; deshalb war es uns nicht möglich, in der tabellarischen
Übersicht diesen Teil des Einkommens gesondert anzuführen.
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/
— 100 —
In einigen Gemeinden war es üblich, dem Lehrer am
Ende des Schuljahres, an Festtagen oder besonderen An-
lässen * ein Geschenk oder „Trinkgelder" zu verabreichen.
So bezahlte Horgen jeweilen am Auffahrtstage dem Lehrer
20 ß, Feuertalen jährlich ein „Douceur" von 5 fl. 30 k*.,
Knonau ein Neujahrsgeschenk von 1 f 1., am Ende des Schul-
jahres 30 ß, für Aufbewahren der Bücher 30 ß und für
„das Vorlesen an heiligen Festen" 2 fl. 2 ) Der Schulmeister
in Torlikon (Talheim) erhielt „von jeder Hochzeit 16 ß oder
darf an die Mahlzeit, von einer großen Leich 16 ß oder an
die Mahlzeit von einem Vermögenden, von einem Unver-
mögenden 5 ß." 3 )
Wir wollen obige Ausführungen noch durch einige Bei-
spiele ergänzen, die besonders geeignet sind, zu aeigen,
wie verschiedenartig die Besoldungen in den einzelnen Ge-
meinden hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Größe
waren.
Horgen:
An Geld:
Vom Schulvogt auf Neujahr
28 fl. für Sing- u. Nachtschule
„ Kirchenmeyer „
7 „ 20 ß
„ Kirchenpfleger auf Martini 12 „
Aus dem Wachtgut
88 „
Auf die Auffahrt
— 20 ß
Aus dem Gemeindegut
7 „ 20 ß
143 fl. 20£
An Naturalien:
Vom Kirchenpfleger auf Martini
1 Mütt Kernen
Aus dem Amt Kappel „ „
*• >> yy
„ „ „ Fraumünster auf d. Fastnacht
£ » yy
jy >> jj >> >>
„ Herbst
2 Eimer Wein
„ „ Forstamt auf den Herbst
5 Klafter Holz,
2) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. f. 50.
3) Enquete 1799.
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— 101
lisau :
An Geld:
Schulgeld
120 fl
Obmannamt Zürich
30 „
Stiftsstudentenamt „
30 .
Pfrundverbesserungsfond „
18 „
Grundzinsen von Eglisau
10 „
208 fl *)
An Naturalien:
31 Mütt Kernen
10 8 /4 , Roggen
20 8 ,4 „ Hafer
13 Saum Wein
Wallis eilen (Distr. Bassersdorf): Schulgeld 45 'S,
Schulfond Zürich 8 S, Almosenamt Zürich 5 ffi, Gemeinde-
kasse 2 <8, Kirchengut 26 S, „Säckligut" 6 8 (Summa 92 S),
2 Mütt Kernen und V2 Mannwerk Wiesen.
Wasterkingen (Distr. Bülach): Schulgeld für
Winterschule 18 fl., für Sommerschule 4 fl., für Repetier-
schule 5 fl., für Nachtschule 2 fl. 20 ß; 4 fl. aus der Ge-
meindekasse „für die Kinderlehre und als Vorsinger", 8 fl.
30 ß für „Mesmerdienst und die Uhr zu richten", 4 fl. aus
Einern Schulfond in Zürich (Summa 46 fl.); hiezu kamen
noch: „1 Mütt (halb Kernen, halb Roggen) von der Ge-
meinde, 1 Mütt Kernen von dem Grundzins, so ins Schloss
Eglisau geliefert worden ist und das Gras ab dem Kirch-
hof."
Veitheim (Distr. Winterthur): Almosenamt Zürich
6 ffi, Armengut der Gemeinde 3 ffi und das Schulgeld; 3V2
x ) Nach der Teilung der Schule Eglisau in zwei „Successivschulen"
helief sich das Einkommen des „Oberlehrers" im Herbst 1802 auf
390 fl. 25 ß 8 Mr., das des Unterlehrers auf 204 fl. 37 ß. (Helv. Akten,
Staatsarchiv Zürich, K. IL 95.)
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— 102 —
Mütt Kernen aus dem Amt Töß, x k Mütt Kernen aus dem
Spital Winterthur und Holz.
Wie gestalteten sich nun die Besoldungsverhältnisse
nach der Staatsumwälzung?
Bei der hohen Einschätzung der Schule und der
erweiterten Aufgabe, die ihr zur Zeit der Helvetik vom
Staate zugeschrieben wurde, sollte man erwarten, daß
dieser auch darauf bedacht gewesen wäre, aus seinen Mitteln
ihr eine ökonomische Grundlage zu schaffen, die ihr die
Realisierung dieser Aufgabe ermöglicht hätte. Statt dessen
beraubte er sich gleich zu Anfang der Revolution seiner
Einnahmen durch Sistierung des Zehnten- und Grundzins-
bezuges und war damit ganz außer stände, für das "Er-
ziehungswesen namhafte Summen zu verwenden.
Nach einer Generalrechnung des Ministeriums der
Künste und Wissenschaften wurden von der helvetischen
Regierung folgende Summen für die öffentliche Erziehung
ausgegeben 1 ): 1798: nichts; 1799: Frk. 1512.25. 1800:
Prk. 12,566.95; 1801: Frk. 25,165.88; 1802: ? In den
Kanton Zürich kamen aber hievon im ganzen bloß 3137 Frk.
28 Rp., nämlich 96 Frk. für die Schulen in Eglisau, 400 Frk.
an die Verwaltungskammer zu Händen des Professors Brei-
tinger, 2240 Fr. zur Unterstützung des Gymnasiums in
Zürich und 401 Frk. 28 Rp. für Auslagen des Erziehungs-
rates.
Die Lehrer, die so viel von der Staatsumwälzung für
sich erhofft hatten, wurden arg enttäuscht; ihre ökonomische
Lage gestaltete sich schlimmer, als zuvor. Die helvetische
Regierung hatte zwar verfügt, daß die Staatsämter, wie
bis anhin, die Beiträge an die Besoldungen auszurichten
hätten; allein die Vorräte dieser waren nach Sistierung
des Zehnten- und Grundzinsbezuges infolge der hohen
i) Luginbühl, pg. 148/49.
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Kontributionen durch die Franzosen bald so erschöpft,
daß in den wenigsten Fällen von dieser Seite etwas ge-
leistet werden konnte. Auf Anordnung Stapfers fertigte die
Verwaltungskammer einen Etat aus über die Besoldungs-
rückstände aus den Staatsämtern. Dieser ergab, daß von
den 270V2 Mütt Kernen, 34' 2 Eimer Wein und 357 ffi an
Geld im Juni 1800 noch 23274 Mütt Kernen, 31 3 A Eimer
Wein und 303 S an Geld vom vorhergehenden Jahre aus-
standen. 1 ) So mußte auf andere Weise versucht werden,
der Notlage der Lehrer zu steuern. Schon im Herbst 1799
hatte Stapfer, der von allen Seiten mit Klagen und Be-
soldungsreklamationen überhäuft wurde, versucht, von der
helvetischen Regierung für die Besoldung der Lehrer
30,000 Fr. zu erwirken; die Zahlung wurde Jedoch, wie aus
den Ausgaben des Ministeriums für Künste und Wissen-
schaften vom Jahre 1800 hervorgeht, nicht geleistet.
(Siehe S. 102.) Den Bemühungen Stapfers ist es in erster
Linie zu verdanken, daß bei dem spärlichen Zufließen der
Loskaufssummen und der im umgekehrten Verhältnis zu-
nehmenden Notlage der Lehrer, der Vollziehungsrat am
24. September 1800 verfügte, daß die Gemeinden, deren
Schulmeister ehemals ganz oder zum Teil aus Zehnten be-
soldet wurden, diesen die erlittene Einbuße so lange in
Getreide oder Geld zu ersetzen hätten, bis die Besoldungen
durch ein Gesetz über die Zehnten wieder sichergestellt
seien. Die Munizipalitäten hätten jedem Bürger seinen
Pflichtteil zu bestimmen und die Beiträge einzuziehen, die
dann seinerzeit von den Loskaufssummen in Abzug ge-
bracht werden sollten. 2 ) Der Erziehungsrat erhob gegen
diesen Beschluß beim Minister die dringendsten Vor-
stellungen, „da diese Verfügung keine andere Folge haben
könne, als Gemeinde und Schulmeister in offenbaren Kon-
*) Helvetische Akten, Staatsarchiv Zürich. K. II. 95.
2 ) Strickler, Aktensammlung VI. 200.
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— 104 —
flikt zu bringen, in dem die sonst schon gedrückten Ge-
meinden dieses als eine neue Last ansehen und den, für
welchen sie diese tragen sollen, hassen werden, daß endlich
die meisten Gemeinden an den Ungehorsam gewöhnt und
jede Zahlung verweigern, ja geradezu erklären werden, sie
bezahlen nichts, daß also durch diese Verfügung die Lage
der Schulmeister nicht nur nicht verbessert, sondern ver-
schlimmert werde, indem zur Nichtbezahlung noch der Haß
der Gemeinde hinzu komme." 3 ) Wie sehr begründet die Be-
fürchtungen des Erziehungsrates waren, zeigte sich in der
•Folgezeit. Die Zehentpflichtigen in den Gemeinden
weigerten sich aufs hartnäckigste, die Bezahlung der bisher
aus den Staatsämtern geflossenen Beiträge auf sich zu
nehmen. Die Verordnung des Vollziehungsrates vom
22. Oktober 1800, wonach die Munizipalitäten diejenigen,
die sich widersetzten, zum Unterhalt der Lehrer nach
Pflichten beizutragen, rechtlich betreiben lassen sollten,
hatte nicht die gewünschte Wirkung. 1 ) Nicht einmal zur
Bezahlung des ordentlichen Schulgeldes wollten sich viele,
auch bemittelte Hausväter, verstehen, und da auch der
Schullohn für arme Kinder, der, wie wir hörten, bisher
aus dem Almosenamt oder andern Staatsämtern bezahlt
worden war, sowie die Beiträge aus den Schulfonds für
Stadt und Land ausblieben, 2 ) so war mancher Lehrer zeit-
weise tatsächlich ohne jegliches Einkommen, eine Tatsache,
3 ) Protokoll des Erz.-Rates. 1800. pg. 76.
*) Strickler, Aktensammlung VI. pg. 314.
2 ) „Der Schulfond ist nicht bloß von aller Barschaft in der Kasse
entblößt, sondern wohl eher gegen seinen Verwalter noch im Rück-
stand. Mit dem Friesischen Schullegat verhält es sich auf die näm-
liche Weise. Es stehen auf den Listen von mehr als einem Jahr her
mehrere, die flehentlich um Unterstützung angehalten und noch nicht
konnten getröstet werden. Der Zustand des Almosenamtes ist allgemein
bekannt." (Aus einem Schreiben des Erziehungsrates an Schulinspektor
Wolf in Wangen. Missiven des Erz.-Rates. 1801. f. 170/71.)
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— 105 —
der auch das Beschreiten des Rechtsweges nicht abzuhelfen
vermochte. „Unser Volk," meldete Schulinspektor Eber-
hard dem Erziehungsrat, „will sich zur Zeit von niemand
etwas befehlen lassen, und Geldforderungen können nur
durch Bajonette liquidiert werden. Der Rechtstrieb ist
liederlich geworden und steht nach der dritten Aufforderung
ganz stille; der Gerichtsbote will vom Schulmeister für
seine vergebliche Arbeit bezahlt sein, aber einen Schuldner
zu pfänden, darf er nicht wagen. — Und wo's noch etwa
geschieht, da ist alles im Hause bereits ins Pfandbuch der
Munizipalitäten eingetragen. Was ist zu maiphen?" 3 ) Wie
ein Hohn mußte es unter solchen Umständen erscheinen,
wenn der Vollziehungsrat am 4. Dezember 1800 den Lehrern
außer freier Wohnung eine Minimal-Jahresbesoldung von
80 Franken zuerkannte und diese am 28. August 1801
auf Wunsch einiger kantonaler Erziehungsbehörden auf
100 Franken erhöhte. 4 ) Der Erziehungsrat des Kantons
Zürich hütete sich denn auch wohl, dieses Dekret bekannt
zu geben, da es an den meisten Orten nicht einmal möglich
war, den Lehrern das viel geringere bisherige Einkommen
erhältlich zu machen. Er wollte „bei den Schulmeistern
nicht Hoffnungen erwecken, deren Nichterfüllung sie her-
nach nur kränken und abgeneigt machen würde, und den
meisten in dem gegenwärtigen Zeitpunkt nur kein Sinn
an eine solche Erhöhung komme, wenn sie nicht durch
dergleichen eilig gefaßte Beschlüsse darauf geführt würden,
daß sie im Gegenteil wohl zufrieden wären, wenn gehörig
dafür gesorgt würde, daß sie ihren alten gewohnten Lohn
in pleno auf die gehörige Zeit ohne Umtriebe erhalten." 1 )
Nachdem am 9. Juni 1801 die Wiedereinführung der
Zehnten und Grundzinse angeordnet worden war, 2 ) hielten
3 ) Helvetische Akten. Staatsarchiv Zürich. K. II. 93.
4 ) Strickler, Aktensammlung. VI. pg. 443 und VII. pg. 402.
!) Missiven des Erz.-Rates. 23. Nov. 1801.
2 ) Strickler, Aktensammlung. VII. pg. 18.
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es die gesetzgebenden Räte endlich für angezeigt, die
wieder fließenden Einnahmequellen auch den Lehrern zu-
gute kommen zu lassen. Der Senat beschloß nämlich am
26. Dezember 1801 3 ):
1. „Die Bezahlung der Geistlichkeit und Schullehrer
sowohl für ihre rückständige und laufende, als auch für
die zukünftige Besoldung ist von nun an wieder jedem der
betreffenden Kantone zu übertragen.
2. Hingegen ist schon jetzt jedem Kanton oder sonstigen
Collator der Genuß der demselben gehörigen verfallenen
Zehnten und Bodenzinse zugesichert, und die Verwaltungs-
kammern sind beauftragt, derselben Bezug laut bestehenden
Gesetzen angelegentlich zu besorgen.
3. Die Verwaltungskammern werden den sämtlichen
Ertrag kler für ihren Kanton verfallenen Zehnten und Grund-
zinse pünktlich im Sinne der bestehenden Gesetze, d. h.
zur Bezahlung der rückständigen und laufenden Forderungen
der Schullehrer (u. d. Geistlichkeit) verwenden und frei
der Verteilung die verhältnismäßige Gleichheit beobachten."
Daraufhin ließ der Erziehungsrat der Verwaltungs-
kammer einen neuen Etat über die rückständigen Lehrer- x
besoldungen zugehen, mit der dringenden Bitte, nun endlich
einmal „den Schullehrern zu ihrem so sauer verdienten
Einkommen" zu verhelfen. Allein die Zehnten und Grund-
zinse gingen nicht in der erwarteten Weise ein; überall
regte sich lebhafte Opposition gegen die wieder eingeführten
Feudallasten und die helvetischen Behörden besaßen zu
Schon die zürcherische Interimsregierung hatte am 26. Juni 1799
den Wiederbezug der Zehnten und Grundzinse anbefohlen und einige
Tage später durch einen Aufruf eine Sammlung von freiwilligen Bei-
trägen für öffentliche Bedürfnisse veranstaltet. Darauf gingen aus der
Stadt 27,245 fl. und von der Landschaft 9600 fl. ein. Über die Ver-
wendung dieser Mittel fehlen aber Nachrichten. (Strickler, Aktensamm-
lung, VI. 906/07.)
3 ) Strickler, Aktensammlung. VII. pg. 865 — 67.
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107
wenig Autorität, ihren Beschlüssen gehörig Nachdruck zu
geben. Die Lehrer mußten auch weiterhin auf dem Prozeß-
wege zu ihrer Besoldung zu gelangen suchen, wenn sie es
überhaupt wagen durften, auf diese Weise gegen die Ge-
meinden vorzugehen. Ein Distriktsinspektor schrieb dem
Erziehungsrat hierüber Folgendes: „Wie schmerzte es mich
in Rücksicht von manchem braven Schulmann zu hören,
er dürfe es nicht wagen, der Bezahlung wegen bei der Ge-
meinde gütlich oder rechtlich einzukommen, weil er kaum
des Lebens sicher, der Gegenstand des allgemeinen Hasses
und Fluches würde, und Gefahr liefe, die Schule ganz leer
zu sehen. Schon oft habe ich über Mittel nachgedacht*
wie dem Gesetze könnte Kraft gegeben werden, ohne die
Schulmeister Preis zu geben." 1 ) Auf Wunsch des Erzie-
hungsrates bestimmte deshalb die Verwaltungskammer den
Gemeinden einen Termin, innerhalb dessen diese ihre Lehrer
zu bezahlen hätten und verlangte als Beleg der erfolgten,
Auszahlung die Einsendung der Empfangscheine von den
Distriktsinspektoren. 2 ) Diese Verfügung hatte an manchen
Orten endlich die gewünschte Wirkung. Geordnete Verhält-
nisse im Besoldungswesen brachte jedoch erst die Me-
diationszeit.
Der Erziehungsrat hatte sich stets nach Kräften be-
müht, den Lehrern zu ihrem rechtmäßigen Einkommen zu
verhelfen, und seine Schuld war es nicht, wenn er hierin
keinen Erfolg hatte. „Für die ökonomische Subsistenz des
Schulwesens im allgemeinen," führte Erziehungsrat Schinz
an der zweiten Schulinspektoren-Konferenz am 16. Juni
1802 aus, „konnten wir freilich nichts anderes tun, als
jeden Anlaß und jede Gelegenheit ergreifen und bestens
benutzen, wo wir den höhern und höchsten Behörden das
dringende Bedürfnis so nahe wie möglich vor die Augen
!) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 72.
*) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 73.
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— 108 —
bringen konnten, daß den Schulen und den Schullehrern
eine zuverlässige ökonomische Subsistenz gegeben und ge-
lassen werde.
Wir sagten es an jedem schicklichen Ort und auf jede
schickliche Weise, so nachdrücklich wie möglich, daß man,
statt die schon vorhandenen Quellen zu verstopfen und
verstopfen zu lassen, statt ihnen, wenn man je von Wieder-
eröffnen spreche, bei dieser Operation, wenigstens das halbe
Wasser abgraben und nebenaus leiten zu wollen, daß man
statt dessen viel eher darauf denken sollte, zu den schon
vorhanden gewesenen, noch neue hinzuleiten, wenn man
nicht die großen Versprechungen, die auch in Absicht auf
den Volksunterricht, besonders von der gemeinhelvetischen
Regierung so reichlich gegeben worden, gänzlich und schänd-
lich täuschen wolle." 1 )
5. Die Lehrer.
a. Anstellung.
Vor der Organisation der Landschulen, im 16. Jahr-
hundert, wurden die „Schulmeister" von den Gemeinde-
bürgern erwählt. Irgend einem herumziehenden Fremden,
der sich dazu anerbot und den maßgebenden Per-
sonen tauglich erschien, wurde das Schulamt anver-
traut. Darin sah aber die Geistlichkeit eine Gefahr für
die religiöse Erziehung des Volkes und die Obrigkeit
verfügte deshalb 1580, „daß kein Fremder ohne Vorwissen
der Landvögte und der Pfarrer zu Schuldiensten angestellt
werden solle," „weil viele fremde Vaganten und Strölch-
ling herumlaufen, die sich mehrenteils für Studenten,
Schreiber und Schulmeister ausgeben, und ihre Dienst an-
x ) Protokoll des Erziehungsrates. 1802. f. 60 u. f.
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— 109 —
erbieten, da man aber nicht wissen mag, was es für eine
Gestalt um sie habe, und welcher Religion ßie seyen." 1 )
Mit der Organisation des Schulwesens auf der Land-
schaft wurden auch die Schulmeisterwahlen genauer ge-
regelt. Nach der Schulordnung von 1778 mußten die Schul-
stellen auf folgende Weise besetzt werden. Der Pfarrer
verkündigte die freie Stelle öffentlich von der Kanzel und
nahm die Anmeldungen entgegen. Mit einem von ihm aus-
gestellten Sittenzeugnis versehen, mußten sich die Schul-
amts-Kandidaten in Zürich zur Prüfung einfinden, die vom
Antistes, zwei Chorherren und dem Kantor vom Groß-
münster abgenommen wurde. Auf Vorschlag dieser Prü-
fungskommission wählte dann der Examinatorenkonvent den
Tauglichsten. 2 ) Die Prüfung beschränkte sich auf die
wenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die der Lehrer seinen
Schülern zu vermitteln hatte, nämlich auf Buchstabieren,
Lesen, Schreiben, Singen, „auswendig Beten und Fragen
aus dem Verstand". Für die Wahl ausschlaggebender als
das Resultat der Prüfung war mitunter das Sittenzeugnis
des Pfarrers, der darin den Kandidaten in erster Linie nach
seiner Stellung zur Kirche qualifizierte; denn vor allem
sollte darauf gesehen werden, daß die Schulen mit „treuen
und frommen" Schulmeistern besetzt würden.
Mit wenigen Ausnahmen waren die Lehrer Ortsbürger.
Dies erklärt sich namentlich aus der Abneigung der Ge-
meindebürger gegen die von jeder politischen Gleichberech-
tigung ausgeschlossenen „Hintersäßen" oder „Beisäßen",
i) Wirz, I. 361 u. f.
*) Nur ausnahmsweise geschah die Besetzung auf andere Art.
Der Schulmeister in Geroldswil war vom Gerichtsherr Meyer von Knonau
gewählt worden; der in Oberstammheim vom Abt zu St. Gallen auf einen
vom Examinatorenkonvent gegebenen Dreiervorschlag, der in Elgg durch
„Vogt und Räte zu Elgg", in Sternenberg und Wila durch den Kollator
von Breitenlandenberg. (Enquete 1799.)
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— 110 —
d. h. der nicht am Orte verbürgerten Niedergelassenen. 2 )
Der Erziehungsrat genehmigte jedoch später keinen Schul-
plan, in dem die Bestimmung enthalten war, daß ausschließ-
lich Bürger des Orts zu Schulmeistern erwählt werden
dürften. 3 )
Nach Einsetzung des Erziehungsrates wurde diesem die
Anstellung der Lehrer übertragen. Die vakanten Schul-
stellen mußten im zürcherischen „Wochenblatt" aus-
geschrieben werden. 4 ) Die Bewerber hatten sich beim Schul-
inspektor zu melden, der dann im Beisein des Ortspfarrers
und des „Agenten" die Prüfung abnahm. Gestützt auf den
vom Pfarrer über den Ausgang des Examens abgefaßten
„Verbalprozeß" wählte der Erziehungsrat einen der Kan-
didaten durch Abstimmung. Die Wahl galt lebenslänglich;
es mußte jedoch vom Minister der Künste und Wissen-
schaften jeweilen die Bestätigung derselben eingeholt
werden, vom Juni 1801 an aber nur noch in außerordent-
lichen Fällen. Die Einsetzung der Lehrer geschah durch
den Schulinspektor vor den versammelten Schulklassen und
in Gegenwart einiger Vorgesetzten. 1 ) Der Erziehungsrat
hatte „die heilige Verpflichtung, bey diesen Wahlen einzig
auf die Geschicklichkeit und Moralität derer zu sehen, die
2 ) „Diese waren überhaupt rechtlos und wurden nur insoweit ge-
duldet, als sie keinem Bürger oder Landmann hemmend in den Weg
traten. Ein Anrecht auf ihren Wohnsitz hatten sie nicht, immer hing
das Damoklesschwert der Ausweisung über ihrem Kopfe." (Oechsli, pg. 15.)
3 ) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 277.
4 ) „Da die Schulmeister-Stelle zu Landikon der Pfarr Birmensdorf
durch lange Entfernung des Schulmeisters durch den Tod seines Vicars
erledigt ist, so haben sich die Prätendenten auf diese Stelle in Zeit
von 14 Tagen an den Bürger Kammerer und Schulinspektor Brennwald
zu Maschwanden zu wenden, der ihnen den Tag des Examens bestimmen
-wird.
1. Juni 1801. Aktuar iat des Erziehungsrates."
(Zürcherisches Wochenblatt Nr. 45 v. 4. Juni 1801.)
!) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. f. 61.
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L
— 111 —
sich gemeldet haben, ohne auf die Umtriebe in den Ge-
meinden zu. achten", vor denen jedermann gewarnt wurde. 2 )
Durch ein häßliches Intriguenspiel suchten nämlich einzelne
Dorfmatadoren ihren Lehrer zu vertreiben, um einem ihrer
Verwandten zum Schulamte zu verhelfen.
Überhaupt waren die Lehrer zur Zeit der Helvetik vielen
Anfeindungen von Seite ihrer Gemeindegenossen ausgesetzt,
namentlich aus politischen Gründen. Durch Kränkungen,
Verleumdungen oder hartnäckige Weigerung die Kinder zur
Schule zu schicken, suchte man einen verhaßten Lehrer
freiwillig zum Rücktritte zu bewegen, oder durch den Schul-
inspektor beim Erziehungsrate Suspensation zu erwirken.
Diesem fehlte es jedoch, besonders zu Anfang der Re-
volutionszeit, an der nötigen Autorität, um die angefeindeten
Lehrer in Schutz nehmen zu können. Er mußte zufrieden
sein, wenn es ihm gelang, die Gemeinde zur Bezahlung einer
Entschädigung an den zurücktretenden Lehrer zu ver-
pflichten. 3 ) Die vom Amte zurückgetretenen Schulmeister
konnten sich wohl wieder an eine andere Schulstelle melden;
allein bei der herrschenden Abneigung gegen Ortsfremde
fiel es ihnen schwer, ein neues Schulamt zu erhalten. So
berichtete der Erziehungsrat dem Schulinspektor Schinz in
Oberglatt: „Ihres Gemeindegenossen Derrers werden wir
uns bei gegebenem Anlaß gern erinnern, obgleich die Ge-
legenheiten selten sind, wo ein Fremder in einer Ge-
meinde mit Willen kann untergebracht werden." 4 )
Ü
2 ) Proklamation der Verwaltungskammer vom 4. Juni 1801. Hel-
vetische Akten, Staatsarchiv Zürich. K. IL 93.
3 ) Dem Schulmeister Isler in Wädenswil wurden beim Rücktritt
180 fl. Entschädigung zugesprochen (Protokoll des Erz.-Rates. 1801.
f. 167) und die Gemeinde Manzenhub (b. Wila) mußte den grundlos ab-
gesetzten Schulmeister Reimann mit 20 ß für Umtriebe entschädigen
und ihm jährlich auf Ostern 10 ® ausbezahlen, bis er wieder eine Stelle
hatte. (Protokoll des Erz.-Rates. 1799. pg. 120.)
*) Missiven des Erz.-Rates. 1801. f. 241.
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— 112 —
Gar zu gern hätten die Gemeinden in ihrem erwachten
Freiheitsdrang die Autonomie betreffs der Lehrerwahl er-
worben. Vor Einsetzung des Erziehungsrates hatten einige
derselben die Gelegenheit benutzt, ihre Lehrer abzu-
setzen und eigenmächtig andere zu wählen, so Alten, Humli-
kon, Rikon (b. Effretikon), Ob.-Winterthur, Veitheim, Din-
hard u. a., 1 ) und der Erziehungsrat hatte alle Mühe, zu ver-
hindern, daß dieses Beispiel ungesetzlichen Verfahrens nicht
auch von andern Schulgemeinden nachgeahmt wurde.
Die Konstitutions-Kommission der zürcherischen Tag-
satzung, die im August 1801 einen Entwurf einer Kantons-
verfassung ausarbeitete, gedachte hinsichtlich der Lehrer-
wahlen den Gemeinden wieder mehr Rechnung zu tragen;
lud jedoch vorerst den Erziehungsrat ein, seine Ansicht
über die zweckmäßigste Wahlart der Lehrer zu äußern. 2 )
Dieser versäumte nicht, die Kommission in einem ausführ-
lichen Gutachten darauf aufmerksam zu machen, welch
höchst nachteilige Folgen es für das Schulwesen haben
müßte, wenn die Gemeinden ermächtigt würden, die Wahlen
selbst vorzunehmen. „Es würde," schrieb der Erziehungs-
rat, „vor der Wahl eines Schulmeisters gar oft Gelegen-
heit zu vielen gehässigen Umtrieben, Parteyungen und
Feindschaften geben, und, wenn er gewählt ist, seiner Arbeit
und der Frucht seiner Arbeit auf mancherley Weise im
Wege stehen, wenn ihre Ernennung dem freyen Willen der
Gemeinden überlassen würde. Die Prätendenten sind
meistens Dorfgenossen, für oder wider welche die meisten
ihrer Mitgemeindsbürger persönliches Interesse haben. Wie
groß ist da die Versuchung, dieses bey einer Wahl ins
Auge zu fassen und hingegen die Rücksichten auf die Fähig-
keiten, Talente und Ausbildung der Prätendenten aus dem-
selben zu verlieren. So würden die Wahlen meistens nicht
*) Helvetische Akten. Staatsarchiv Zürich. K. II. 93.
2 ) Missiven des Erz.-Rates. 1801. f. 117.
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— 113 —
auf den Fähigsten, sondern auf den fallen, der am meisten
Vermögen, Macht und Verbindungen, und deswegen vor
der Wahl am meisten Einfluß auf seine Mitbürger hat." 3 )
Trotz dieser Vorstellungen des Erziehungsrates setzte die
Kantonal-Tagsatzung in dem Verfassungsentwurf fest, daß
bei Schulmeisterwahlen in Zukunft den Gemeinden 3 ew eilen
drei Kandidaten vorzuschlagen seien, nämlich zwei vom Er-
ziehungs- und einer vom Gemeinderat. 4 ) Dagegen erhob der
Erziehungsrat bei der am 7. September in Bern zusammen-
tretenden helvetischen Tagsatzung energisch Protest, in-
dem er darauf hinwies, daß dadurch sein Vorschlagsrecht
nur „ein leeres Ceremoniell" sei, weil die Gemeinden doch
ohne Zweifel bei der Wahl den von ihrer Gemeindebehörde
proponierten Kandidaten berücksichtigen werden; die Mög-
lichkeit, die „parteiliche Wahl eines Untüchtigen und Un-
würdigen" zu verhindern, sei ihm damit genommen. 1 ) Da
die helvetische Tagsatzung durch den Staatsstreich vom
27. Oktober 1801 gesprengt wurde, und damit die kantonalen
Verfassungsentwürfe nicht weiter in Frage kamen, blieb
die Anstellung der Lehrer, wie vordem, beim Erziehungsrat.
b. Bildungsgrad.
Daß der durchschnittliche oder sogar weitaus vor-
wiegende Bildungsgrad der Lehrer kein hoher gewesen
sein kann, haben wir im Vorhergehenden schon mehr-
fach erkennen können, so gelegentlich der Erörterung
der Besoldungsverhältnisse. Die Anforderungen, die da-
mals an einen Jugenderzieher gestellt wurden, waren,
entsprechend der Einschätzung der Schule, sehr geringe.
Das zeigen uns am besten die an den Erziehungsrat ein-
3 ) Aus dem Schreiben des Erziehungsrates an die Konstitutions-
Kommission der zürcherischen Tagsatzung vom 26. August 1801. Missiven
des Erziehungs-Rates. 1801. f. 117.)
*) Protokoll des Erz.-Rates vom 26. August 1801. (f. 91.)
*) Missiven des Erziehungsrates. 1801. f. 154 u. f.
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114
gesandten „Verbalprozesse" über das Examen der Schul-
amts-Kandidaten, von denen wir folgende zur Veranschau-
lichung anführen:
1. „Rudolf Vontobel, Prätendent für die Schule Fägswil-
Rüti. Sein Examen war im Lesen und Schreiben nur mittel-
mäßig, seine Schrift ordentlich, aber nicht orthographisch.
Da er der einzige Prätendent und erst 15 Jahre alt ist,
so hat man ihn ernannt, in der Hoffnung, er werde sich
bemühen, das mangelhafte zu verbessern."
2. „Hs. Kasp. Schoch, Prätendent für die Schule über-
schlagt, buchstabierte brav und richtig; aber er las ziemlich .
gemein. Auf die Fragen über das Gelesene gab er zum
Teil befriedigende Antworten. Im Gesänge langen seine
Kenntnisse nicht weit. Die Schrift ist kalligraphisch und
orthographisch gemein."
3. „Heinrich Müller, Prätendent für die Schule Unter-
schlatt, buchstabierte und las gut und richtig. Die Fragen
über das Gelesene beantwortete er zur Zufriedenheit. Für's
Gesang hat er keinen Sinn und eine falsche Stimme. Die
Schrift ist kalligraphisch und orthographisch ordentlich." 1 )
Trotz dieser geringen Anforderungen fehlte es oft an
geeigneten Kandidaten für das Schulamt, sodaß sich der
Erziehungsrat im Herbst 1800 genötigt sah, an manchen
Orten die Lehrer nur für das laufende Winterhalbjahr zu
ernennen, in der Hoffnung, daß die Regierung bald etwas
für die Heranbildung tüchtiger Lehrer tun werde. 2 ) Staat-
liche oder private Lehrerbildungsanstalten fanden sich bis
dahin keine vor; man hatte keine Notwendigkeit zur Er-
richtung solcher erkannt. Es blieb durchaus den Bewerbern
um Schulstellen überlassen, sich auf irgend eine Weise
auf das Schulamt vorzubereiten. Gewöhnlich traten diese
!) Protokoll des Erz.-Rates vom 31. Jan. 1799. (pg. 39.)
2 ) Helvetische Akten. Staatsarchiv Zürich. K. II. 93.
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— 115 —
bei einem „Schulmeister" als Adjunkt „in die Lehre", 3 ) oder
suchten sich die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten durch
Privatunterricht beim Ortspfarrer zu erwerben. Wer not-
dürftig buchstabieren, lesen, schreiben, die Fragen des
Katechismus und einige Lieder und Gebete konnte, glaubte
sich zur Schulführung genügend vorbereitet. Die Schul-
ordnung selbst enthielt keine Bestimmungen über die Be-
rufsvorbereitung, wohl aber über die weitere Fortbildung
der Lehrer. Im XIV. Artikel wird nämlich gefordert: „Es
soll auch der Schulmeister nicht nur nach seinem besten
Vermögen die Schulkinder unterrichten, sondern auch seine
Fähigkeit und Geschicklichkeit dazu vermehren, und sich
immer zu seinem Berufe tüchtiger zu machen trachten.
Zu dem Ende hin soll er von dem Hrn. Pfarrer Unterricht
und Rat willig annehmen \^d denselben befolgen, alle zum
besten der Schule von dem H. Pfarrer gemachten Anord-
nungen und Einrichtungen gern befördern helfen: auch soll
er mit einem guten Herzen annehmen, wann ihn der H.
Pfarrer in dem einen oder andern Teil seines Unterrichts
oder der Schuleinrichtung Fehler zeigt und dieselben zu
Folge seiner Anweisung gern verbessern." Wo sich die
Pfarrer herbeiließen, an der Fortbildung der Lehrer mit-
zuwirken, stießen sie bei diesen oft auf Widerstand. 1 ) Die
3 )Hofstetten: „Hab mich zu diesem Beruf bey dem vor-
letzten Schulmeister zu Zell, der sich durch seine Rechtschafenheit,
Biedersin und Geschicklichkeit auszeichnete, unterrichten lassen."
Waltenstein: „War ein Jahr bei einem Schulmeister in der
Lehr."
D i e 1 s d o r f : „Hat sich von Jugend auf Theils von seinem Seligen
Vater, der auch Schull-Meister war, Theils von Herrn Pfarrer Thomann
Seligen zum Schuldienst bilden und bey dem Schulmeister zu der Ober-
straß bey Zürich in allen einem Landschulmeister damahls Nöthigen
Kenntnissen Unterrichten lassen."
Schönenberg: „Ich lasse mich unterrichten in otengravi u. a. m.
von B. Pfarrer Finsler in Schönenberg". (Enquete 1799.)
x ) Lehrer Georg Peter in Hagenbuch erklärte seinen Rücktritt
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— 116 —
Fälle, da die Lehrer selbst das Bedürfnis nach Weiteraus-
bildung empfanden, waren seltene Ausnahmen. 2 ) Zur Er-
klärung dieser wenig schmeichelhaften Tatsache müssen wir
nochmals an die schlechte wirtschaftliche Lage der Lehrer
erinnern; denn sie mußten die ihnen neben dem Schulamt
zur Verfügung stehende Zeit in erster Linie zur Vermehrung
ihres kärglichen Einkommens verwenden.
Aus dem niedern Bildungswesen der Lehrer und der
Art ihrer „Nebenbeschäftigung" läßt sich schon ersehen,
daß sich die Kandidaten aus den untern Gesellschafte-
schichten rekrutierten; die Enquete bestätigt das: Tage-
löhner, Knechte („Güterarbeiter"), wohl auch etwa Klein-
bauern stellten das größte Kontingent; daneben finden wir
auch alle möglichen Handwerke vertreten, vorzugsweise
natürlich solche, die sich auch neben der Schule betreiben
ließen, so das Gewerbe des Webers, Schneiders, Schusters
u. a. (Siehe Tabellen i. A.)
c. Alter und Familienverhältnisse.
Da die Ausübung der Lehrtätigkeit nicht an die Absol-
vierung eines bestimmten Bildungsganges gebunden war,
finden wir hinsichtlich des Alters beim Amtsantritt die
größten Unterschiede. Vom Jüngling bis zu dem in denJFünf-
zigerjahren stehenden Mann sind alle Altersstufen vertreten.
Die Fälle, wo noch nach dem vierzigsten Altersjahr der Lehrer-
beruf ergriffen wurde, sind gar nicht selten. Vorwiegend
waren es Ältere und Verheiratete, die sich für Schulstellen
meldeten. 1 ) Das geringe Ansehen und die unzulängliche
vom Schuldienst infolge eines Verweises, den er von der Gemeinde er-
halten hatte, weil er den vom Ortspfarrer ihm anerbotenen Unterricht
nicht benutzte. (Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 141.)
2 ) Eine solche machte der Lehrer iu Ob.-Embrach, der mehrmals
von der naturforschenden Gesellschaft in Zürich gestellte Preisaufgaben
löste. (Enquete 1799.)
x ) Die Enquete weist im ganzen bloß 35 Unverheiratete auf.
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^*S^3
— 117 —
Besoldung der Lehrer waren nicht dazu angetan, Junge
Leute zu ermutigen, sich dem mühevollen Schulamte zu
widmen. Mit wenigen Ausnahmen hatten also die Lehrer
früher einen der oben angeführten Berufe betrieben und
sich erst später durch mehr zufällige äußerliche Momente
bestimmen lassen, sich für eine Schulstelle zu melden. Wo
wir jüngere Lehrer finden, sind es gewöhnlich Lehrers-
söhne, die sich zu Hause frühzeitig für den Lehrerberuf
vorbereitet hatten, indem sie ihrem Vater einige Jahre
als „Adjunkt" dienten. Meist behielten die Schulmeister
ihre Stelle bis zum Ableben bei; Rücktritte des Alters
wegen kamen nur ausnahmsweise vor. Altern Lehrern wurde
daher etwa als Beihilfe ein „Adjunkt" beigegeben; weil
sie diesen jedoch selbst zu besolden hatten, machten sie
nur im äußersten Notfalle davon Gebrauch, zum Schaden
der Schule.
d. Nebenbeschäftigungen.
Unsere Darlegungen über die Besoldungsverhältnisse
haben gezeigt, daß die Mehrzahl der Lehrer auf Neben-
verdienst angewiesen war; diesen boten ihnen einer-
seits die Ausübung ihres früheren Berufs und ander-
seits Stellungen im Dienste der Kirche, die, wie früher
gezeigt wurde, in der Schule nur eine Tochteranstalt,
im „Schulmeister" ihren „Knecht und Diener" sah. 1 )
Gewöhnlich war der „Schulmeister" zugleich Sigrist und
Vorsinger; gerade dadurch aber kam er in ein oft lästiges
Abhängigkeitsverhältnis zu Pfarrer und Stillständern der
Gemeinde. Seine Pflichten als Sigrist waren sehr mannig-
faltige. Nach der Sigristenordnung „soll der Sigrist in
!) Der Schulmeister läßt sich von mir bey seinen Schulverrich-
tungen willig führen. Freilich trägt das nicht wenig dazu bei, daß
er glaubt, es stehe in meiner Gewalt, wenn er mir Ursache dazu gäbe,
die Schule ohne weitere Umstände durch einen andern halten zu lassen;
er sey halt nur mein Knecht." (Aus dem Schulbericht von Pfarrer
Nüscheler in Turbental. Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.)
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— 118 —
den Predigten und, Kinderlehren Acht haben auf alles, was
den Prediger an der Lehr und den Zuhörer an der Andacht
und Aufmerksamkeit verhindern möchte, dass die Jugend
an den ihr gewidmeten Plätzen sitze, und niemand ohne
Noth aus der Kirch laufe, daß keinerley Arten von Un-
gebührlichkeiten, es seye von Menschen oder Tieren in der
Kirche begangen werden." Von ihnen ist ferner die Rei-
nigung und Instandhaltung der Kirche und ihrer Geräte,
sowie das „Läuten zu gottesdienstlichen Stunden" zu be-
sorgen. „Er darf niemal außer die Gemeine gehen, oder
an einem fremden* Ort über Nacht bleiben, ohne dass er
es dem Pfarrer anzeige und frage, wem er die Kirchen-
schlüssel und seinen Dienst in seiner Abwesenheit über-
geben dürfte, er muss sich früh und spat willig finden
lassen, wo er von dem Pfarrer Amts und Diensts halber
geschickt wird, weil er an allen Orten für den Diener
des Pfarrers in desselben Amtsverrichtungen zu halten
ist." 2 ) So kam es, daß manche Pfarrer den Lehrer in
erster Linie nach seinen Leistungen im Dienste der Kirche
werteten und selbst in amtlichen Berichten stets von
„ihrem" Schulmeister sprachen.
Die neue Staatsverfassung, die ein großes Beamten-
heer schuf, brachte vielen Lehrern durch Übernahme einer
Schreiberstelle bei einer Gemeinde- oder Distriktsbehörde
eine weitere Einnahmequelle. Andere Lehrer, die —
sei es aus Überzeugung oder aus egoistischer Berechnung
— sich „den Männern der neuen Ära" angeschlossen oder
wenigstens genähert hatten, erhielten auch das Amt eines.
„Unteragenten", „Agenten" oder Distriktsrichters. Die
letztern wurden jedoch durch dieses Amt so sehr in An-
spruch genommen, daß sie ihrem Hauptberufe als Lehrer
beinahe gänzlich fernbleiben und sich durch einen Schul-
adjunkten vertreten lassen mußten. Auf vielfache Klagen
2 ) Wirz, L, pg. 163 u. f.
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— 119 —
über so weitgehende Nebenbeschäftigungen der Lehrer ver-
fügte der Erziehungsrat, daß solche Schulmeister vom Lehr-
amte zurückzutreten, oder ihre anderweitige Betätigung auf-
zugeben hätten, „weil es den Ordnungen und Pflichten eines
Schulmeisters zuwider sei, ein Amt zu bekleiden, dem er
ohne Verabsäumung des erstem Genüge leisten könne, und
man keine Titulaturschulmeister haben wolle, die zwar das
Einkommen bezögen, aber ihrem Berufe nicht persönlich
und ununterbrochen oblägen." 1 )
6. Versuche zur Hebung der Lehrerbildung.
In richtiger Erkenntnis, daß eine tiefergehende Re-
organisation des Volksschulwesens nur durch Hebung des
Bildungsstandes der Lehrer möglich sei, nahm Stapf er gleich
zu Anfang seiner Tätigkeit als Minister die Errichtung von
besondern Lehrerbildungsanstalten oder Normalschulen in
Aussicht. „So unentbehrlich und dringend auch eine ge-
setzliche Verfügung über das gesamte Erziehungswesen,
sein mag," schrieb er ans Direktorium, „so ist doch die
Bildung tüchtiger Landschullehrer noch viel dringender. Die
schönsten Pläne scheitern, die zweckmäßigsten Gesetze sind
vergebens, die trefflichsten Lehrbücher helfen nichts, wenn
ihre Ausführung, Erfüllung und Benützung unwissenden,
ungebildeten Menschen überlassen bleibt. Darum ist und
bleibt die erste Sorge einer Regierung, die das Wohl des
Volkes will, die, für Heranbildung eines seiner Aufgabe
gewachsenen Lehrerstandes zu sorgen." 2 ) Schon in dem
Dekret vom 24. Juli 1798, das die Einsetzung einer be-
sondern kantonalen Unterrichtsbehörde verfügte, war an-
geordnet worden, daß der Erziehungsrat dem Unterrichts-
!) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. -136.
•) Luginbühl, pg. 152.
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— 120 —
minister ein Verzeichnis der Lehrer und Prediger einzu-
senden habe, die er zur Einrichtung und Leitung der
„Normalschulen" am tüchtigsten halte. Der Minister hatte
sich auf Grund dieser Liste für den zukünftigen Direktor
der „Normalschule" zu entscheiden, dessen erste Aufgabe
sein sollte, unverzüglich einen Plan über die Einrichtung
der neuen Bildungsanstalt einzusenden. Bis diese Normal-
schulen im Gange sein werden, verpflichtete sich die Re-
gier ung, diejenigen Lehrer oder Prediger, die die besten und
meisten Dorfschullehrer würden gebildet haben, der Er-
kenntlichkeit der Nation zu empfehlen und mit Prämien zu
belohnen. 1 )
Ob der zürcherische Erziehungsrat das gewünschte
Verzeichnis einsandte, haben wir nicht in Erfahrung bringen
können; doch hatte das Dekret zur Folge, daß dem Minister
von verschiedenen Seiten Vorschläge, die Lehrerbildung be-
treffend, eingingen. Der erste bestand in einer längern
Abhandlung von Professor Schultheß in Zürich, betitelt:
Etwas über die Bildung der Landschulmeister. 2 ) Von der Er-
richtung besonderer Lehrerseminarien rät der Verfasser
aufs entschiedendste ab. „Mein Wunsch ist," führt er
aus, „daß es nicht eigentliche Seminarien gebe. Ein
Seminarium ist eine sehr zweideutige Sache. Mich däucht,
daß alle Gemeinhäuser, in denen man nicht familienweise
zusammenlebt, dem Staate und einzelnen Gliedern desselben
mehr Schaden als Vorteile bringen, daß sie mit der Lebens-
art, wozu uns die Natur und die bürgerliche Verfassung
bestimmen, streiten, daß sie stets eine Art Klöster, ein
Status in statu seien. Dergleichen Institute sind meines
Bedünkens, besonders für junge Leute vom Lande, in einer
Stadt oder an einem stadtähnlichen Orte, wenn man den
sittlichen Einfluß betrachtet, ebenso gefährlich, als sie
x ) Strickler, Aktensammlung. IL 609.
2 ) Bundesarchiv, H. Bd. 1422. f. 210 u. f.
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— 121 —
ihrem Wissensgut zuträglich sein mögen. Nicht nur ver-
leiten sie einander zu allerhand Ausschweifungen und ge-
wöhnen sich kostbare Bedürfnisse an, sondern sie lernen
Herren agieren, werden Stutzer und nehmen einen dummen
Hochmut an, der nachher, wenn sie in ihr Dorf und unter
ihr niederes Dach zurückkehren sollen, eine fatale Un-
zufriedenheit mit ihrem Zustande, einen vornehmen Ekel
gegen alles, was um sie her ist, Trotz gegen Obere und
Neuerungssucht zur Folge hat. Solche halbgelehrte Narren
würden besonders die Pfarrer verachten, oder wenigstens
im Vergleich mit ihnen geringschätzig zu machen suchen,
Eingriffe in das Amt derselben tun und ihnen auf keine
Weise nachstehen wollen." Statt die Lehrerbildung in be-
sondere Seminarien zu verlegen, empfiehlt Schultheß, gut-
geartete Jünglinge, die Lust und Fähigkeit zum Lehramt
haben, einem musterhaften Schulmeister in die Lehre zu
geben, wie es bis anhin schon an mehreren Orten üblich
war. „Die Zöglinge blieben dann immer in dem natür-
lichen Kreise eines ihrem künftigen Leben und Vermögen
angemessenen häuslichen Lebens, von Versuchungen und
Verführungen entfernt und hätten dann an ihrem Lehrer
auch ein sittliches Vorbild, welches sie weit besser und
traulicher genießen könnten, wie in einem Seminarium, wo
es wegen der Menge der Zöglinge nicht möglich wäre. Ein
anderer Weg wäre auch der, wenn die Pfarrer sich die
Mühe nehmen würden, junge Leute zu tüchtigen Schul-
meistern heranzubilden; allerdings müßte dann vorerst da-
für gesorgt werden, daß die Pfarrer selbst im Schreiben,
Rechnen und Singen einen Grad von Geschicklichkeit haben,
der unter ihnen bei weitem nicht allgemein ist. Besser
aber und ausführbarer als alle diese Projekte wäre es,
wenn die Pfarrer und die Kandidaten des Predigtamtes,
wie es zur Zeit der Reformation und nach derselben eine
Zeit lang der Fall gewesen, in den Schulen arbeiten würden,
nicht daß sie eigene Schulmeister ganz überflüssig machen
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— 122 —
sollten, aber daß sie alles, was über das Mechanische hin-
ausginge, übernehmen." Bis zum 12. Altersjahr sollte die
Jugend vom Lehrer, von dieser Zeit an jedoch vom Pfarrer
und zwar vier Stunden wöchentlich Unterricht erhalten.
In größern Gemeinden, wo die Pfarrer dadurch zu sehr
in Anspruch genommen würden, erhielten sie als Beihilfe
einen Kandidaten des Predigtamtes. „Freilich müßten zur
Erreichung dieser Absicht die Studien der künftigen Land-
pfarrer teilweise anders eingerichtet werden als bisher, be-
sonders hätten sich diese die Pädagogik theoretisch-praktisch
zu eigen zu machen. So aber würde die Nutzbarkeit des
Prediger Standes ungemein vervollkommnet; wenn hingegen
durch einen höhern Grad von Ausbildung der Landschul-
lehrer dieselben noch weiter als jetzo vom Schulwesen ent-
fernt würden, ihre Wertachtung bei dem Volke einen töd-
lichen Schlag erlitte. Wird doch kein Verdienst an einem
Landprediger von ßeinen Pfarrgenossen mehr geschätzt und
verdankt, als was er an der Jugend tut. Daß endlich
Personen, welche von erster Jugend an den Studien ob-
gelegen und eine ganz wissenschaftliche Kultur genossen
haben, Logik und Psychologie mit Pädagogik vereinigen,
die Natur, Perfektibilität und Bestimmung des Menschen
aus dem höchsten Standpunkt übersehen, etwas weit voll-
kommeneres mit mehr Humanität und Liberalität leisten
könnten, als ein noch so guter Zögling eines Schulmeisters^
Seminariums, kann nicht leicht bezweifelt werden."
Ein zweites Projekt über Lehrerbildung wurde dem
Minister im September 1798 von Dekan J. Nägeli in Wetzikon
zugestellt. 1 ) Da dieses zum Ausgangspunkt der Be-
mühungen zur Errichtung einer Normalschule im Kanton
*) Die Eingabe ist betitelt: „Über Seminarien für künftige 'Land-
schulmeister in Helvetien und besonders im Kanton Zürich." Sie ist
enthalten in den „Papieren Heß" im Bundesarchiv und mir vom Be-
arbeiter der Helvetischen Aktensammlung, Herrn Archivar Dr. J. Strickler,
gütigst in Abschrift zur Benutzung überlassen worden.
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— 123 —
Zürich wurde und bemerkenswerte Vorschläge über das
Maß der, zu fordernden Bildung enthält, lassen wir das
Wesentlichste der Eingabe folgen.
Nägeli wünscht, daß man die sechs Diakone (Hilfs-
geistliche, Kapitelshelfer) im Kanton Zürich, zu Eglisau,
Bülach, Kilchberg, Winterthur, Turbental und Wald mit
der Ausbildung künftiger Lehrer betraue. „Alle sechs
müßten aber im Lande verteilt werden, je einer von dem
andern etwa vier Stunden entfernt. Drei derselben würden
bleiben, wo sie sind, nämlich die in Winterthur, Turbental
und Bülach. Die Wohnhäuser und Angel^nde der drei
übrigen würden verkauft, der Helfer von Eglisau nach Albis-
Affoltern, der von Kilchberg nach Herrliberg, und der von
Wald nach Wetzikon verpflanzt. Jeder Diakon hätte einen
Schulkreis von etwa vier Stunden im Durchmesser, folglich
müßte er die Aspiranten auf Schuldienste in einem Bezirke
von etwa 16 Quadratstunden unterrichten. Ein jeder könnte
entweder Morgens früh oder gegen Nachmittag mit einem
Stück Brot in der Tasche seine ein oder zwei Stunden
weit zum Helfer gehen, 2 — 3 Stunden unentgeltlich Unter-
richt empfangen und dann wieder nach Hause zurückgehen.
Jeder müßte aber ein Zeugnis vom Pfarrer mitbringen über
gute Aufführung und anscheinende Fähigkeit. Ein jeder
müßte wenigstens 14 Jahre alt sein, richtig lesen, Psalmen
singen und leserlich schreiben können. Der Zulauf würde
ohne Zweifel im Anfang so stark sein, daß des Helfern
Stube nicht alle fassen möchte und er sie in Klassen ab-
teilen müßte."
„Worin müssen nun aber künftige Landschulmeister
unterrichtet werden? Wenn schon die meisten Landleute
ihre Kinder nicht viel teils wollen, teils können lernen
lassen, so gibt es doch auch einige lernbegierige, und alle-
mal sollte doch der Schulmeister mehr wissen, als die
Kinder zur Notdurft und als die meisten Eltern. Darum
muß er selbst unterrichtet sein im richtig Buchstabieren,
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— 124 —
im verständlichen und richtig accentuierten Lesen, im
fehlerlosen Auswendigschreiben, Briefstellen etc., zu dem
Ende auch in der deutschen Grammatik und Syntax, ferner
im Singen mit Kenntnis der ganzen und halben Töne, großer
und kleiner Terzen, zu richtiger Unterscheidung des härten
und sanften Gesanges, in der christlichen Glaubens- und
Sittenlehre, in der biblischen, etwas auch in der allgemeinen,
mehr aber in der vaterländischen Geschichte und Kenntnis
unserer neuen Konstitution, etwas in der allgemeinen, mehr
aber in der helvetischen Geographie, in der Rechenkunst,
in den Elementen der Physik, vornehmlich in Absicht auf
unsern Feldbau, Gesundheitskatechismus etc. Alles, was
er lernt, muß er auch können in Frage und Antwort zer-
legen, um es wieder seine Schüler zu lehren.
Zur Übung und zum Beweise seiner Aufmerksamkeit
und seines Verstandes sollte er von den angehörten
Predigten Grundrisse zu Papier bringen, um seine Repetier-
schüler auch darnach fragen zu können. Wäre der Aspirant
hinlänglich unterrichtet, so müßte er gleiwohl alle halbe
Jahre zu bestimmter Zeit sich wieder beim Helfer zu einem
Examen nebst andern Entlassenen einfinden, seine Predigt-
Excepte etc. mitbringen und sich prüfen lassen, ob er in
seiner Wissenschaft nicht zurückgekommen. Dieses Semi-
narium würde unter der besondern Aufsicht des Orts-
pfarrers und der Visitation jedes Kapiteldekans stehen."
Diesen Vorschlag griff der Minister auf und be-
absichtigte vorerst in Wald, wo die Kapitelshelfer ei in-
folge Beförderung des dortigen Diakons zum Pfarrer in
Rüti erledigt worden war, eine Normalschule zu errichten.
Anfangs Dezember 1798 verlangte er von der Verwaltungs-
kammer in Zürich Auskunft über die Verwendbarkeit der
in Frage kommenden Gebäulichkeiten, und den Erziehungs-
rat ersuchte er, ihm umgehend zu berichten, wie die Schule
in Wald beschaffen sei, ob der Pfarrer zu einem tüchtigen
Mitarbeiter an dem Institut gewonnen werden könne und
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— 125 —
ob sich Hilfsmittel zur Unterstützung einer Anzahl Semi-
naristen ermitteln ließen. Die Berichte der Verwaltungs-
kammer und des Erziehungsrates lauteten beide ungünstig.
„Die Schule zu Wald," schrieb der Erziehungsrat, „ist von
den übrigen Landschulen nicht verschieden; es wird weder
mehr noch weniger darin gelehrt, als in andern Schulen.
Eine Gemeinde von mehr als 3000 Seelen mit zwei Haupte
schulen und vier Nebenschulen erfordert die Tätigkeit eines
kraftvollen Mannes, und es wäre zu fürchten, daß bei Ver-
einigung der Pfarrgeschäfte mit dem Unterricht an der
Normalschule keines von beiden gehörig betrieben würde.
Die zur Bestreitung von Schulanstalten bestimmten Fonds
haben soviel gelitten, daß sie kaum noch die ersten Be-
dürfnisse befriedigen können, und neue Hülfsquellen lassen
sich in diesem Zeitpunkt schwerlich auffinden. Wenn man
dem einen etwas geben wollte, so müßte man es einem
andern nehmen. Wald liegt überdies an der Grenze des
Kantons und zwar an einer der entferntesten. Die Auf-
sicht wird dadurch sehr erschwert. Es mangelt an allen
wissenschaftlichen Subsidien, insoweit sie zu diesem Zwecke
nötig sind und, was noch mehr ist, am Umgang mit ge-
bildeten Leuten. Letzteres scheint für künftige Schullehrer
durchaus notwendig. Ferner wäre die Helferei wohl zu
der Wohnung eines Direktors, aber zu nichts anderem taug-
lich. Es könnte nicht einmal ein Zimmer für den Unter-
richt abgetreten werden. Endlich müßten die Lehrer eine
Besoldung erhalten. In der Stadt wäre, der Fall anders.
Da dürften sich Leute finden, welche zum Teil ohne Be-
zahlung, zum Teil ohne große Forderung sich diesem Ge-
schäfte unterziehen würden." 1 ) Da man also vorläufig von
der Errichtung besonderer Schulseminarien absehen müsse,
beantragte der Erziehungsrat, sich mit folgenden Interims-
*) Protokoll des Erz.-Rates vom 20. Dezember 1798; vergl. Morf,
Zuf Biographie Pestalozzis, pg. 41.
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— 126 —
mittein zu behelf en. Nach Einführung einheitlicher Normal-
bücher in allen Schulen sollten in jedem Distrikt einige
geschickte Männer geistlichen und weltlichen Standes ge-
sucht werden, die sich bereit fänden, den Schulmeistern
den Gebrauch dieser Normalbücher in den Schulen zu er-
klären. Dadurch würde einmal der Unterricht in allen
Schulen des Kantons nach den nämlichen Grundsätzen er-
teilt und außerdem könnten den auf diese Weise vor-
gebildeten Lehrern die zum Schuldienst fähigen und Lust
bezeigenden Leute „in die Lehre" gegeben werden. Da
jedoch die erwähnten Lehrmittel nie erschienen, kam dieses
Interimsmittel niemals zur Anwendung. 2 )
Durch den Hinweis des Erziehungsrates, daß es wohl
leichter ausführbar wäre, eine Normalschule in der Stadt
zu gründen, verfiel der Minister darauf, diese mit dem
Gollegium Alumnorum im Zuchthof in Zürich zu verbinden.
Das Alumnat diente zur Ausbildung unbemittelter Stu-
dierender der Theologie. Die Alumnen, gewöhnlich 15 an
der Zahl, hatten alle Freiplätze. 3 ) Stapfer gedachte fünf
dieser Freiplätze mit Lehrerzöglingen zu besetzen und diese
von den vier ältesten Alumnen unterrichten zu lassen. Der
Erziehungsrat konnte sich aber auch mit diesem Vorschlag
nicht befreunden. Einerseits glaubte er die Alumnen in-
folge ihrer ungenügenden Vorbildung als Lehrer nicht ge-
eignet, und anderseits wies er darauf hin, daß fünf Frei-
plätze bei der Menge der Schulen des Kantons doch bei
weitem nicht genügen würden, daß also damit soviel wie
nichts gewonnen wäre. So ließ Stapf er auch dieses Projekt
fallen.
2 ) Dieser Vorschlag wurde weiter ausgeführt von Diakon Jon. Georg
Schultheß in seinem „Entwurf eines Interimsinstitutes zur Bildung der
Landschullehrer", abgedruckt in Steinmüllers Helvetischer Schulmeister-
Bibliothek. IL pg. 192—219.
3 ) Näheres über das Alumnat s. b. Wirz, I. pg. 374 u. f.
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— 127 —
Bei Anlaß einer Eingabe des Erziehungsrates an den
Minister im Jahre 1801 über die Neuordnung der innem
Disziplin und der Beaufsichtigung des Alumnates, wünschte
Mohr, der Nachfolger Stapfers, neuerdings, daß mit diesem
Institut eine Bildungsanstalt für Lehrer möchte verbunden
werden. Trotzdem er dabei von der Verwaltungskammer
aufs lebhafteste unterstützt wurde, konnte sich der Er-
ziehungsrat, dem die Aufsicht und die Besetzung der Frei-
plätze zustand, auch jetzt nicht dazu entschließen, das In-
stitut dem erwähnten Zwecke dienlich zu machen. 1 )
Inzwischen suchten sich die „Prätendenten" auf Lehr-
stellen, wie bisher, vorzubereiten, indem sie einige Zeit
bei einem Schulmeister „in die Lehre" gingen. Um diese
Vorbereitung etwas einheitlicher zu gestalten, stellte der
Erziehungsrat im April 1802 ein Regulativ auf für die
Prüfung der Kandidaten, das allen schon angestellten
Lehrern zugeschickt wurde, „damit sie die Schulmeister-
Aspiranten in Kenntnis setzen können, was von ihnen an
der Prüfung verlangt werde, und damit sich aber auch die
bereits angestellten Schulmeister selbst vervollkommnen
könnten." 2 )
Dieses Regulativ enthielt hinsichtlich der Prüfungs-
gegenstände 20 Fragen, nach denen der Schulinspektor die
Prüfung vorzunehmen und über den Ausgang derselben dem
Erziehungsrat ausführlichen Bericht zu erstatten hatte.
Wir lassen diese, als charakteristisch für die Mehranforde-
rungen, die man bei der höhern Wertung der Schule an
die Lehrer stellte, folgen:
Buchstabieren.
1. „Buchstabiert er richtig und mit Fertigkeit im Buch?
2. Hat er auch im Auswendigbuchstabieren Fertigkeit?
!) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. f. 127 u. f.
2 ) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 67.
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— 128 —
3. Ist es bloß Übungssache bey ihm, oder kennt er die
Regeln des Syllabierens?
Lesen.
4. Wie ist sein Lesen beschaffen, in Absicht auf fertige,
richtige und deutliche Aussprache der einzelnen Sylben
und Worte?
5. Wie in Absicht auf richtigen Ton- und Vortrag eines
ganzen Satzes?
6. Hat er Kenntnis von den Unterscheidungszeichen?
7. Wendet er diese im Lesen an?
8. Weiß er vorgelegte Fragen über eine gelesene Stelle
richtig zu beantworten, daß man sieht, er sey gewohnt
mit dem Lesen der Worte auch Gedanken zu verbinden?
9. Kann er die Hauptpunkte des Catechismus auswendig
und auch einige Psalmen und Lieder? Wie recitiert er
diese?
Singen.
10. Wie ist seine Stimme beschaffen?
11. Hat er einige theoretische Kenntnis von der Bedeutung
der Schlüssel und Noten?
12. Oder singt er ohne diese Kenntnis, dennoch richtig und
mit einiger Fähigkeit nach den Noten?
Schreiben.
13. Kann er eine Feder ordentlich schneiden? (Es wird
nach Übung der meisten B. Schulinspektoren eine von
- Jedem Candidat geschnittene beygelegt.)
14. Wie ist sein Buchstabe beschaffen? (Es wird darüber
von Jedem eine Probeschrift beygelegt.)
15. Hat er Fertigkeit in der Rechtschreibung? (Es wird
darüber den Kandidaten eine» Stelle diktiert und die-
selbe mit Bemerkung der Fehler eingesandt.)
16. Weiß er die Regeln der Rechtschreibung, oder ist das,
was er darüber leistet, bloß Übungssache?
17. In wie weit ist er im stand einen eigenen Aufsatz zu
machen?
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— 129 -
(Es könnte eine kurze Geschichte den Candidaten
langsam vorgelesen und ihnen aufgetragen werden, diese
nun in einem Brief jemandem mitzuteilen. Das Vor-
gelesene, sowohl als das darüber von den Candidaten
Geschriebene würde eingesandt.)
Rechnen.
18. Rechnet er mit Fertigkeit?
19. Hat er Kenntnis von den Regeln?
20. Weiß er neben den 4 Spezies noch etwas von den zu-
sammengesetzten Rechnungsarten?
Es würde allen Candidaten ein Exempel in jeder Spezies
oder allenfalls auch nur ein Divisions-Exempel diktiert, das
sie rechnen und worüber sie zugleich die Probe machen.
Diese Exempel würden — sie mögen nun richtig oder un-
richtig herausgekommen sein — den übrigen Schriften bey-
gelegt, um daraus zugleich über die Form der Ziffern und
ihre ordentliche Setzung urteilen zu können.
Fähigkeiten zum Unterrichten.
Nachdem das Examen über obige Punkte zu Ende ge-
bracht ist, so könnten ein paar jüngere und ein paar ältere
vorher davon benachrichtigte Kinder herein berufen und
den Candidaten angewiesen werden, ihnen die Buchstaben
zu zeigen, mit ihnen zu buchstabieren und zu lesen, auch
allenfalls den altern einige Fragen über ein aufgesagtes
Stück des Catechismus vorzulegen." 1 )
Die in diesem Regulativ aufgestellten Bedingungen
konnten gewiß nur ausnahmsweise von einem Kandidaten
in allen Stücken erfüllt werden. Der Erziehungsrat war
sich dessen wohl bewußt; denn er gab zu, daß darin „ein paar
Punkte enthalten sind, die nicht bei allen, vielleicht wohl
bei den wenigsten Examen anwendbar sein werden". Wo
hätten sich übrigens die Schulamts-Aspiranten die verlangten
Kenntnisse aneignen können? Der Bildungsgrad der „Schul-
x ) Helvetische Akten. Staatsarchiv Zürich. K. IL 93.
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— 130 -
meister", die sie für die Prüfung vorzubereiten hatten,
reichte ja, wie wir gesehen haben, bei weitem nicht an den
im Regulativ geforderten heran!
Noch einmal, zu Ende der Helvetik, wurden, and zwar
diesmal von der helvetischen Regierung aus, Versuche ge-
macht, etwas für die Ausbildung der Lehrer zu tun. Es
war die Zeit, da Pestalozzis Ideen schon in weitere Kreise
gedrungen waren und das lebhafte Interesse der helvetischen
Behörden erweckt hatten. Im Juli 1800 wurde Pestalozzi
auf Anregung Stapfers vom Vollziehungsausschuß unent-
geltlich eine Wohnung im Schlosse in Burgdorf für eine zu
errichtende Erziehungsanstalt eingeräumt; später wies ihm
die Regierung mehrfach größere Summen zur Unterstützung
seiner Bestrebungen an x ) und betraute im Mai 1802 Dekan
Ith und Apotheker Benteli in Bern mit einer Untersuchung
der Pestalozzischen Erziehungsanstalt und Lehrart in Burg-
dorf. 2 ) In dem von diesen dem Departement des Innern
eingereichten Bericht zollten die beiden der Pestalozzischen
Unterrichtsmethode höchste Anerkennung. 3 ) „Nach einer
gründlichen Untersuchung aller Eigenheiten dieser neuen
Lehrmethode," heißt es darin, „glauben wir nun in dem
Schlüsse nicht zu irren, daß in derselben jener wahre Ele-
mentarunterricht gefunden sei, dessen Dasein man schon
lange geahnt, den man aber vergeblich gesucht hat, jener
Unterricht nämlich, der dem Kinde zu allem Vorübung gibt
der zu allen Künsten und Wissenschaften vorbereitet, der
für alle Klassen und Stände anwendbar und für die völlige
Menschenbildung als erstes Fundament unentbehrlich ist.
Diese Lehrart hat ihren eigentlichen Grund in der mensch-
lichen Natur und schließt sich unmittelbar an die ersten
!) S. Strickler, Aktensammlung II, 1454; VI, 268; VII, 1302.
Näheres hierüber auch bei Luginbühl, pg. 171 u. f.
2 ) Strickler, Aktensammlung VIII, 355.
3 ) Das sehr ausführliche Gutachten findet sich abgedruckt im An-
hang des VIII. Bandes der Aktensammlung von Strickler. pg. 1569 — 1599.
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— 131 —
Entwicklungen der sich selbst überlassenen Kindheit an,
doch so, daß sie jene Entwicklungen mit Absicht leitet,
sie bis zu einem Kunstunterricht fortführt, der, obschon
er weiter geht, doch immer mit der Natur in vollstem
Parallelismus bleibt. a Die Kommission schlug der hel-
vetischen Regierung vor, die Anstalt unter ihren Schutz
zu nehmen und sie in ein Schulmeister - Seminar um-
zuwandeln. Daraufhin beschloß der Vollziehungsrat am
6. Dezember 1802 in Anbetracht dessen, daß die Pestalozzi-
sehe Lehrmethode alle Eigenschaften vereinige, die zu einem
zweckmäßigen Elementarunterricht erforderlich seien und
daher in den Volksschulen eingeführt zu werden verdiene,
es seien in der Erziehungsanstalt in Burgdorf zwölf Plätze
zur Bildung von Schullehrern zu errichten. Die Regierung
verpflichtete sich, jeden Teilnehmer eines Lehrkurses in
Burgdorf, der nicht weniger als vier Monate dauern dürfe,
mit 50 Franken zu unterstützen. Die Erziehungsräte wurden
eingeladen, in Zukunft bei der Besetzung von Schullehrer-
stellen auf diejenigen Kandidaten, die sich mit der Pestalozzi-
schen Lehrart bekannt gemacht hätten, besondere Rück-
sicht zu nehmen. 1 )
Im Februar 1803 meldeten sich drei Aspiranten (aus
dem Kanton Zürich zur Teilnahme an dem Pestalozzischen
Lehrkurs in Burgdorf, nämlich: Heinrich Rellstab von
Rüschlikon, Jakob Lier von Ebertswil und Jakob Huggen-
berger in Elgg. Keiner der drei hielt aber die vorgeschrie-«
benen vier Monate aus; einer blieb 6, einer 9 und der
dritte 12 Wochen. „Sie klagten über die für ihren Beutel
x ) Strickler, Aktensammlung, IX, 869 u. f.
Um die Verbreitung der neuen Methode möglichst zu beschleunigen,
bewilligte der Vollziehungsrat Pestalozzi für den Druck seiner Elementar-
bücher einen Vorschuß von 8000 Franken. Der Erziehungsrat des Kantons
Zürich bekam zu Anfang des Jahres 1803 25 Exemplare dieser Elementar-
bücher zugewiesen zur Einführung der neuen Methode in den Schulen
seines Kantons. (Missiven des Erz. -Rates. 1803. f. 35.)
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— 132 —
allzu großen Kosten und auch darüber, daß man ihnen
keine Zeit widmete, sondern sie nur zuhören und zusehen
ließe, anstatt ihnen Anleitung zu geben. 2 ) Da die Unter-
stützung "der Teilnehmer an dem Lehrkurs eine zu geringe
war, meldete sich in der Folgezeit niemand mehr.
So waren alle Versuche zur Gründung von Lehrer-
seminarien vorläufig gescheitert; es blieb auch hierin, wie
in manchem andern zunächst bei Projekten und Vorschlägen,
die freilich für die Zukunft deutliche Richtungslinien und
sichere Ansatzpunkte enthielten. Zur Hebung der Lehrer-
bildung hat die Helvetik in praxi recht wenig beigetragen;
es war der folgenden Periode, der Mediationszeit vorbehalten,
das längst gehegte Projekt der Errichtung einer Normal-
schule in bestimmter- Form zu realisieren.
2 ) Helvetische Akten, Staatsarchiv Zürich. K. IL 93.
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V. Der Schulbetrieb.
1. Bildungsziel.
Jede Kulturepoche hat ihr spezifisches Bildungsideal,
das die Resultante sämtlicher politischer, wirtschaftlicher
und kultureller Komponenten ist. Bei einer Darlegung und
Kritik des Bildungsziels der „alten Schule" müssen wir
deshalb in erster Linie diese einzelnen Komponenten in
Berücksichtigung ziehen.
Die Auffassung des Staatsbegriffs im 18. Jahrhundert,
nach der eine Minderheit von Bürgern alle politischen und
sozialen Rechte für sich in Anspruch" nahm und in dem Staat
in erster Linie eine Organisation zur Förderung ihrer
Privatinteressen sah, brachte es mit sich, daß die herr-
ächende Klasse vor allem Fürsorge traf, ihre Machtstellung
zu behaupten.
Unsere Darstellung des Verhältnisses zwischen Staat
und Kirche hat bereits gezeigt, daß die Kirche ein inte-
grierender ßestandteil des Staates war. Die Interessen des
letztern waren aufs engste mit der Wirksamkeit dieser
Institution verknüpft. Die Kirche war vor allem die staat-
liche Bildungsanstalt, der die Erziehung des Volkes zu ge-
horsamen Untertanen und „guten Christen" oblag. Die
absolutistischen Anschauungen der Regierungskreise vor
der Helvetik ließen den Gedanken nicht aufkommen, ein
„sittlich hochstehendes und darum wirtschaftlich leistungs-
fähiges und politisch mündiges Volk" zu schaffen. Bei
einer so weit gehenden Kultivierung der Gesamtheit, wären
die Interessen der herrschenden Minderheit gefährdet ge-
wesen.
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— 134 —
Dieser historisch gewordenen politischen Macht ver-
dankte die Kirche auch ihre maßgebende Stellung im Unter-
richtswesen. Es muß hier wieder daran erinnert werden,
daß es ihre Organe waren, denen die Aufsicht und die
innere Organisation der Schule zukamen. So ist es er-
klärlich, daß die Kirche vor allem die Schule ihren Zwecken
dienstbar machte und diese als ihr Nebeninstitut betrachtete.
Das Bildungsideal der Kirche war natürlicherweise ein durch-
aus kirchlich-religiöses; die Schule, als Filiale der Kirche,
hatte ihr Unterrichtsziel in Übereinstimmung damit zu
bringen und vor allem die religiös-sittliche Bildung zu
pflegen. Dadurch wurde aber ihre Aufgabe eine sehr ein-
seitige, abgesehen davon, daß sie diese auf ganz unrationelle
Weise zu lösen suchte. Unter der religiösen Erziehung
verstand man nämlich lediglich die Vermittlung des Re-
ligionssystems, die Kenntnis der in ein starres System von
Dogmen gebrachten Kirchenlehre. Durch die mechanische
Einprägung der von der Kirche aus der heiligen Schrift
abgeleiteten sittlichen Grundsätze glaubte man die nötigen
Bedingungen für das sittliche Handeln geschaffen zu haben;
man würdigte nicht genug, daß die intellektuelle Bildung
die conditio sine qua non für jede höhere sittliche Bildung
ist, und daß solche Sittenregeln nicht imstande sind,
emotionelle Energie auszulösen, durch die die sittlichen
Handlungen bedingt sind. 1 )
So war in der „alten Schule" der Religionsunterricht
Mittelpunkt alles Unterrichts; als Vorbereitung hiezu, be-
sonders zum Memorieren des religiösen Stoffes, diente das
Lesen; daneben spielten Schreiben und Singen eine unter-
x ) Es würde uns zu weit führen, hier auf die Entstehung der
sittlichen Wertschätzung und die Faktoren, die für das sittliche Handeln
in Betracht kommen, näher einzugehen. Wir verweisen deshalb hierüber
auf: G. Störring, Moralphilosophische Streitfragen, I. Teil: Die Ent-
stehung des sittlichen Bewußtseins, 3. Abschnitt: Die sittlichen Sum-
mationszentren der Gefühle.
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— 135 —
geordnete Rolle, und nur ausnahmsweise kam noch hinzu
Unterricht in den Anfangsgründen des Rechnens. Stoff und
Methode des Unterrichts waren ganz dazu angetan, die in-
tellektuelle Bildung zu erschweren oder wohl gar unmöglich
zu machen. Den Anforderungen des bürgerlichen Lebens
wurde in keiner Weise Rechnung getragen. Wozu auch,
wenigstens auf dem Lande? Handel und Gewerbe lagen
als Privilegien in den Händen der Stadtbürger und die land-
wirtschaftliche Berufsarbeit — denn um diese handelte es
sich ja vorzugsweise — bewegte sich immer in derselben
Form. Dazu kam noch, daß die weitaus größte Zahl der
Kantonsbewohner politisch rechtlos und völlig von der stadt-
zürcherischen Aristokratie bevormundet war. Die Nicht-
berücksichtigung der realen Lebensbedürfnisse war be-
sonders Ursache der ziemlich allgemeinen Interesselosigkeit
der Schule gegenüber. Die Zeit, die die Kinder in der
Schule zubrachten, wurde von vielen Eltern als völlig ver-
loren erachtet.
Die politische Umwälzung brachte eine völlige Änderung
in die Auffassung des Staatsbegriffes; dies mußte natür-
lich auch zur Aufstellung eines andern Bildungsideals
drängen. Durch die Revolution wurde aus der zürcherischen
„Zunftaristokratie" eine repräsentative Demokratie ge-
schaffen; an Stelle einer herrschenden Minderheit wurde das
gesamte Volk zum Souverän; von dem kulturellen Stand
desselben hing von nun an das Wohl des Staates ab. Die
neue Staatsform sicherte allen Bürgern gleiche Rechte und
eröffnete ihnen den Zugang zu allen öffentlichen Ämtern.
Deshalb war es Pflicht des Staates, allen seinen Bürgern
die Bildungsgelegenheiten zu bieten, die sie für die Aus-
übung ihrer Rechte und Pflichten befähigten. Der Staat
nahm nun die Volksbildung selbst in die Hand; er entzog
der Kirche ihre lediglich durch die historische Entwicklung
erhaltene Macht auf die Schule; diese durfte nicht mehr
eine bloß sittlich-religiöse Zuchtanstalt sein, ihre Aufgabe
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- 136 — -
erhielt eine wesentliche Erweiterung, sie mußte — wie es
später präzisiert wurde — „die Kinder aller Volksklassen
zu geistig tätigen, bürgerlich brauchbaren und sittlich guten
Menschen heranbilden." Sie sollten nicht, wie bis anhin,
zu „gehorsamen und ruhigen Untergebenen und zu taug-
lichen Werkzeugen der Regierung, sondern zur Selbständig-
keit erzogen werden." Das ideale Unterrichtsziel der Volks-
schule, das der Helvetik vorschwebte, ist enthalten in der
Botschaft des Vollziehungsdirektoriums an die gesetz-
gebenden Räte vom 18. November 1798. Darnach sollte
die Volksschule „alle Kenntnisse und Übung vermitteln,
ohne welche der Mensch nie zum vollen Gefühl seiner Würde
und Bestimmung, der Bürger nie zur genauen Kenntnis seiner
Rechte und Pflichten gelangt; der Unterricht sollte die
physischen, intellektuellen und moralischen Kräfte des Jüng-
lings bis zur Gründung der Selbständigkeit ausbilden. Er
sollte denselben in den Stand setzen, das Maß seiner Talente
zu schätzen und ihn zu demjenigen Beruf gehörig vor-
bereiten, der seinen Fähigkeiten am angemessensten und
zugleich für seine Bedürfnisse hinreichend wäre.^ Er müßte
demnach, außer einer genauem Anleitung zum richtigen
Lesen, Sprechen und Schreiben in der Muttersprache und
Rechnen, sich über die Anfangsgründe der französischen
Sprache für das deutsche, der deutschen für das französische
und beider Sprachen für das italienische Helvetien, über
die Planimetrie, einige Kenntnis der Naturgeschichte, der
Physik, Geographie und Geschichte, die nützlichsten Ge-
werbe und Handwerke, den Bau des menschlichen Körpers,
seine Verrichtungen und die notwendigsten Gesundheits-
regeln, über die Hauswirtschaft und die Buchhaltung, die
Konstitution, die wichtigsten Gesetze, die gesellschaftlichen
Verhältnisse und die Moral verbreiten."
Daß dieses Unterrichtsziel nur als ein ideales zu be-
trachten ist, an dessen Erreichung nicht im entferntesten
zu denken war, ergibt sich schon aus unserer Darlegung des
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— 137 —
Bildungsniveaus der Lehrer. Wir werden noch sehen, daß
der Schulbetrieb im großen und ganzen derselbe war, wie
vor der Revolution, denn der Unterricht lag 3a — mit
wenigen Ausnahmen — noch in denselben Händen. Es ist
aber ein nicht zu unterschätzendes Verdienst der Helvetik,
die Anforderungen, die an die Volksschule gestellt werden
dürfen, einmal ausgesprochen und ein Unterrichtsprogramm
entworfen zu haben, durch das der weitern Entwicklung
unserer Volksschule der Weg vorgezeichnet worden ist,
und das wir noch heute voll und ganz anerkennen müssen.
2. Die Materie des Unterrichts.
a. Die Schulbücher.
Einen tiefern Einblick in das Wesen des damaligen
Unterrichtsbetriebes erhalten wir schon aus dem Verzeichnis
der im Gebrauche stehenden Schulbücher. Im Nachfolgenden
möchten wir vorläufig eine Übersicht über dieselben geben,
auf ihre Verwendung im Unterricht gehen wir später ein.
Deutsches Namen-Büchlein für die liebe Jugend.
Zürich, bey David Gessner, 1791. 1 ) 15 S.
Inhalt:
1. Titel.
2. Figurentafel. . }
3. Kleines und großes Alphabet.
4. Die Vokale im Anlaut in Verbindung mit Konso-
nanten und umgekehrt.
Ab
eb
ib
ob
üb
Ad
ed
id
od
ud
Da
de
di
do
du
Fa
fe
fi
fo
fu U. 8. W.
^Bezeichnet in den Tabellen im Anhang mit Nb.
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— 138 —
5 — 6. Mehrere einsilbige Wörter mit jedem Buchstaben
des kleinen Alphabets im Anlaut.
7—
a
d g
1
abt
der gold
lad
ach
dir gut
land
als
dorf
arg
,
8.
Mehrere i
mehrsilbige Wörter
je mit jedem Buch-
staben des großen Alphabets.
Ab gott
Bai sam
Eh stand
An fang
Bad stub
Ein falt
Als bald
Bet 1er
Ermel
9. Des Herren Gebätt. Der Christlich Glauben.
10 — 12. Die heiligen zehen Gebott.
13—14. Gebätt Vor und nach dem Essen.
Morgen- und Abend Gebätt.
15. Das einmal Eins.
An Stelle dieses Namenbüchleins gelangte in einigen
Schulen zur Verwendung das
ABC oder Lesebüchlein zum Gebrauche der Schulen
der Stadt und Landschaft von J. K. Lavater.
Zürich, Bürklische Druckerei 1772. 48 S.
Catechismus (Zeugnuß). 1 )
Das ist Unterricht wahrer christlicher Religion: samt
den Zerteilungen einer jeden Antwort und den Zeugnussen
4er heiligen Schrift: eingeteilt in XL VIII. Sonntage durch
das ganze Jahr.
Für die Jugend der Stadt und Landschaft Zürich.
Zürich, 1797. 2 ) 192 S.
Inhalt:
Von Gott und der heiligen Schrift.
x ) Über die Entstehung des Katechismus s. Wirz, I. pag. 16 u. f. ;
pag. 22 u. f.
•) Bez. Cat. u. Zg.
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— 139 —
Vom Gesez, den heiligen Zehen Gebotten und der Sünde des
Menschen.
Von den zwölf Artikeln unsers christlichen Glaubens oder
der Erlösung.
Von unserer Dankbarkeit und dem heiligen Unser Vater.
Von den heiligen Sacramenten. (Tauf- und Nachtmahl.)
Der Katechismus enthielt 110 Fragen mit den zu-
gehörigen Antworten. Auf die Antwort folgte die Analyse
oder „Zerteilung" derselben und hierauf die „Zeiignusse"
oder die Belege aus der Bibel.
Wir lassen zur Illustration die Behandlung der ersten
Frage in extenso folgen:
1. Frage: Was ist dein einziger trost im leben und im
sterben?
Antwort:
Dass a ich nach diesem trübseligen leben ewige
freud und Seligkeit b ererben c und ewiglich bey
Gott meinem Vater wohnen, und d seiner himm-
lischen gütern theilhaftig werden soll.
Zerteilung:
Frage: Wie viel stücke begreift diese antwort?
Antwort: Sie begreift zwey stücke. Erstlich meine hoff-
nung und trost. Demnach desselben erläuterung.
1. Frage: Welches ist deine hoffnung und trost?
Antwort: Dass ich nach diesem trübseligen leben vor mir
habe das ewige leben.
2. Frage: Wie wird solches erläutert?
Antwort: Dergestalt, dass angezeiget wird, wie ich das ewig
leben werde erlangen, und worum desselbigen
freude bestehen werde.
Frage: Wie wirst du das ewige leben erlangen?
Antwort: Ich werd es ererben.
Frage: Worum wird die freude des ewigen lebens be-
stehn?
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— 140 —
Antwort: Darinn, dass ich ewiglich bey Gott meinem Vater
wohnen und seiner himmlischen gütern theilhaftig
werden soll.
Zeugnussen.
a) Dass auf dies trübselige leben die ewige freude und
Seligkeit folgen werde.
Im Evangelio Johannis am 16. cap. v. 22. Ihr habet
jetzt traurigkeit; aber ich will euch wieder sehen, und
euer herz wird sich freuen und euere freude wird niemand
von euch nehmen.
In der 2. Epistel an die Oorinther am 4. cap. v. 1. u. s. w.
Es folgen noch weitere Stellen als Belege.
Lehrmeister.
Darin sind die 110 Fragen und Antworten des Kate-
chismus noch einmal zusammen gedruckt, ohne die „Zer-
teilungen und Zeugnusse." x ) (12 S.)
Fragstücklein. 2 )
Hievon bestanden verschiedene Ausgaben neben-
einander, nämlich:
a) Fragstücklein für christliche Hausvätter, um ihre
Kinder und Dienste in den Anfängen der wahren
Religion zu üben, auf eine gantz kurtze und leichte
Weise.
Zürich, Bürgklisch Truckerey. 24 S.
b) Kurtze und deutliche Erklärung des kleinen Cate-
chismus oder so genannten Fragstückleins, zum
Besten der Kinder und Einfältigen, abgefasst von
einem getreuen Diener Gottes.
Zürich, Bürgklische Truckerey. 60 S.
c) Fragstücklein im Anhang zum Catechismus; enthält
!) Bez. Lm.
2 ) Bez. Frgst.
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— 141 —
auf 6 Seiten die Kernfragen des Catechismus mit
kurzen Antworten.
Psalmenbuch. 3 )
a) Auserlesene Psalmen zum Gebrauche der Land-
schulen.
Zürich, J. K. Ziegler, 1774. Eine Sammlung von 28
Psalmen.
b) Die 150 Psalmen Davids durch D. Ambros. Lob-
wasser in deutsche Reimen gebracht.
Zürich, David Gessner, 1790. (Neue Aufl., 1802.)
Die kleine Bibel oder Psalter Davids.
Durch Wailand Herrn Rudolf Walthern gründlich und
eigentlich aus der Hebräischen Sprache verdeutscht.
Zürich, Gessner. 1791. 4 )
Die bisher angeführten Schulbücher, zu denen noch
das neue Testament 5 ) gezählt werden muß, waren in allen
Schulen in Gebrauch. Dazu kommen noch eine Anzahl von
Büchern, die nur an einzelnen Orten Eingang gefunden
hatten. Wir lassen die wichtigsten folgen:
„Christliches Gesangbuch oder Sammlung auserlesener
Psalmen und geistlicher Lieder über alle wichtigen Wahr-
heiten des Glaubens und der Sittenlehre, mit den belieb-
testen Psalmen und vielen neuen, sehr leichten, vier-
stimmigen Choralmelodien.
Herausgegeben mit Rücksicht auf vaterländisches Be-
dürfnis von Diakon Nüscheler und Prof. Däniker. 6 )
Schul- und Hausbüchlein. 1 )
Vormals der lieben Jugend in den Schulen der Stadt
3 ) Näheres über Entstehung desselben s. b. Wirz, I. pg. 106 u. f.
Bez. Ps.
±) Bez. Pst.
5 ) Bez. T.
6 ) Bez. N. Gs.
*) In den Landschulen werden zwar allenthalben der Catechismus
und das Zeugnisbuch nebst dem neuen Testament als Schulbücher ge-
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— 142 —
und Gemeinde Bischofszeil zu Gutem herausgegeben von,
Felix Waser, Pfarrer der reformierten Stadt und Gemeinde
Bischofzeil. 2 )
Inhalt:
I. Gebete, IL Geistliche Lieder, III. Psalmen, IV. Lehr-
reiche Sprüche der Heiligen Schrift.
Erste und einzig wirklich rechtmäßige Ausgabe nach
dem seligen Absterbendes Verfassers.
Zürich, Fr. Schultheß, 1828. 192 S.
(Mit Vorwort des Verfassers von 1769.)
Christliches Handbüchlein für Kinder
von Joh. Kaspar Lavater. Zweite Auflage.
Zürich, Bürkli, 1781. 3 ) 456 S.
Inhalt:
Kurzer Entwurf der biblischen Geschichte. Einige be-
sondere biblische Geschichten (Joseph und Lazarus). Kern
der biblischen Lehren für Kinder. (Allmacht und Allgenug-
samkeit Gottes; Fürsehung Gottes; Allwissenheit, Allgegen-
wart, Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes u. s. w.) Gebete
und Lieder für Kinder.
Der Kinderfreund
oder erster Unterricht im Lesen und bey dem Lesen, von
Friedrich Eberhard von Rochow auf Reckan.
Erste Auflage, 1776.*) Neue Auflage, 1802. 97 S.
braucht. Indessen sind noch mehrere kleine Schulbücher hie und da be-
sonders üblich; das allgemeinste ist das Bischof zellische Schulbüchlein,
das von dem jetzt lebenden Pfarrer daselbst sehr verbessert und ver-
mehrt worden ist Und nebst einer Sammlung kurzer Gebete und der
gemein brauchbarsten Psalmen eine vortreffliche Auswahl der wichtigsten
Stellen der H. Schrift und verschiedene Gellertsche Lieder enthält."
. (Wirz, I. 369.)
2 ) Bez. Ws.
3) Bez. Hdb.
±) Bez. Kdf.
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— 143 -
Eine Sammlung von Lesestücken, vorwiegend mo-
ralischen, teilweise auch naturkundlichen und geo-
graphischen Inhalts.
Die Grundsätze der. christlichen Religion in aus-
erlesenen Sprüchen der heiligen Schrift. 5 )
Zürich, Joh. Kasp. Ziegler, 1774. 72 S.
Hübnerische Historien. 6 )
Zweymal zwei und fünfzig auserlesene Biblische
Historien aus dem alten und neuen Testament der Jugend
zum Besten abgefaßt von Johann Hübner, Rector des Jo-
hannei zu Hamburg, 1714.
Zürich, gedruckt in Bürgklischer Druckerey. 380 S.
Je 52 Historien aus dem alten und neuen Testament
mit entsprechenden Illustrationen.
Anlage: 1. Historie nach dem Wortlaut der Bibel.
2. Deutliche Fragen.
3. Nützliche Lehren.
4. Gottselige Gedanken.
Lesebuch
zur Bildung des Herzens und Übung der Aufmerksamkeit
für Kinder in mittlem Klassen zum Besten der vater-
ländischen Jugend, herausgegeben von Joh. Rud. Stein-
müller, Pfarrer in Mühlehorn. 1 )
Glarus, 1794. 160 S.
Eine Sammlung religiöser, geographischer und natur-
kundlicher Lesestücke.
Christliches Gebetbüchlein für alle Stände, von Felix
Wyß, Pfarrer. 2 )
Eine Sammlung von 100 Gebeten.
5 ) Bez. Grds.
«) Bez. Hüb.
i) Bez. Stm.
2 ) Bez. Wyß.
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144
Die in der „alten Schule" gebräuchlichen Bücher waren,
wie aus obigem Verzeichnis ersichtlich ist, mit wenigen
Ausnahmen solche religiösen Inhalts. 3 ) Der erweiterten Auf-
gabe der Schule entsprechend, war man in der Helvetik be-
strebt, geeignetere Lehrmittel einzuführen. Wenigstens
bemühte sich Stapfer lebhaft darum und versuchte selbst
die Abfassung eines Lesebuches, kam aber damit nicht zu
Ende. Auf seine Anregung verfaßte Pfarrer Imhof in
Schinznach ein neues ABC Buch, das vom Erziehungs-
rat des Kantons Aargau in den dortigen Schulen eingeführt
wurde. 4 ) Trotzdem dieses von Stapfer dem zürcherischen
Erziehungsrat empfohlen wurde, fand es in den Schulen
des Kantons Zürich, wie auch an andern Orten, keinen
Eingang; „denn der gegen Aarau, dem Druckort, sorg-
fältig unterhaltene Haß, blinder Religionseifer und die
Gleichgültigkeit der Menge für jede Schulverbesserung,
brachten es mit sich, daß von den 1600 Exemplaren, die
größtenteils gratis ausgegeben wurden, kein einziges mehr
in einer Landschule zu finden ist." 1 ) Der Erziehungsrat
des Kantons Zürich war der Einführung neuer Schulbücher
überhaupt nicht günstig gesinnt; denn er fand auffallender-
weise, „daß es in den meisten Distrikten und Gemeindein
keiner andern Schulbücher bedürfe, als der bereits nach
der alten Schulordnung vorgesehenen" und brachte den
Lehrern neuerdings in Erinnerung, daß ohne Vorwissen des
3 ) „Der Schulbücher halber wäre zu wünschen, daß von der Re-
gierung für solche, welche die Jugend nicht nur so einfach auf Re-
ligions-Kenntnis, sondern auch auf Natur-, Menschen-, Staats-, Con-
stitutions-, Länder- und Völkerkenntnis u. s. w. führen und leiten würden,
gesorgt und solche bestimmt würden, oder ist nicht der Mangel an
solchen Mitursache, daß das Landvolk soweit in Unwissenheit und Dumm-
heit herabgesunken. (Bericht von Fehraltorf, Enquete 1799.)
*) A - B - C - Buch für Kinder. Aarau, bei Fr. J. Beck. 1799. 44. S.
*) Steinmüller, Helvet. Schulmeister - Bibliothek. IL 394 u. f.
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— 145 —
Pfarrers und Schulinspektors kein neues Buch in den Schulen
eingeführt werden dürfe." 2 )
Neue Schulbücher allein hätten übrigens auch den
Unterricht nicht umzugestalten vermocht, solange es den
Lehrern selbst an den nötigen Kenntnissen und der Lehr-
geschicklichkeit fehlte.
b. Die einzelnen Unterrichtsfächer.
Die Hauptunterrichtsgegenstände waren nach der Lehr-
ordnung Lesen und Auswendiglernen; diese standen haupt-
sächlich im Dienste der religiösen Erziehung. Dazu kamen
noch mit mehr fakultativem Charakter Schreiben, Rechnen
und Singen.
1. Das Lesen und Auswendiglernen.
Der Leseunterricht beruhte auf der Buchstabier-
methode. Die Lehrordnung schrieb vor, daß dem eintreten-
den Schulkinde vorerst die Kenntnis und Unterscheidung
der einzelnen Buchstaben, deren ihm je zwei auf einmal
geboten wurden, vermittelt werden müssen. Daran schloß
sich die Synthese derselben zu Silben. Bildet schon die
Synthese einzelner Laute dem Kinde ziemliche Schwierig-
keiten, weil dabei noch sogenannte Übergangs- oder Gleit-
laute zur Geltung kommen, wodurch die einzelnen Laut-
werte phonetisch verändert werden, so waren den Kindern
bei der Synthese der Buchstabennamen fast unüberwind-
liche Schwierigkeiten geboten. Der Lehrer war genötigt,
die Zusammensetzung so oft vorzusprechen, bis sich die
Buchstabennamen mit dem Lautbild, beziehungsweise Ge-
sichtsbild der Silbe verbunden hatten; durch Übung lernten
die Kinder allmählich aus dem Buchstabennamen unbewußt
den Lautwert abstrahieren und darnach die Synthese zu
vollziehen. Waren die Schüler in der Synthese der Buch-
staben zu Silben geübt, so folgte das Zerlegen der Wörter
2 ) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 189.
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— 146 —
in Silben. Zu allen diesen Übungen dienten als Grundlage
das Namenbüchlein oder das ABC Buch.
Um buchstabieren zu lernen, brauchten mittelmäßig
begabte Kinder 2 — 3 Winter. Täglich mußten sie einige
Stunden, meist sich selbst überlassen, hinter ihrem Namen-
büchlein sitzen und sich auf solche mechanische, geist-
tötende Weise die Buchstaben und Silben einzuprägen
suchen. Selten verfiel ein Lehrer darauf, wenigstens durch
sekundäre Faktoren das Lernen etwas angenehmer zu ge-
stalten. Wie der Leseunterricht in den damaligen Schulen
betrieben wurde, zeigt ein ausführlicher Schulberieht von
Pfarrhelfer Nüscheler in Turbental, dem wir folgende Stelle
entnehmen 1 ):
„Die größte Schwierigkeit ist oft für die ganz kleinen
ABC Schüler, die sich noch nicht allein beschäftigen
können, die nötige Zeit zu finden. Doch ist folgendes Mittel
nun zween Winter mit Nutzen gebraucht worden. Eine Folio-
Tafel mit groß gedrucktem Alphabet steht in den Tisch
eingesteckt. Der Schulmeister ruft etliche Kinder mit-
einander zu derselben, zeiget und bespricht ihnen einen
Buchstaben auf der Tafel. Er fordert sie auf, einen ähn-
lichen in ihrem Namenbüchlein zu suchen; das Kind, welches
den geforderten Buchstaben zuerst gefunden und seinen
Namen behalten hat, ist das bravste. So geht's fort, bis
sie alle Buchstaben kennen. Dies macht etwas spielendes,
das den Kindern nicht unangenehm ist und einen gewissen
Wettstreit veranlaßt und die A B C Schüler bleiben länger
beschäftigt, weil so der Schulmeister mehrere zusammen-
nehmen kann. Zuweilen trägt er auch einem altern Kinde,
das sein Pensum geschwind absolviert hat, als eine Be-
lohnung auf, an den Tisch der ABC Schüler zu stehen
und selbigen die Buchstaben im Namenbüchlein zu sagen.
Gemeiniglich sollen zween Winter hingehen, ehe ein Kind
*) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
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147
fertig buchstabieren kann. Ich habe aber doch letzten
Winter einige Kinder gesehen, die beim ABC anfingen und
im Buchstabieren noch recht weit kamen. Wenn in dem
gewöhnlichen Namenbüchlein die Gradation von leichtern
Sylben in Wörtern zu schwerern etc. noch mehr beobachtet
wäre, wenn auch mehr größere Kinder da wären, deren
Hülfe man sich abwechselnd bedienen könnte, wenn einige
von Basedow empfohlene Erleichterungen, z. Exp. dem seh,
sehe statt eß, ze, ha zu sagen u. s. w. eingeführt werden,
dürften, ohne befürchten zu müssen, daß die Eltern, die
allenfalls den Kindern zu Hause auch noch ein wenig fort-
helfen .möchten, nicht mehr zu rechte kämen, so müßte
wohl das Buchstabieren in kürzerer Zeit absolviert werden
können. Gegenwärtig gebraucht also der Schulmeister
keinen besondern Vorteil, als daß er den Anfängern ihr
aufgegebenes Pensum einmal vorbuchstabiert und ebenso
den Anfängern im Lesen einmal langsam vorliest. Es ist
eigentlich kein Kind, das nicht vielemal überdrüssig würde,
drei Stunden lang an einem fort am Schultische zu sitzen.
Es geben dies alle zu erkennen durch ihre Neigung, mit
dem kleinen Nachbar zu schwatzen, die Bücher zu zer-
kratzen, unter erdichteten Ursachen sich für einige Augen-
blicke aus der Schulstube herauszustehlen, auf den Schlag
11 oder 3 Uhr einander oder auch den Schulmeister dienst-
fertig davon zu benachrichtigen u. s. w. Wenn aber ein
Kind einen starken eingewurzelten Ekel am Lernen be-
kommt, so schwatzt es eben nicht mehr viel mit den andern
Kindern; es sitzt finster bei seinem Buche und scheint za
lernen, wenn es gleich nichts weniger tut; kömmt die Reihe
zum Aufsagen an ihns, so bricht es sogleich in Tränen aus,
es bleibt zuweilen heimlich von der Schule weg etc. etc."
Einsichtige Pfarrer hatten das Unnatürliche, den Lese-
unterricht nach der Buchstabiermethode zu betreiben, er-
kannt und Vorschläge zur Verbesserung gemacht. So be-
sonders Pfarrer Schultheß in Mönchaltorf und H. Waser
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- 148 —
in Riesbach. Ersterer schlug vor, „die Mitlauter gerade
anfangs mit allen Selbstlautern zu treiben"; man solle den
Kindern sagen, wenn diese Figur b, die man ihnen nur
zeigen, nicht nennen müsse, dem a, e, i, o oder u voran-
gesetzt werde, so heiße es ba, be, bi, bo, bu, stehe sie
hintenach, ab, eb u. s. w. Die Kinder sollten also nicht
gewöhnt werden, das b vorzüglich be auszusprechen, weil
es ebensowohl ein ba, bu, eb oder ob sein könne. 1 )
Waser war von sich aus auf die Schreiblese-Methode
verfallen, nach der er seinen eigenen Knaben mit großem
Erfolg unterrichtete. In einem Bericht preist er die Vor-
züge derselben gegenüber der Buchstabier-Methode, glaubte
jedoch, daß diese neue Methode in den Schulen noch nicht
eingeführt werden könne, 1. weil sie zu kurzweilig sei,
als daß sie in Gegenwart anderer Schulkinder getrieben
werden könnte, da diese dadurch von ihrer Arbeit abgelenkt
würden, 2. weil man sich dann weit länger mit den ABC
Schützen abgeben müßte, als bisher, und diese nicht mehr
sich meist selbst überlassen bleiben könnten, und 3., weil
die Bücher, deren man dazu bedürfe (Frankfurter und Ber-
liner Namenbüchlein) den Kindern armer Eltern zu teuer
kämen. 2 )
Die Buchstabiermethode trieb noch lange ihr Unwesen
in den Schulen und es dauerte noch geraume Zeit, bis
sie durch die Bemühungen Stephanis 3 ) endgültig auch, in
der letzten Schule durch die Lautiermethode gänzlich ver-
drängt worden war.
Konnten die Kinder nach dem Namenbüchlein not-
dürftig buchstabieren und syllabieren, so wurden vor allem
die zum Auswendiglernen bestimmten Bücher durchbuch-
*) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
2 ) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
3 ) H. Stephani, Kurzer Unterricht in der gründlichsten und leich-
testen Methode, Kindern das Lesen zu lehren. 1803.
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— 149 —
stabiert. Die Reihenfolge war gewöhnlich folgende: „Frag-
stücklein, Lehrmeister, Zeugnuß (großer und kleiner Kate-
chismus), Psalmbuch und Testament."
Das Auswendiglernen spielte eine ganz bedeutende
Rolle. 1 ) Buchstabieren, Syllabieren und Lesen dienten als
Vorbereitung hiezu. Artikel IX der Lehrordnung schrieb vor,
daß sich die Kinder zum Auswendiglernen vor allem den
kleinen und großen Katechismus, in dem die Hauptwahr-
heiten der christlichen Religion enthalten sind, empfohlen
lassen sein sollen. „Diesen soll hernach ein von dem Hrn.
Pfarrer vernünftig getroffene Auswahl von Psalmen, Ge-
beten und schönen Liedern, wobey man aber mehr auf die
Wichtigkeit und Nutzbarkeit, als auf die Menge sehe, bey-
gefügt werden. Mit den Fähigem und denen, so mit gutem
Willen ihrer Eltern längere Zeit als gewöhnlich die Schule
besuchen, können aus dem Zeugniß-Buch die Zerteilungen
der Fragen, die deutlichsten und lehrreichsten Stellen aus
den Büchern des neuen Testaments mit einer kurzen Nutz-
anwendung, biblische Geschichten, Erzählungen etc. vor-
genommen werden." Trotzdem in der Lehrordnung aus-
drücklich darauf hingewiesen wurde, daß nichts zum Aus-
wendiglernen aufgegeben werde, was nicht zuvor richtig
vorgelesen, erklärt und verständlich gemacht worden sei,
begnügte man sich mit einem rein mechanischen Memorieren.
Bisweilen folgte nach dem Auswendiglernen eine Ka-
techisation, in der Weise, daß der Lehrer die im Katechis-
mus enthaltenen Fragen las und der Schüler die auswendig
gelernte Antwort gab. Eine Katechisation, die der Ver-
mittlung und geistigen Verarbeitung des Lehrstoffes ge-
dient hätte, war nicht möglich, da einerseits der Lehrer
die Lehrform nicht beherrschte, und anderseits der Lehr-
*) „Es ist schade, daß die Kinder so viel müssen auswendig lehren,
daß sie nachher wieder vergessen und nicht auch besser schreiben,
Schriften lesen und Rechnen." (Schulbericht von Knonau. Enquete 1799.)
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— 150 —
stoff nicht der Fassungskraft und Interessensphäre des
Schülers entsprach. „Das mit Verstand dahersagen", heißt
es in einem Schulbericht von Andelfingen, „bleibt den mei-
sten ein böhmisches Dorf, weil das Gedächtnis weit mehr
strapliciert, als der Verstand geübt wird, und wenn das
Kind gar nicht mehr lernen will, dann urteilen wir, daß ihm
darvor ekelt." 1 ) Die Haupttätigkeit des Lehrers bestand
demnach in der Kontrolle über das Auswendiglernen. Ge-
wöhnlich „bhörte" er die Schüler täglich zwei Mal, d. h.,
er ließ sie der Reihe nach ihre erhaltenen Memorierpensa,
ihre „Letzgen" (Lektionen), hersagen. In besondern Re-
petierstunden wurde das Gelernte von Zeit zu Zeit wieder-
holt, damit es jederzeit „präsent" war. Eitle Eltern, die
ihre Kinder möglichst geschickt erseheinen lassen wollten,
wachten ängstlich darüber, daß diese in der Schule „ordent-
lich vorwärts" kamen, d. h., daß sie die zum Lesen und
Auswendiglernen bestimmten Bücher möglichst bald absol-
viert hatten; denn das Quantum des Auswendiggelernten
galt als Maßstab für die geistige Befähigung der Kinder. 2 )
So berichtete der Lehrer in Horgerberg als hervorragende
Leistung, daß ein Mädchen in einem Winter 19, ein Knabe
18 Psalmen memoriert hätten.
Noch müssen wir des Lesens von „Geschriebenem" Er-
wähnung tun, das als höchste Stufe und besondere Art
des Lesens betrachtet werde, zu dem nicht mehr alle Kinder
kamen. Hiezu wurden vorzugsweise alte Kauf- und Schuld-
briefs benutzt, die sich zwar, wie in einem Schulbericht
bemerkt wird, „für Kinder nicht schicken; denn diese sollten
lernen die Schuld- und Verkaufbriefe fürchten."
x ) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
2 ) Die Gemeinden Nußberg, Ober- und Unterschlatt beklagten sich
beim Erziehungsrat, „daß ihr * Schulmeister Furrer parteiisch sei, die
Schüler, von denen er größere Geschenke bekomme, vier Mal aufsagen
lasse, die übrigen aber nur zwei Mal; auch lasse er die Kinder nicht
hinlänglich vorrücken; sie bleiben im Markus stehen, während sie in
die Apostel fortschreiten sollten." (Protokoll des Erz.-Rates, 1798.)
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— 151 —
2. Schreiben.
In der Regel war das Schreiben ein Vorrecht der
Knaben; aber auch von diesen lernten es bei weitem nicht
alle. Für die Mädchen wurde die Schreibkunst als durch-
aus unnütz erachtet. Schreiben durften überhaupt nur die
Kinder, deren Eltern es besonders wünschten. Der Um-
stand, daß — wie bereits früher erwähnt — dem Lehrer
für Federn, Tinte und Papier eine besondere Entschädigung
bezahlt werden mußte, war für manche Eltern hinreichend,
ihre Kinder nicht am Schreibunterricht teilnehmen zu lassen.
Dazu kam noch, daß der Wert des Schreibens für den ge-
wöhnlichen Bürger überhaupt sehr niedrig angesetzt wurde,
und es den meisten Eltern vor allem daran gelegen war,
daß ihre Kinder sobald als möglich der Schule entlassen,
würden. Mit dem Schreiben wurde erst begonnen, wenn
die Kinder lesen konnten. 1 ) In erster Linie wurde deutsche*
Kurrentschrift, daneben aber auch Antiqua- und Zierschriften
(Kanzlei und Fraktur) geübt. Hinsichtlich der Schreib-
methode gab die Lehrordnung genaue Vorschriften. Darnach
sollten „den Anfängern die ersten Züge und Grundstriche,
hernach die leichtesten Buchstaben, aus welchen die andern
fließen und hernach die schwereren vorgeschrieben werden.
Da wird ihnen der Schulmeister die Arbeit viel erleichtern,
wenn er ihnen einige Male die Hand führt und die Buch-
staben mit dem Bleystift zuerst vorzeichnet und die Schüler
mittelst der Feder dieselben mit Tinte überziehen läßt.
*) „Mit dem Schreiben wird der Anfang gemacht, wenn ein Kind
den kleinen und großen Catechismus weiß und in der Zeugnuß fertig
liest." (Schulbericht von Turbental. Enquete 1799.)
„Wenn sie den Lehrmeister auswendig gelernt haben, wartet auf
sie der Anfang des Schreibens." (Schulbericht von Riesbach. Enquete
1799.)
„Mit dem Schreiben fängt man erst dannzumahlen an, wann ein
> Kind lesen und recht wohl buchstabieren kann." (Schulbericht von
Bachs. Enquete 1799.)
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152
Dabei soll er ihnen zeigen, wie sie die Feder bequem in
die Hand nehmen und behandeln, wie sie den Leib tragen
und den Kopf aufrecht halten müssen. Wenn die Schüler
das Schreiben der Buchstaben gefasst haben, so sollen ihnen
dann Sylben ,und Wörter und zuletzt ganze Sprüche vor-
geschrieben werden, wobey man ihnen dann zeigen soll,
wie man die Wörter abbreche, wo man große Buchstaben
setze, die verschiedenen Unterscheidungszeichen, und wo
sie gesetzt werden." Daß dieses Lehrverfahren beim Schreib-
unterricht wirklich zur Anwendung kam, beweisen viele
Antworten, die auf die Frage der Enquete: Vorschriften,
wie wird es mit diesen gehalten? gegeben wurden. Gemeint
waren damit gesetzliche Bestimmungen inbezug auf den
Unterricht. Die meisten Lehrer verstanden jedoch darunter
kalligraphische Vorschriften. Von diesen Antworten zur
Illustration nur die folgende:
1. „Erstlich vorschreiben mit dem Bleystift, dass sie lehr-
nen die feder in der Hand haben und zeichen auf dem
vorgeschriebenen.
2. Die leichtesten buchstaben allein machen nach Vor-
schrift, doch das zu zeiten dem Kind die Hand soll
gezogen werden.
3. Dann zu dem vollkomnen Alphabet und einfachen
Worten.
4. Sprüche der hl. Schrift." 1 )
Die vom Lehrer oder Pfarrer angefertigten Schreib-
vorlagen, die „Vorzäddel", enthielten kleinere oder größere
Stellen aus der Bibel, Liedertexte, Psalmen u. s. w. Außer- •
dem wurden Quittungen, Schuldbriefe und Zeugnisse kopiert,
seltener auch Druckschrift in Schreibschrift übertragen.
Das in der Lehrordnung vorgesehene Diktatschreiben kam
nur ausnahmsweise zur Anwendung, wohl aber wurde zur
Übung in der Rechtschreibung häufiges Niederschreiben des
*) Enquete 1799. (Schulbericht Mönchaltorf.)
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— 153 —
auswendig gelernten Stoffes verlangt; da aber die einzelnen
Schulbücher hinsichtlich der Orthographie stark voneinander
abwichen, so konnte von einer einheitlichen Rechtschreibung
nicht die Rede sein, abgesehen davon, daß die Lehrer dieser
selbst nicht mächtig waren.
3. Singen.
Trotzdem zur Zeit der Reformation der Kirchengesang
(allerdings derjenige der Priester) gänzlich beseitigt worden
war, fand er in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahr-
hunderts an vielen Orten wieder Eingang. 2 ) Der Magistrat
von Zürich bewilligte die Wiedereinführung, jedoch unter
Ausschluß jeder Instrumentalmusik. „Und wirklich hat man
auch noch bis jetzt keinerlei Instrumentalmusik beim gottes-
dienstlichen Gesang dulden wollen," berichtet Wirz; 3 ) „man
hat aber auch den Mangel musikalischer Instrumente nie-
mals empfunden, zumal der Gesang in der Stadt und größten-
teils auf der Landschaft in so schöner Harmonie geführt
wird, daß Fremde demselben oft mit Entzücken zuhören
und es beinahe nicht begreifen können, wie das so ohne
Instrument möglich seye." Daß das möglich war, dafür
hatte die Schule zu sorgen. Der Gesangunterricht stand
ganz im Dienste der Kirche. In der Lehrordnung war auf
die Pflege des Gesanges besonderes Gewicht gelegt, „weil
er ein Stück des öffentlichen Gottesdienstes ist. Deshalb
soll das Singen mit jungen Knaben und Töchtern fleißig
geübt werden, und wo es nicht öfter geschehen kann, wenig-
stens wöchentlich eine Stunde in der Schule oder Kirche.
Zu dem Ende hin soll und wird der Hr. Pfarrer jedes Orts
stets sorgfältige Aufsicht haben, daß es, und wie es gehe,
besonders auch dafür sorgen, daß es den zu Schuldiensten
in die Wahl kommenden an der Fähigkeit im Singen der
Psalmen und Festlieder zu unterrichten, nicht fehle, damit
2 ) 1559 in Winterthur und Stein. (Wirz, I. 103.)
3) I, 105 u. f.
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— 154 —
der Kirchengesang nicht ein bloßes Gepläre sey, sondern
mit Melodie und Annehmlichkeit zum Lob und Preis des
herrlichen Gottes und Heilandes verrichtet werden möge."
Demgemäß wurden nur Psalmen und Kirchenlieder gesungen.
Das Einüben geschah durch unermüdliches Vor- und Nach-
singen. Das Lehrverfahren war auch hier ein geisttötendes;
systematisch-technische Übungen fehlten; der Text der
Lieder war nicht dem kindlichen Anschauungskreise an-
gepaßt; deshalb konnte die Pflege des Gesangs keine große
Wirkung auf das Gemütsleben haben.
Da auch die der Schule entlassenen Knaben und Mäd-
chen noch am Gesangunterricht teilnehmen mußten, wurde
dieser hauptsächlich in den Nacht- und Sonntagsschulen ge-
pflegt. Wie erbaulich sich dieser oft gestaltet haben mag,
läßt sich aus dem Wunsche des Pfarrers Schultheß er-
kennen, der die Schulmeister ersucht, doch ja darauf zu
achten, daß kein Kind, „auch bei den höchsten Tönen den
Mund grässlich aufsperre und das Gesicht auf hässliche
Weise verstelle; denn es soll im Tempel singen, und dazu
schicken «ich Fratzengesichter nicht." 1 )
Daß der Gesangunterricht auch einen pädagogischen
Wert hat, daß er ein Mittel zur Erziehung und Bildung,
zur Pflege des Gemütslebens ist, hat erst das 19. Jahr-
hundert voll erkannt.
4. Rechnen.
Das Rechnen war ein ganz fakultatives Unterrichts-
fach. In der Lehrordnung wird ihm auch nur eine neben-
sächliche Bedeutung zugeschrieben. „Was das Rechnen an-
betrifft," heißt es dort, „so wird den Kindern nach einer
guten und leichten Anleitung dasjenige davon gezeiget, was
ihnen nach ihrem Stande nötig sein mag." An den meisten
Orten hielt man in dieser Hinsicht nichts „für nötig"; denn
nach der Enquete wurde im ganzen bloß in 156 (42%)
*) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
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— 155 —
Schulen gerechnet. In den 156 Berichten, in denen des
Rechnens erwähnt wird, findet sich zudem oft die Be-
merkung: „nur wer Lust dazu hat", und solcher fanden
sich wenige. „Man deutet es den Eltern, die einen Knaben
rechnen lehrnen lassen, als Hochmut aus und macht sie
lächerlich," schreibt Pfarrer Waser. 2 ) Der Rechenunter-
richt wurde daher gewöhnlich in besonderen Nebenstunden
erteilt und beschränkte sich auf einfache Übungen in den
„vier Spezies und der regel-de-tri." Der Hauptgrund, warum
das Rechnen nicht mehr Anklang fand, war wohl der, daß
die Lehrer größtenteils selbst nicht die elementarsten»
Kenntnisse davon besaßen 3 ) und ihre „Rechenschüler" hätten
in eine benachbarte Schule schicken müssen, wie denn der
Lehrer in Eschenmosen gesteht: „Was aber rechnen ist,
ist in meiner Schul nicht üblich. Wann Mann es aber
Lehrnen will, so kann Mann es in den Schulen zu Bülach
lehrnen, es ist nur eine ringe halb Stund." 4 )
3. Schulzeit und Schulbesuch.
Schulzeit: Über den Schuleintritt sind in der Schul-
ordnung keine Bestimmungen enthalten; es hing daher ganz
von der Willkür der Eltern ab, mit welchem Alter sie ihre
Kinder zur Schule schickten. Meist geschah das im 5. oder
6. Jahr; da aber manche die Schule mehr als Bewahranstalt
ansahen, ließen sie schon 3 — 4jährige dort aufnehmen, da-
mit ihnen diese bei der Arbeit zu Hause nicht hinderlich
würden. „Die einten Eltern, denen die Gegenwart ihres
2 ) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
3 ) „Im Rechnen wird weder in Schulen noch Nachtschulen in unserer
Gegend was getan. Die Schulmeister verstehen durchgehends selbst
nichts davon." (Bericht des Wetzikoner Geistlichen-Kapitels. Akten r
Landschulwesen. Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.)
4 ) Enquete 1799.
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— 156 —
Kindes bei ihrer Arbeit beschwerlich fällt, mögten es am
liebsten gerade schon in der Wiege senden, andere, die
ihrem Kinde gerne den Willen lassen, warten zu lange,"
schreibt Pfarrhelfer Nüscheler in Turbental. 1 ) In dem schon
an anderer Stelle erwähnten offenen Brief von Professor
J. Schultheß an H. Zschokke, den Herausgeber des „Hel-
vetischen Genius", wird vorgeschlagen, den Schuleintritt
gesetzlich auf das sechste Altersiahr festzusetzen, weil das
„der physischen und geistigen Natur am besten ent-
spreche." „Freilich sieht man jetzt Kinder," berichtet
Schultheß, „welche noch nicht vier Jahre alt sind, in die
Schulen schleppen und tragen, sieht sechsjährige Kinder,
welche schon, was man so heißt, lesen und etwas schreiben
können und manches memoriert haben. Aber man unter-
suche, mit wie unnatürlichem Zwange es bei den meisten
durchgesetzt werden muß, wie viel darunter die jugendliche
Munterkeit und Harmlosigkeit, die Entwicklung und Stärke
des Körpers und alle Seelenkräfte, das Gedächtnis aus-
genommen, und eigentlich auch dieses, einbüßen; wie die
Lernbegierde, ehe sie erwacht, getötet, der Kopf zu seelen-
loser, bloß mechanischer Beschäftigung gebraucht und ab-
gestumpft wird, wie unsägliche Mühe daher entsteht, wenn
sie bei weiterem Unterricht sollen eigentlich wahrnehmen,
beobachten und denken lernen. Und auf der andern Seite
mache man die Probe, ob ein Kind, welches man zuerst eines
förmlichen Unterrichtes fähig und ungefähr sechs Jahre
alt werden ließ, in einem Jahre intensiv und extensiv mehr
profitiert, als eines von jenen, die schon vom vierten Jahre
an geschult wurden."
Der Hauptgrund, warum ein so früher Zeitpunkt für
den Schuleintritt gewählt wurde, war die schon wiederholt
konstatierte Tatsache, daß es viele Eltern kaum erwarten
konnten, bis ihre Kinder aus der Schule entlassen wurden.
x ) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
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— 157 —
Dies geschah gewöhnlich im 10. Altersjahr, da diese be-
reits eine Arbeitskraft repräsentierten und bei der land-
wirtschaftlichen Tätigkeit oder Fabrikarbeit Verwendung
finden konnten. Die Schulordnung stellte nämlich für den
Schulaustritt nicht als Bedingung die Absolvierung einer
bestimmten Anzahl Schulkurse, sondern machte diesen von
dem Ausweis über ein bestimmtes Maß von Kenntnissen
abhängig. Artikel XIX. der Schulordnung forderte, „daß
kein Kind unter irgend einem Vorwand der Schule entlassen
werde, es könne denn wenigstens verständlich und fertig
lesen und habe den Catechismus, einige Psalmen, schöne
Gebete, biblische Sprüche und einige geistliche Lieder mit
Verstand auswendig gelernt." Den Ausweis über diese
Kenntnisse hatten die Kinder an den Examina bei Anwesen-
heit des Pfarrers und der Eltern zu leisten. Da der Entr-
scheid über die Entlassung in letzter Linie beim Pfarrer
stand und diese die Erfüllung der in der Schulordnung
enthaltenen Bestimmungen nicht überall mit gleicher Strenge
forderten, so wichen die Verhältnisse auch inbezug auf den
Schulaustritt in Wirklichkeit sehr voneinander ab.
Der helvetische Schulgesetzentwurf enthielt keine Be-
stimmungen über die Dauer der Schulzeit. Professor Schult-
heß hatte beantragt, diese bis zum zwölften Altersjahr ausr-
zudehnen; er fürchtete jedoch, daß dieser Vorschlag bei
vielen Landleuten, besonders aber bei den Fabrikarbeitern,
großen Widerstand finden werde, „da jetzt 9 — 10jährige
Kinder der Schule entlassen werden und am Spinn- und
Spulrad einen täglichen Schilling verdienen oder bei kleinen
Haus- und Feldgeschäften den Eltern behülflich sein
müssen." Er wollte deshalb den Schulaustritt, wie bisher,
abhängig wissen von dem Ausweis über ein „Maß von Lehr-
gegenständen, welches den Zeitraum vom 6. — 12. Lebens-
jahr genugsam ausfüllt. So würden Geschick und Fleiß
nicht mit Unfähigkeit und Trägheit an eine Kette ge-
schmiedet und eine wirksame Triebfeder des menschlichen
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— 158 —
Lebens, durch Fleiß einen Vorsprung zu gewinnen, schon
in der zarten Jugend benutzt. 1 )
Ein Jahresschulkurs zerfiel in zwei Teile, in die Winter-
und die Sommerschule. Trotzdem die Schulordnung vor-
schrieb, daß an allen Orten auch Sommerschule gehalten
werden müsse, ergibt die Enquete von 1799, daß sich manche
Gemeinde bloß mit der Winterschule begnügte. In einigen
Orten des Oberlandes (z. B. in Sternenberg und Matt) fanden
sich ausnahmsweise nur Sommerschulen, weil die Weg-
verhältnisse den Schulbesuch im Winter unmöglich gemacht
hätten. 2 )
Die Winterschulen begannen gewöhnlich mit „Martini"
(11. November) und endigten Ende März oder Anfang April.
Die tägliche Unterrichtszeit betrug durchschnittlich sechs
Stunden, vormittags drei (8 — 11) und nachmittags drei
(1 — 4). Die Sommerschulen dauerten meist von Mai bis
August oder September mit wöchentlich 1 — 2tägigem Unter-
richt von je fünf Stunden. Ferien wurden 2 — 3 Mal ge-
geben, zur Zeit der Heu- und Getreideernte und der Wein-
lese ie drei Wochen; außerdem erhielt die Schuljugend an
den Markttagen der eigenen und der benachbarten Ge-
meinden, pm Sylvester, an der Fastnacht und am „Hirs-
montag" frei; das Wetzikoner Geistlichen-Kapitel schlug
jedoch vor, die Kinder namentlich an diesen Tagen zur
Schule anzuhalten, „damit der heidnischen und römischen
Gebräuchen Rest abgeschafft und in Ansehung der Markt-
tagen nicht verärgert werden; denn was sehen die Kinder
an solchen Märkten anders, als alle Laster der Freiheit." 1 )
Schulbesuch. In den Schulberichten vom Jahre
1771 hatten sich viele Geistliche über den höchst nach-
*) Helvetischer Genius, pg. 112—134.
2 ) „Im Winter aber wird nicht Schule gehalten wegen Berggichter-
gegend, die so Winterlich ist, ohnmöglich macht, das die Kinder könten
in die Schul kommen." (Bericht von Sternenberg, Enquete 1799.)
!) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
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— 159 —
lässigen Schulbesuch beklagt; deshalb waren die Be-
stimmungen hierüber in der Schulordnung von 1778 wesent-
lich verschärft worden. Sie lauteten folgendermaßen: „Die
Kinder derjenigen Eltern, die saumselig zur Schule ge-
schickt werden, sollen bey Zeiten durch den Schulmeister
dem Hrn. Pfarrer angezeiget werden; alsdann sollen die
Eltern das erste mal durch den Ehegaumer 2 ) des Orts zu
bessrer Beobachtung ihrer Pflichten ermahnet werden.
Bleiben die Kinder noch weiter aus, so wird der Hr. Pfarrer
selbst die Eltern durch kräftige Vorstellungen zu ihrer
Pflicht zu bringen trachten, fruchtet auch dieses nicht,
so sendet er die Eltern nebst einem Stillständer zu dem
HH. Dekan, oder bescheidet sie, wo dieser zu weit entfernt
wäre, auf die nächste Visitation vor denselben, damit sie
durch diesen sich endlich bereden lassen. Werden die Kinder
dennoch nicht in die Schule gesendet, so wird die Saum-
seligkeit der Eltern und die Vernachlässigung ihrer Kinder
dem regierenden Herren Land- oder Obervogt geleidet, 8 )
von welchem die nötige Obrigkeitliche Abstrafung solcher
saumseligen Eltern und derselben Gehorsammachung man
zuversichtlich erwarten darf. Mittlerweile soll der Name
solcher lüderlicher Kinder an der Schultafel angeschrieben
stehen. Damit aber alle Eltern näher einsehen mögen, wie
ernstlich diese Aufforderung an sie gemeint sey, so wird
allen HH. Pfarrern und Seelsorgern gänzlich überlassen,
diejenigen Kinder, die wegen ihrer eigenen oder ihrer
Eltern Schuld und Nachsicht in nöthiger Vorbereitung zu
gründlicher Erkenntnis der christlichen Religion nicht ge-
nugsam geübt und befestigt erfunden werden sollten, zu
dem Genüsse des hl. Abendmahles und der Aufnahme als
erwachsene Glieder der christlichen Gemeinde nicht eher
zuzulassen, als bis sie das mutwillig versäumte nachgebracht
2 ) Ehehüter (Stillständer).
3 ) Angezeigt.
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— 160 —
und zu dieser wichtigen Handlung mehr Fähigkeit und
Würdigkeit erlangt haben." Damit eine Kpntrolle mög-
lich war, hatte der Lehrer die Absenzen jedes Schulkindes
gewissenhaft auf einem „Rodel" zu verzeichnen und diesen
dem Pfarrer von Zeit zu Zeit vorzulegen. Alle diese Be-
stimmungen genügten aber nicht; die Eltern zeigten die
größte Widerspenstigkeit und behielten ihre Kinder unter
jedem möglichen Vorwande zu Hause. Die Lehrer können
in den Berichten von 1799 nicht genug klagen über den
schlechten Schulbesuch. Zur Illustration nur wenige Bei-
spiele:
Sternenberg: „Es sollen wohl viele Schulkinder sein,
aber wegen vielen liederlichen Eltern, die unter geringer
Aufsicht sind, da ein jeder nach eigener Wilkühr seine
Kinder in die Schul schicken kann oder nicht und alle
Ausreden gültig sind, seyen sie wegen schlechten Klei-
dungen oder wegen Armut, und aber auch würklich nicht
blos wegen Ausreden, sondern wegen Armut selbst, be-
finden sich anstadt in der Tabel gewiesenen von 70 bis
auf 20 Kinder beysammen." (Enq. 1799.) Truttikon:
„Es gibt ville Eltern, die Ihre Kinder den gantzen Winter
durch nur etwan 4, 5 bis 6 Wochen in die Schulle schicken,
unter dem schlechten Vorwand, sie müesen keine Künst-
ler oder Geistlichen geben, durch welche Saumseligkeit die
vorige Mühe des Lehrers und der Kinderen einigermaßen
umsunst und vergeblich ist." (Enq. 1799.)
Wir sahen schon, daß die Lehrer durch Schulversäum-
nisse in ihrem Einkommen benachteiligt wurden und so
ein begreifliches Interesse an einem möglichst lückenlosen
Schulbesuche der Kinder und der Überwindung der Gleich-
gültigkeit der Eltern hatten. Die Gründe, die die Eltern
vorbrachten, um die Versäumnisse zu entschuldigen, waren
sehr mannigfaltige: Schlechte Witterung, schlimme Weg-
verhältnisse, zu große Entfernung vom Schulort, Armut,
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— 1€1 —
Mangel an Kleidung, Krankheit, dringende Feldarbeiten, Be-
aufsichtigung jüngerer Geschwister u. s. w.
Welchen Schwankungen die Schülerzahlen während
eines Jahres unterworfen waren, zeigt folgende Tabelle der
Schule Stäfa. 1 )
Eingeschriebene
Erschienen im
Schülerzahl
Maximum
Minimum
Winterschule
1794/95
104
72
12
>>
1795/96
112
72
24
w
179697
100
- 67
12
n
1797/98
100
70
8
u
1798/99
92
49
10
Sommerschule
1795
127
82
71
n
1796
112
70
30
n
1797
131
84
50
w
1798
112
79
30
Noch schlimmer gestalteten sich aber die Verhältnisse
zur Zeit der Revolution. Einerseits waren die Kriegsereig-
nisse einem geregelten Schulbesuch hinderlich und ander-
seits wurden viele durch ihre falschen Begriffe von Frei-
heit und Souveränität dazu verführt, sich dem lästigen Schul-
zwang zu entziehen. Dazu kam noch, daß der Krieg grenzen-
loses Elend über die Landbevölkerung brachte; ganze
Gegenden verarmten und die Almosenämter waren nicht
mehr imstande, die Not zu lindern. Statt zur Schule, gingen
die Kinder scharenweise betteln. 2 ) In den andern Kantonen
müssen die Verhältnisse keine bessern gewesen sein; denn
auf Antrag des Unterrichtsministers sah sich der Voll-
*) Enquete 1799.
2 ) Distrikt Uster: „Der Gassenbettel ist beschwerlich und ärgerlich
in Ansehung des Schulbesuchs und der Moralität, besonders im obern
Teil des Distrikts."
Distrikt Bassersdorf: „Auch da ist Bettel." •
Distrikt Mettmenstetten: „Der Bettel in einigen Gemeinden, wie
Affoltern, ist erstaunlich groß." (Protokoll des Erz.-Rates, 1802, f. 56,
aus den Berichten der Distrikts-Inspektoren.)
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— 162 —
ziehungsrat am 6. Dezember 1800 genötigt, ein besonderes
Dekret über den Schulbesuch zu erlassen. Darin wurde
verfügt, daß jeder Vater seine schulpflichtigen Kinder
wenigstens den Winter über die Schule besuchen lassen
müsse. Die sich weigernden Eltern wurden für jede Woche
Versäumnis, vom Tage der Ermahnung durch den Pfarrer
an gerechnet, mit einer Buße von fünf „Batzen" belegt,
die zum Ankauf von Schulbüchern für ärmere Kinder und
für Prämien verwendet werden sollten. 1 ) Diese Verfügung
hatte aber nicht die gewünschte Wirkung, weil, wie der
Erziehungsrat des Kantons Zürich an den des Kantons Leman
berichtete, „die Bußen auf die Armen nicht konnten an-
gewendet werden, und weil im ganzen die Munizipalitäten
weder mit Handhabung dieser, noch irgend einer Schul-
verordnung auch nur mit einigem Eifer sich befassen
möchten." 2 ) Zudem suchten manche Eltern der Buße da-
durch zu entgehen, daß sie ihre Kinder wöchentlich wenig-
stens einen oder zwei halbe Tage zur Schule schickten. 3 )
Aus dem „Absenzenrodel" von Ebertswil ergibt sich bei-
spielsweise, daß von den 15 eingeschriebenen Schülern die
Winterschule 1801/02 fünf gar nicht besuchten, weitere
fünf hatten über 160 und drei über 130 Absenzen. 4 ) Der
Erziehungsrat ermangelte nicht, auch seinerseits auf dem
Verordnungswege nach Kräften den Schulversäumnissen zu
steuern. Jeden Herbst, vor Beginn der Winterschule, er-
ließ er eine eindringliche Proklamation an die Mitbürger,
worin diese auf die Bedeutung des Schulunterrichts auf-
merksam gemacht und aufgefordert wurden, ihre Kinder
zu fleißigem Besuche anzuhalten. Als Zwangsmaßregel
wurde bestimmt, daß in Zukunft nur solche Eltern mit
Unterstützung aus Gemeinde- und andern öffentlichen
*) Strickler, Aktensammlung, VI, pag. 450 u. f.
2 ) Missiven des Erz.-Rates. 1801. f. 270.
3) Protokoll des Erz.-Rates. 1801. f. 13.
*) Missiven des Erz.-Rates. 1802. f. 195.
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— 163 —
-Armengütern bedacht werden, deren Kinder die Schule
ordentlich besuchen, „und damit nicht Eltern aas Eigen-
nutz, um etwa einen Schilling zu ersparen, ohne Not die
Kinder ganze Wochen die Schule versäumen lassen," mußte
„bey Berechnung des Schullohnes die ganze Dauer der Zeit
von Eröffnung der Schule bis zum Schlußexamen in An-
schlag gebracht werden." 5 ) Der Erziehungsrat selbst be-
faßte sich mit der Kontrolle über den Schulbesuch, indem
er sich von den Distriktsinspektoren die Schultabellen ein-
senden ließ, auf denen der neue Schulort bei Wegzug jedes
Schülers vorgemerkt werden mußte, damit man sich auß
den Tabellen des betreffenden Orts überzeugen konnte, ob
er die dortige Schule besuche.
Trotz alledem ließ auch die letzte Periode der Helvetik
hinsichtlich des Schulbesuchs noch viel zu wünschen übrig,
und erst als das Ansehen der Oberbehörden kräftiger ge-
worden war und den Verordnungen mehr Nachdruck ver-
schafft werden konnte, wurde es möglich, bessere Zustände
herbeizuführen.
4. Klasseneinteilung.
Die Lehrordnung empfiehlt in Anlehnung an den seit
Begründung von Schulen üblichen Usus die Schüler in drei
Klassen einzuteilen, „eine Klasse für die A B C Schüler,
eine für die, so zum Buchstabieren und eine für die, so
3um Lesen angehalten werden sollen." Nach der Enquete
iinden wir eine Einteilung in Klassen bloß in 77% der
Schulen; 1 ) 4<>/o sind in 2, 30% in 3 und 19% in mehr als
drei (4 — 6 oder noch mehr) Klassen eingeteilt, bei 24%
ist die Zahl der Klassen nicht ersichtlich, da die Lehrer
dieser Schulen die Frage bloß mit „Ja" beantwortet haben.
5 ) Aus der Proklamation des Erz.-Rates v. 23. März 1802. Helvet.
Akten, Staatsarchiv Zürich. K. II. 93.
x ) Doch ist es wahrscheinlich, daß manche Lehrer die Frage nach
4er Klasseneinteilung nicht verstanden und daher auch nicht darauf
reagiert haben.
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— 164 —
Die Einteilung konnte natürlich nicht, wie heute, nach
dem Alter vorgenommen werden, da dieses beim Schul-
eintritt bei den einzelnen Kindern sehr verschieden war.
In allen Fällen wurde sie daher nach der Unterrichtsmaterie^
beziehungsweise nach den zur Verwendung kommenden
Schulbüchern vorgenommen. Die gebräuchlichsten Klassen-
einteilungen waren folgende:
2 Klassen: 1. Buchstabieren, 2. Lesen.
3 Klassen: 1. Buchstabieren, 2. Auswendiglernen, 3. Schrei-
ben, oder nach den Schulbüchern:
1. Namenbüchlein und Lehrmeister (Fragstücklein).
2. Psalmbuch und „Zeugnusse".
3. Testament und „Geschriebenes Lesen". 1 )
4 Klassen: 1. Buchstabieren, 2. Syllabieren, 3. Lesen und
Auswendiglernen, 4. Schreiben.
5 Klassen: „1. Alphabetschüler, 2. Buchstabierschüler, 3.
Leseschüler, 4. Schreibschüler, 5. Rechner."
In Schulen mit großen Schülerzahlen war die Klassen-
einteilung oft eine sehr weitgehende; wir lassen als typisches
Beispiel die von Eglisau folgen 2 ):
„1. Abteilung: Lehrmeister.
a) Die Kinder, die nur im Fragstücklein buchstabieren.
b) „ „ , die die großen Fragen buchstabieren.
c) „ „ , die sie erst buchstabieren und dann lesen.
d) „ „ , die sie lesen und dann auswendig lernen.
2. Abteilung: Lesen.
a) Die Kinder, die in der Zeugnuß erst buchstabieren, dann
lesen.
, die in der Zeugnuß und im Testament lesen.
, die leichte Flugschriften lesen.
, die Zeitungen, das Wochenblatt u. s. w.
lesen.
*) Diese Einteilung findet sich am häufigsten.
2 ) Enquete 1799.
b)
»
c)
99
d)
>>
"X
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— 165 —
3. Abteilung; Geschriebenes lesen.
a) Die Kinder, die die Vorzettel lesen.
b) „ „ , die Kanzley-Schriften lesen.
c) „ „ , die alle Arten Schriften lesen."
Die Schüler ,die sich mit demselben Unterrichtsstoff
zu beschäftigen hatten, saßen, wo dies der Raum zuließ,
an demselben Tische beisammen. Der sehr unregelmäßige
Schulbesuch machte einen eigentlichen Klassenunterricht,
bei dem von einer Abteilung in einer gewissen Zeit ein
bestimmter Unterrichtsstoff absolviert wird, meist unmög-
lich. Gewöhnlich bekam daher jedes Kind jeden Tag sein
besonderes Pensum. Wo es aber anging, bildete man aus
den Schülern nach dem Lehrstoff bestimmte Gruppen. Der
Stundenplan oder die Unterrichtsordnung gestaltete sich
dann in der Regel folgendermaßen:
Vormittags: l )
2. Klasse
„lernt die Letzgen.
präpariert sich zum
Aufsagen. Die ganze
Klasse hat das
gleiche Pensum."
3. Klasse
8-9. „sagt auf. a |
„Alle Schüler dieser '
Klasse haben die !
gleiche Letzge. Der
Schulmeister setzt
sich zu ihrem Tisch
und lässt einen um
den andern lesen
und aufsagen und
gibt dann eine neue
Letzge auf, die er
vorliest und deut-
lich macht "
9-10. „Überliest die
eben aufgegebene
Letzge."
10-11. „Fängt an dieselbe
auswendig zu ler-
nen."
1
1. Klasse
„Sind von den Klei-
nern einige in den
zwei ersten Stunden
gegenwärtig, so wird
ein grösserer Schüler,
der schon aufgesagt,
zu ihnen gesetzt, der
hält sie in der Stille
und unterrichtet sie."
„sagt auf, der Schul-
meister setzt sieh an
ihren Tisch und stellt
eins ums andere auf. "
„wiederholt die auf-
gesagte Letzge für
sich."
„sagt auf. u
*) Akten Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
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— 166
1-2. „schreibt mit Hülfe
des Schulmeisters."
2-3. „schreibt allein
nach Vorschrift."
3-4. „lernt die Letzge
auf Morgen, es sei
im Lesen oder aus-
wendig; die ganz
fertig im Lesen,
lernen Geschriebe-
nes lesen."
Nachmittags:
„lernt die neue
Letzge."
„sagt auf wie am
Morgen."
„lernt und wieder-
holt die aufgesagte
Letzge."
„wie am Morgen"
„sagt auf."
5. Schulzucht.
Die Schulzucht erstreckte sich auf das Betragen in:
und außerhalb der Schule; sie war im allgemeinen eine
milde. Hören wir zunächst die Bestimmungen der Schul-
ordnung hierüber! „Der Schulmeister soll gegen die Kinder
keine Gefahr brauchen, dabei weder auf Liebe noch Freund-
schaft, weder auf Haß noch Feindschaft, weder auf Reich-
tum noch auf Armut sehen, sondern jedes halten wie sein
eigen Kind. Auch soll er die verschiedenen Gemütsarten
der Kinder wol in Obacht nehmen und anders gegen die
verfahren, bey denen es nötig ist, Gelindigkeit zu gebrauchen
und anders gegen die, die nur Strenge und Drohen sitzen
lassen und nur mit der Ruthe können zurechtgewiesen
werden. Er soll die liederlichen und fehlbaren Jedesmal
nach Beschaffenheit ihres Fehlers tadeln und bestrafen,
doch so, daß er sich dabei aller Schimpf- und Spottnamen»
und aller unanständigen Ausdrücke sorgfältig enthalte.
Kinder, die am Leib oder an Kleidern unreinlich sind, soll
er auf die Schandbank setzen, Kinder, die mit Vorsatz,
nichts lernen, in der Schule zurückbehalten und in eine
niedrigere Klasse heruntersetzen und sie als lüderliche auf
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— 167 —
der Tafel bezeichnen, Kinder, die auf wiederholte Erinne-
rung schwatzen und andern an der Aufmerksamkeit hinder-
lich sind, einige Tage oder eine Woche auf einen besonders
bezeichneten Platz setzen und sie nicht wieder bei den
andern Platz nehmen lassen, als bis sie versprechen, stille
zu sein. Kinder, die lügen, schwören, betrüglich handeln,
auf der Gasse unanständig sich betragen, in der Kirche
sich mutwillig aufführen und also mutwillig Böses tun,
sollen, nachdem der Schulmeister ihnen vorher ihr Ver-
gehen und die Schändlichkeit desselben bestmöglich über-
zeugend vorgehalten hat, mit der Ruthe gezüchtigt
werden; doch soll dabei die Vorsicht gebraucht werden,
daß der Gezüchtigte wohl schmerzhafte Empfindungen, aber
keine Verletzung oder Schaden leide, besonders der Kopf
verschont bleibe. Wenn aber ein Kind einer besondern
Vergehung sich schuldig gemacht und eine wichtige Be-
strafung verdient hat, so soll eine solche Bestrafung nicht
ohne Vorwissen und Rat des Herrn Pfarrer vorgenommen
werden."
Als Zuchtmittel gegen leichtere Vergehen, wie Un-
fleiß, Unaufmerksamkeit u. s. w., kamen außer Ermah-
nungen, Straufaufgaben und Nachsitzen besonders Ehren-
strafen zur Anwendung. Letztere bestanden hauptsächlich
in dem Verluste „kleiner Privilegien" und der „Setzung
an ein abgesondertes Ort". Zu diesem wurde der „hinterste
Winkel in der Schulstube" gewählt, der von den Kindern
„Hummel" genannt wurde. 1 ) An manchen Orten wurden
die Kinder, die ihre „Letzgen" wegen Unfleiß nicht konnten,
auf den „Esel" gesetzt, d. h. auf „eine Bank an der Wand,
daran ein Esel gemalt ist." „Das tut den Kindern weher,
x ) „Man gewahrt, daß die Setzung an ein abgesondertes Ort in der
Schulstube für die Kinder die fürchterlichste Strafe ist und das An-
drohen derselben lenkt die meisten schon so, daß die Execution oft
ausbleiben kann." (Aus einem Schulbericht des Wetzikoner Geistlichen-
Kapitels.) Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
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— 168 —
als wenn sie Streiche empfangen hätten." 2 ) Bei der An-
wendung von Strafen wurde den Lehrern besonders zur
Pflicht gemacht, wohl zu unterscheiden zwischen „Natur-
fehlern" („schwaches Gedächtnis, Mangel an den Sprach-
gliedern, eine unlenksame Hand zum Schreiben, ein kurzer
Stillstand der Seele") und „Bosheits- oder vorsätzlichen
Fehlern."
Gröbere Vergehen, als die besonders Schwören, Gottes-
lästerungen, Diebstahl und Lügen galten, wurden mit der
Rute bestraft. Sonst waren die körperlichen Strafen nicht
üblich und nach dem Bericht des Wetzikoner Geistlichen-
Kapitels waren „die Schulmeister im Abstrafen eher zu
gnädig, als zu ernstlich."
6. Ejcamina.
Der Zweck der Schulexamina war ein dreifacher.
Erstens war es der Anlaß, wo der Lehrer seinen Auf-
sichtsorganen über seine Tätigkeit Rechenschaft abzulegen
hatte, zweitens mußten sich die Kinder, die der Schule
entlassen zu werden wünschten, über die dazu erforder-
lichen Kenntnisse ausweisen, und drittens war das Examen
eine Art Schulfest, an dem die Schüler ihr Wissen zeigen,
konnten und durch Belohnung in abstrakter oder konkreter
Form zu weiterer Arbeit angespornt wurden.
Nach der Schulordnung sollte das Examen jeweilen
nach Beendigung der Winterschule vom Pfarrer und den
Schulvorgesetzten abgehalten werden. Dabei hatte der
Lehrer ein Verzeichnis der Schüler und des von ihnen aus-
wendig gelernten Stoffes vorzulegen. Nachstehend bringen
wir einen solchen „Examen-Rodel" der Schule zu Uerikon:
2 ) Schulbericht v. Affoltern. Akten, Landschulwesen. Staatsarchiv
Zürich. E. I. 21.
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- 169 —
3. Klasse Knaben :
Lesen
Schreiben
1 Auswendig-Gelerntei
I
Hs. Caspar Bühler
Testament
Vorschrift
i Gebete 14
| Lieder 7
Psalmen 1
Heinr. Bödmet
Testament
Vorschrift
i Gebete 9
Mädchen :
Anna Bühler
Testament.
Katechismus
Vorschrift
Gebete 14 i
i Lieder 14
| Psalmen 14
2. Klasse
Hs. Kud. Ryfel
j
1. Klasse
Heinr. Strickler
Namenbürhlein
j —
In welcher Weise sich das Examen, das gewöhnlich
5 — 6 Stunden dauerte, abwickelte, zeigt uns ein Schul-
bericht des Wetzikoner Geistlichen - Kapitels, dem wir
folgende Stelle entnehmen:
„Nach gemachtem Eingang, worin man gegenwärtig
wird der Catalogus, worin ein jedes Kind nebst seinen
Pensis eingeschrieben, von dem Schulmeister gefordert nebst
den Probschriften von denen, die geschrieben. Man läßt
ein jedes Kind nach dem Verzeichnis hervortreten, man
examiniert es selbst mit Genauheit im Buchstabieren, Lesen,
den auswendig gelernten Gebeten, Psalmen, Liedern, und
wo das Singen üblich, auch hierin. Nachdem über den
Fleiß eines guten Schulmeisters Zufriedenheit bezeugt wird,
wo aber nichts zu rühmen an dem Schulmeister das Lob
mit Stillschweigen vorübergelassen werden muß, so werden
die Kinder ermahnet, wie zur fleißigen Besuch ung des
Gottesdienstes u. s. w. Die Vorgesetzten nehmen weiters,
damit sie nichts verderben, an dem Examen selbst keinen
Anteil, außer daß man ihnen die Probschriften communi-
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— 170 —
eiert. An einigen Orten werden Praemien von geschriebenen
Schriften und Strophen aus den Liedern, denen, die am
besten gelesen und geschrieben, ausgeteilt unter dem Be-
ding, daß es ein jedes für sich behalten soll, und so ist
das Examen mit den Kindern vollendet. Nach Weggang
der Kinder muß der Schulmeister ein pflichtmäßiges
Zeugniß von einem jeden Kind, besonders auch von den
größern ablegen und wird deliberiert, welche von den-
selbigen der Schul entlassen werden können. Der Schul-
meister wird zur Fortsetzung seiner Arbeit freundernstlich
erinnert und die Vorgesetzten aufgewecket, auch mit dem
Schulmeister über der Kindern Aufführung zu wachen, die
Schule fleißig zu besuchen und dem Schulmeister nach ihrer
Pflicht und Kräften an die Hand zu gehen." 1 )
Mancherorts war es üblich, am Schlüsse des Examens
allen Schülern, oder denen, die sich durch besondere Lei-
stungen ausgezeichnet hatten, zur Aufmunterung kleine
„Prämien" zu verabreichen. Diese bestanden gewöhnlich
in Büchern, Geld oder Backwerk. In Bülach bekamen die
„liederlichsten ein, die fleißigen zwei und die besten drei
Glas Wein aus dem Stadtkeller und ein Stück Brot", in
Marthalen jedes Kind einen „Eierweggen", in Knonau die
„Schreiber 2 bis 8 ß, die kleinen so noch nicht schreiben
1 ß aus dem Kirchengut" und in dem Schulbericht von
Brütten wird hinsichtlich der Examenprämien bemerkt:
„Honores nostri sunt rari atque tenues eamque ob causam
gloriosi; sie bestehen darin, daß man einem fleißigen Schul-
kind, das neben dem Lesen in einem Winter noch 6 Psalmen
und 2 Gebeter auswendig gelernt hat, 2 Dirgeli (ein Ge-
bäck) gibet, wie hingegen einem anderji nur eins." 2 )
Nach der Ernennung von Schulinspektoren wurden diese
mit der Abnahme der Examina betraut. In den Instruktionen
*) Akten, Landschulwesen, Staatsarchiv Zürich. E. I. 21.
2 ) Enquete 1799 u. Akten, Landschulwesen, E. I. 21.
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— 171 —
für Schulinspektoren hatte Stapfer zwei Schulprüfungen vor-
gesehen, nämlich eine ordentliche und eine außerordent-
liehe. Die erstere, die zu Ende der Winterschule statte
finden sollte, trug mehr den Charakter eines Schulfestes,
das den Abschluß des Schulkurses bildete; diesem wohnten
gewöhnlich nur der Ortsgeistliche und die Ortsvorgesetzten
bei; für den Schulinspektor bestand hiezu keine Verpflich-
tung. Die außerordentliche Prüfung fiel in den Monat De-
zember oder Januar. Nachdem der Tag des Examens am
Sonntag vorher von der Kanzel verkündigt worden war,
fand sich der Schulinspektor zur bezeichneten Zeit in der
Schule ein und nahm „eine sorgfältige Prüfung der Kinder
vor, auf welche er eine Beförderung derselben in obere
Klassen" folgen ließ. Über den Ausgang des Examens
wurde dem Erziehungsrat jeweilen ein kurzer Bericht ein-
gesandt.
Alles in allem ergibt sich uns am Schlüsse unserer
Untersuchung als Tatsache, daß die Zeit der Helvetik eine
der bedeutendsten Etappen im Werdegange des Zürcher
Volksschulwesens ist. Diese ihre hervorragende Bedeutung
liegt aber keineswegs, um im Bilde zu reden, im Aufbau
der Stockwerke am Gebäude der allgemeinen Jugendbildung,
sie ist vielmehr' zu suchen im Entwurf des Bauplanes und
allenfalls in der Fundamentierung. Ein erstklassiges
Kulturwerk, wie es der Ausbau der Volksschule in irgend
einem Staatswesen ist, bedarf durchaus der Segnungen des
Friedens. Während Zürich aber beispielsweise ziemlich un-
berührt blieb von jenen Kriegsgreueln, die in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts das benachbarte Deutschland
fast in Barbarei zurücksinken ließen, wurde es von den
Ereignissen um die Wende des 18. Jahrhunderts mächtig
ergriffen und in einen langanhaltenden Zustand der Gärung
versetzt. Dazu stellen die wenigen Jahre, während der
die helvetische Republik bestand, doch eine viel zu kurz
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-- 172 —
bemessene Frist dar, als daß man während derselben über-
trieben große Resultate von den neuen Institutionen für
Volksbildung erwarten dürfte.
Ergab sich uns deshalb auch noch kein erfreuliches
Gesamtbild vom Volksschulwesen des Kantons, so hat doch
die weitere Entwicklung der Volksschulen im 19. Jahr-
hundert vollauf dargetan, welche lebenskräftigen Ideen der
Zeit der Helvetik entstammen. Der Gedanke der all-
gemeinen, einheitlichen Volksschule, den jener kaiserliche
Freund Zürichs bereits 801 durch eine besondere Ver-
ordnung angeregt hatte, erstmalig aber 1619 in Weimar
mit gesetzlicher Nötigung zum Schulbesuch zur Verwirk-
lichung kam, wird zur Zeit der Helvetik zum vornehmsten
Prinzip erhoben. Auch im letzten Glied der großen Volks-
gemeinschaft soll die Idee der Humanität realisiert werden
— ein Ziel, für das Zürichs größter Sohn, den „des Volkes
jammerte", mit dem ganzen Vollgewicht seiner Persönlich-
keit eintrat. Die Helvetik entzog zum ersten Male der
Kirche das Protektorat über die Volksschulen, diese werden
nun zu integrierenden Bestandteilen des Staates, zu An-
stalten, in denen die heranwachsenden Generationen fortan
gebildet wurden im Geiste der Demokratie.
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Anhang.
Fragen
über den Zustand der Schulen an jedem Orte.
I. Lokalverhältnisse.
1. Name des Ortes, wo die Schule ist.
a) Ist es ein Flecken, Dorf, Weiler, Hof?
b) Ist es eine eigene Gemeine? Oder zu welcher Ge-
meine gehört er?
c) Zu welcher Kirchengemeine? (Agentschaft?)
d) Zu welchem Distrikte?
e) Zu welchem Kanton gehörig?
2. Entfernung der zum Schulbezirk gehörigen Häuser?
(Diese wird nach Viertelstunden bestimmt; es
heißt z. B. innerhalb des Umkreises der nächsten
Viertelstunde liegen 25 Häuser, innerhalb des Um-
kreises der zweyten 13 Häuser, und innerhalb des Um-
kreises der dritten 4 Häuser.)
3. Namen der zum Schulbezirke gehörigen Dörfer, Weiler,
Höfe.
a) Zu jedem wird die Entfernung vom Schulorte, und
b) die Anzahl der Schulkinder, die daher kommen, gesetzt.
4. Entfernung der benachbarten Schulen auf eine Stunde
im Umkreise.
a) Ihre Namen.
b) Die Entlegenheit einer jeden.
IL Unterricht.
5. Was wird in der Schule gelehrt?
6. Werden die Schulen nur im Winter gehalten? Wie
lange?
7. Schulbücher, welche sind eingeführt?
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— 174 —
8, Vorschriften, wie wird es mit diesen gehalten?
9, Wie lange dauert täglich die Schule?
10. Sind die Kinder in Klassen geteilt?
III. Personalverhältnisse.
11. Schullehrer.
a) Wer hat bisher den Schulmeister bestellt? Auf welche
Weise? ^
bi Wie heißt er?
o Woher ist er?
d) Wie alt?
ei Hat er Familie? Wie viel Kinder? *
f) Wie lange ist er Schullehrer?
g) Wo ist er vorher gewesen? Was hatte er vorher für
einen Beruf?
h) Hat er jetzt neben dem Lehramte noch andere Ver-
richtungen ? Welche ?
12. Schulkinder. Wie viele Kinder besuchen überhaupt die
Schule?
TT7 . , Knaben?
a. im Winter? Mädchen?
b. im Sommer ?K£ ?
IV. ökonomische Verhältnisse.
13. Schulfond (Schulstiftung).
a) Ist dergleichen vorhanden?
b) Wie stark ist er?
c) Woher fließen seine Einkünfte?
d) Ist er etwa mit dem Kirchen- oder Armengut ver- £<
einigt?
14. Schulgeld.
Ist eins eingeführt? Welches? 1 %
15. Schulhaus.
a) Dessen Zustand; neu oder baufällig?
b) Oder ist nur eine Schulstube da? In welchem Ge-
bäude?
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— 175 —
c) Oder erhält der Lehrer in Ermangelung einer Schul-
stube Hauszins? Wie viel?
d) Wer muß für die Schulwohnung sorgen und selbige
im baulichen Stande erhalten?
16. Einkommen des Schullehrers.
A. An Geld, Getreide, Wein, Holz etc.
B. Aus welchen Quellen?
a. abgeschafften Lehengefällen (Zehenten, Grundzinsen)?
b. Schulgeldern ?
c. Stiftungen ?
d. Gemeindskassen ?
e. Kirchengütern?
f. zusammengelegten Geldern der Hausväter ?
g. liegenden Gründen ?
h. Fonds, welchen ? (Kapitalien).
I. Anmerkung. Den Beantwortungen dieser Fragen
können nach Belieben noch allerley Anmerkungen und Nach-
richten beygefügt werden.
II. Anmerkung. Jeder Schullehrer soll die Bantwortung
dieser Fragen doppelt schreiben; die erste Abschrift hat er
sogleich seinem Agenten zu übergeben. Der Agent wird
sie durch den Unterstatthalter und Regierungsstatthalter
an den Minister der Künste und Wissenschaften gelangen
lassen. Die zweyte Abschrift hat der Schullehrer dem Di-
striktsinspektor einzuhändigen.
III. Anmerkung. Jedermann ist gebeten, die Beant-
wortung und die Einsendung soviel wie möglich zu be-
schleunigen.
s
CD
CD
Ö
o
>
• 1-4
>
.1-4
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Lebensabriss*
Ich, Willibald Klinke, von Zürich, wurde am 18. Sep-
tember 1879 geboren. Nach Absolvierung der zürcherischen
Primär- und Sekundärschule trat ich 1895 ins Lehrerseminar
Küsnacht bei Zürich. 1899 bestand ich die Staatsprüfung
als Primarlehrer und betätigte mich sodann im Schulamt
teils an Sekundär-, teils an Primarschulen im Kanton Zürich.
1903 erhielt ich eine Anstellung an der städtischen Volks-
schule in Winterthur, wo ich mich jetzt noch befinde.
1904 ließ ich mich an der hiesigen Universität immatri-
kulieren und widmete mich während sechs Semestern
Studien in Philosophie, Pädagogik, Psychologie, Aesthetik,
Ethik, Logik, deutscher Sprachgeschichte, Anthropologie,
Anatomie und Hygiene. Für die vielseitigen Anregungen
während dieser Zeit fühle ich mich ganz besonders den
Herren Professoren Martin, Schumann und Störring zu Dank
verpflichtet.
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